Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln
(Text von Bedeutung für den EWR)
(ABl. Nr. L 341 vom 20.12.2017 S. 8;
VO (EU) 2018/541 - ABl. Nr. L 90 vom 06.04.2018 S. 59Inkrafttreten)
Die Europäische Kommission -
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb 1, insbesondere auf Artikel 28 Absatz 4, Artikel 29 Absatz 4 und Artikel 30 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die Richtlinie (EU) 2016/97 sieht zusätzlich zu den für alle Versicherungsprodukte festgelegten Wohlverhaltensregeln eine Reihe spezieller Vorschriften vor, durch die Versicherungsanlageprodukte geregelt werden sollen.
(2) Mit der Richtlinie (EU) 2016/97 wird der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Kriterien und praktischen Einzelheiten für die Anwendung dieser speziellen Vorschriften festzulegen. Die entsprechenden Befugnisse betreffen die Bestimmungen über Interessenkonflikte, Anreize sowie die Beurteilung der Eignung und Angemessenheit. Um die kohärente Anwendung der auf der Grundlage dieser Befugnisse angenommenen Bestimmungen sicherzustellen und zu gewährleisten, dass den Marktteilnehmern, den zuständigen Behörden und den Anlegern ein umfassendes Verständnis dieser Bestimmungen und ein einfacher Zugang zu ihnen ermöglicht wird, ist es wünschenswert, sie in einem einzigen Rechtsakt zusammenzufassen. Die Form einer Verordnung gewährleistet einen kohärenten Rahmen für alle Marktbetreiber und ist die bestmögliche Garantie für gleiche Ausgangsbedingungen, einheitliche Wettbewerbsbedingungen und ein angemessenes Maß an Verbraucherschutz.
(3) Die Umstände und Situationen, die bei der Ermittlung der Arten von Interessenkonflikten, die den Interessen eines Kunden bzw. potenziellen Kunden abträglich sein können, zu berücksichtigen sind, sollten sich auf Fälle erstrecken, in denen es wahrscheinlich ist, dass der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen zu Lasten des Kunden einen finanziellen Vorteil erzielen oder einen finanziellen Verlust vermeiden wird. Allerdings sollte es für solche Situationen nicht ausreichen, dass der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen möglicherweise einen Vorteil zieht, wenn dies nicht konkret in einer nachteiligen Auswirkung für den Kunden resultiert, oder dass ein Kunde, gegenüber dem der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen eine Verpflichtung hat, möglicherweise einen Gewinn erzielt oder einen Verlust vermeidet, wenn sich dies nicht nachteilig auf einen anderen Kunden auswirkt.
(4) Um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden und gleichzeitig ein angemessenes Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten, sollten die organisatorischen Maßnahmen und Verfahren hinsichtlich des Umgangs mit Interessenkonflikten sorgfältig an die Größe und Tätigkeiten des Versicherungsvermittlers bzw. des Versicherungsunternehmens und gegebenenfalls der Gruppe, zu der der Vermittler bzw. das Unternehmen gehört, sowie an das Risiko der Beeinträchtigung der Interessen des Kunden angepasst werden. Es sollte eine nicht erschöpfende Liste möglicher Maßnahmen und Verfahren festgelegt werden, um den Versicherungsvermittlern und Versicherungsunternehmen in Bezug auf die Maßnahmen und Verfahren, die üblicherweise für den Umgang mit Interessenkonflikten zu berücksichtigen sind, Orientierung zu bieten. Aufgrund der großen Bandbreite von Geschäftsmodellen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen und Verfahren möglicherweise nicht für alle Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen von Relevanz. Insbesondere sind sie für kleine Versicherungsvermittler und ihre eingeschränkte Geschäftstätigkeit unter Umständen nicht angemessen. In solchen Fällen sollten die Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen imstande sein, alternative Maßnahmen und Verfahren einzuführen, die besser geeignet sind, um in der jeweiligen Situation dafür zu sorgen, dass die Vertriebstätigkeiten im besten Interesse des Kunden ausgeführt werden.
(5) Während gemäß der Richtlinie (EU) 2016/97 die Offenlegung von bestimmten Interessenkonflikten verlangt wird, sollte diese Maßnahme das letzte Mittel darstellen, das nur eingesetzt wird, wenn die organisatorischen und administrativen Vorkehrungen zur Vermeidung oder Regelung dieser Interessenkonflikte nicht ausreichend sind, um mit hinreichender Gewissheit sicherzustellen, dass die Risiken für eine Verletzung der Interessen des Kunden abgewendet werden, da eine übermäßige Offenlegung zu einem Mangel an wirksamen Schutz der Interessen des Kunden führen kann. Legt ein Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen Interessenkonflikte offen, so sollte er bzw. es nicht von der Pflicht befreit werden, die organisatorischen und administrativen Vorkehrungen aufrechtzuerhalten und anzuwenden, mithilfe derer sich eine Schädigung der Interessen der Kunden am effektivsten verhindern lässt.
