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Regelwerk, Biotechnologie

BVL 61/2008/4 - Risikobewertung von E. coli K12 mit cDNa des vollständigen Genoms eines Retrovirus
- Stellungnahme der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) -

(BAnz. Nr. 58 vom 16.04.2008 S. 1402)



Retroviren (Familie: Retroviridae) sind umhüllte RNA-Viren, die in die sieben Gattungen Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta- (HTLV-1,-2, STLV-1,-2,-3), Epsilon-Retrovirus, Lentivirus (HIV-1,-2, SIV) und Spumavirus unterteilt worden sind.

Das retrovirale Genom besteht aus zwei identischen, einzelsträngigen RNA-Molekülen mit (+)-Strang-Orientierung, welche 5'-Capmethyliert und 3'-polyadenyliert vorliegen können. Die im Nukleokapsid gebundene Reverse Transkriptase schreibt die virale RNa in doppelsträngige DNa um, die als Provirus in das Wirtsgenom integriert wird. Die terminal liegenden LTRs, welche Polymerase II-Promotoren enthalten, sind für den weiteren Verlauf der Infektion essenziell. Transkripte des Provirus können als mRNa zur Translation viraler Proteine fungieren oder als genomische RNa zu neuen Viruspartikeln verpackt werden. cDNa eines retroviralen Genoms entspricht in der Regel dem Provirus. Nach Übertragung von cDNa retroviraler RNa auf permissive Säugerzellen werden virale Partikel gebildet.

Für die Risikobewertung eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO) ist gemäß § 5 Abs. 3 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung ( GenTSV) bei Übertragung des Genoms eines Spenderorganismus der Risikogruppen 2-4 auf einen Empfängerorganismus das Gefährdungspotenzial des Spenderorganismus vollständig in die Risikobewertung einzubeziehen. Ein dem Spenderorganismus entsprechendes Risiko ist insbesondere bei der gezielten Übertragung viraler Genome auf Zellen zu erwarten, wenn virale Partikel gebildet werden können. Wird hingegen DNa vollständiger Genome von Retroviren auf E. coli K12 übertragen, ist nicht davon auszugehen, dass in E. coli K12 virale Partikel ausgebildet werden. Ein Gefährdungspotenzial ist lediglich dadurch vorstellbar, dass die virale DNa von E. coli K12 auf Säugerzellen übertragen wird und dort Viruspartikel ausgebildet werden.

Bei Bakterien ist der Austausch von Erbmaterial zwischen nahe verwandten Spezies ein natürlicher Vorgang, für den verschiedene Mechanismen zur Verfügung stehen. Hingegen stellt die DNA-Übertragung von Prokaryonten auf Eukaryonten ein in der

Natur außergewöhnliches Ereignis dar, für das besondere Mobilisierungsfunktionen verantwortlich sind [1]. In vitro-Untersuchungen zur spontanen Plasmid-DNA-Übertragung ohne Transfersystem von E. coli K12 auf Säugerzellen ergaben ein Infektionsereignis pro 107-109 Bakterienzellen, und zeigten eine sehr niedrige Effizienz [2, 3]. Die verwendeten Vektoren erfüllten dabei die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 5 GenTSV als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme.

Da bei gentechnischen Arbeiten mit E. coli K12 Aerosole gebildet werden, die E. coli K12 enthalten, kann die Übertragung der Plasmid-DNa auf den Experimentator durch Inhalation der Aerosole, als seltenes Ereignis, nicht ausgeschlossen werden. Solche gentechnischen Arbeiten beinhalten demnach ein geringes Gefährdungspotenzial.

Bewertung

Erfolgt die Übertragung von cDNa des vollständigen Genoms eines Retrovirus der Risikogruppe 3** oder der Risikogruppe 2 mithilfe von Vektoren in E. coli K12 und handelt sich bei den Vektor-Empfänger-Systemen gemäß § 6 GenTSV um anerkannte biologische Sicherheitsmaßnahmen, werden die GVO der Risikogruppe 2 zugeordnet. Gentechnische Arbeiten mit den genannten GVO werden der Sicherheitsstufe 2 zugeordnet.

Literatur

1. Drummond M (1979). Crown gall disease. Nature 281, 343-347.

2. Schaffner W (1980). Direct transfer of cloned genes from bacteria to mammalian cells. Proc Natl Acad Sci USA. 77: 2163-2167.

3. Heitmann D. & Lopez-Pila JM (1993). Frequency and conditions of spontanous plasmid transfer from E. coli to cultured mammalian cells. Bio-Systems 29: 37-48.

ENDE

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