(6) Um die praktische Umsetzung der mit der Richtlinie festgesetzten Standards zu erleichtern, sollten die Kriterien für die Beurteilung der von den Versicherungsvermittlern und Versicherungsunternehmen gesetzten oder erhaltenen Anreize ausführlicher dargelegt werden. Dazu sollte eine nicht erschöpfende Liste von Kriterien, die als für die Beurteilung einer möglichen nachteiligen Auswirkung auf die Qualität der Dienstleistung für den Kunden relevant angesehen werden, als Orientierung zur Verfügung gestellt werden, um ein angemessenes Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten.
(7) Die Beurteilung der Eignung gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 und die Beurteilung der Angemessenheit gemäß Artikel 30 Absatz 2 derselben Richtlinie haben je nach Vertriebsaktivität einen unterschiedlichen Umfang und unterscheiden sich in ihrer Funktion und ihren Merkmalen. Daher ist es erforderlich, die Standards und Anforderungen, die bei der Einholung der für diese beiden Beurteilungen erforderlichen Informationen und der Durchführung der Beurteilungen einzuhalten sind, eindeutig festzulegen. Auch sollte präzisiert werden, dass die Beurteilungen der Eignung und Angemessenheit unbeschadet der für die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen bestehenden Verpflichtung erfolgen, vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrags anhand der vom Kunden bereitgestellten Angaben dessen Wünsche und Bedürfnisse zu ermitteln.
(8) Die Eignungsbeurteilung sollte nicht nur in Bezug auf Empfehlungen zum Kauf eines Versicherungsanlageprodukts durchgeführt werden, sondern in Bezug auf sämtliche persönlichen Empfehlungen, die innerhalb der Lebensdauer des betreffenden Produkts abgegeben werden, da solche Situationen Beratung über Finanzgeschäfte implizieren können, die auf einer gründlichen Analyse der Kenntnisse und Erfahrung sowie der finanziellen Verhältnisse des jeweiligen Kunden beruhen sollte. Die Notwendigkeit einer Eignungsbeurteilung ist in Bezug auf Entscheidungen hinsichtlich einer Umschichtung der zugrunde liegenden Investitionswerte oder des Haltens bzw. Verkaufs eines Versicherungsanlageprodukts besonders hoch.
(9) Da das Marktrisiko von Versicherungsanlageprodukten stark von der Wahl der zugrunde liegenden Investitionswerte abhängt, kann solch ein Produkt für den Kunden bzw. potenziellen Kunden aufgrund der mit diesen Vermögenswerten verbundenen Risiken, der Art bzw. den Merkmalen des Produkts oder der Häufigkeit, in der eine Umschichtung der zugrunde liegenden Investitionswerte erfolgt, ungeeignet sein. Ein Produkt kann auch dann ungeeignet sein, wenn es ein ungeeignetes Portfolio an zugrunde liegenden Anlagen zur Folge hätte.
(10) Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen sollten für die Durchführung von Eignungsbeurteilungen zuständig bleiben, wenn die Beratung über Versicherungsanlageprodukte ganz oder teilweise durch ein automatisiertes oder teilautomatisiertes System erbracht wird, da solche Systeme persönliche Anlageempfehlungen abgeben, die auf einer Eignungsbeurteilung beruhen sollten.
(11) Um einen angemessenen Beratungsstandard hinsichtlich der langfristigen Entwicklung des Produkts zu gewährleisten, sollten die Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen Informationen darüber, ob der Kunde in Bezug auf die empfohlenen Versicherungsanlageprodukte wahrscheinlich eine regelmäßige Prüfung der Verträge beantragen muss, in die Geeignetheitserklärung aufnehmen und die Aufmerksamkeit der Kunden darauf richten.
(12) Da die Beurteilung der Angemessenheit prinzipiell in allen Fällen durchgeführt werden muss, in denen der Verkauf von Versicherungsanlageprodukten ohne Beratung stattfindet, sollten die Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen solch eine Beurteilung in sämtlichen Situationen durchführen, in denen der Kunde im Einklang mit den geltenden nationalen Rechtsvorschriften den Verkauf ohne Beratung wünscht und in denen die Bedingungen des Artikels 30 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/97 nicht erfüllt sind. In den Fällen, in denen die Durchführung einer Eignungsbeurteilung nicht möglich ist, da die erforderlichen Informationen über die finanziellen Verhältnisse und die Anlageziele des Kunden nicht eingeholt werden können, kann der Kunde im Einklang mit den geltenden nationalen Rechtsvorschriften zustimmen, mit dem Abschluss des Vertrags als Verkauf ohne Beratung fortzufahren. Um jedoch sicherzustellen, dass der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die damit einhergehenden Risiken zu verstehen, sollte in solchen Situationen eine Beurteilung der Angemessenheit vorgeschrieben sein, es sei denn, die Bedingungen des Artikels 30 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/97 sind erfüllt.
(13) Im Sinne von Artikel 30 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie (EU) 2016/97 sollten Kriterien für die Beurteilung festgelegt werden, ob ein Versicherungsanlageprodukt, das die in Artikel 30 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Richtlinie (EU) 2016/97 genannten Bedingungen nicht erfüllt, dennoch als nichtkomplexes Produkt gelten kann. In diesem Zusammenhang kann die Leistung von Garantien eine wichtige Rolle spielen. Bietet ein Versicherungsanlageprodukt zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Garantie, die mindestens den vom Kunden gezahlten Gesamtbetrag, ausgenommen legitime Kosten, abdeckt, schränken solche Garantien das Ausmaß, in dem der Kunde Marktschwankungen ausgesetzt ist, erheblich ein. Es kann somit gerechtfertigt sein, solch ein Produkt unter dem Vorbehalt weiterer Bedingungen als nichtkomplexes Produkt im Sinne des Artikels 30 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/97 zu betrachten.
(14) Die Richtlinie (EU) 2016/97 zielt auf eine Mindestharmonisierung ab und hindert die Mitgliedstaaten daher nicht daran, strengere Bestimmungen zum Zweck des Verbraucherschutzes beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Bestimmungen mit dem Unionsrecht in Einklang stehen. Die von der Kommission zum Zwecke der Präzisierung der in der Richtlinie (EU) 2016/97 festgelegten Anforderungen angenommenen Vorschriften sollten daher so angelegt sein, dass sie es den Mitgliedstaaten ermöglichen, strengere Bestimmungen in ihren nationalen Gesetzen beizubehalten.
(15) Damit sich die zuständigen Behörden und Versicherungsfachleute auf die neuen Anforderungen der vorliegenden Verordnung einstellen können, sollte die Verordnung ab dem gleichen Zeitpunkt gelten wie die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97.
(16) Die mit Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates 2 eingerichtete Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung wurde zur technischen Beratung 3 hinzugezogen
- hat folgende Verordnung erlassen:
Kapitel I
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1 Anwendungsbereich
Die vorliegende Verordnung findet auf den Versicherungsvertrieb im Zusammenhang mit dem Verkauf von Versicherungsanlageprodukten durch Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen Anwendung.
Artikel 2 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
Kapitel II
Interessenkonflikte und Anreize
Artikel 3 Ermittlung von Interessenkonflikten
(1) Zum Zwecke der Ermittlung der Arten von Interessenkonflikten gemäß Artikel 28 der Richtlinie (EU) 2016/97, die bei der Durchführung von Versicherungsvertriebstätigkeiten im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten auftreten und den Interessen eines Kunden schaden können, beurteilen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, ob für sie selbst, eine relevante Person oder eine Person, die direkt oder indirekt durch Kontrolle mit ihnen verbunden ist, ein Interesse am Ergebnis der Versicherungsvertriebstätigkeiten besteht, das die folgenden Kriterien erfüllt:
Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen verfahren auf die gleiche Weise, um Interessenkonflikte zwischen ihren Kunden zu ermitteln.
(2) Bei der Beurteilung gemäß Absatz 1 tragen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen mindestens den folgenden Situationen Rechnung:
Artikel 4 Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten
(1) Für die Zwecke des Artikels 27 der Richtlinie (EU) 2016/97 legen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen in schriftlicher Form wirksame, ihrer Größe und Organisation sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte angemessene Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten fest und setzen diese kontinuierlich um.
Ist der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen Teil einer Gruppe, tragen diese Grundsätze darüber hinaus allen Umständen Rechnung, von denen der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen weiß oder wissen müsste und die aufgrund der Struktur und der Geschäftstätigkeiten anderer Gruppenmitglieder einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten.
(2) In den gemäß Absatz 1 festgelegten Grundsätzen für den Umgang mit Interessenkonflikten
Artikel 5 Verfahren und Maßnahmen im Rahmen der Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten
(1) Die in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b genannten Verfahren und Maßnahmen sind der Größe und dem Betätigungsfeld des Versicherungsvermittlers oder des Versicherungsunternehmens und der Gruppe, der dieser bzw. dieses angehört, sowie der Höhe des Risikos, dass die Interessen des Kunden geschädigt werden, angemessen.
Die Verfahren und Maßnahmen gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b schließen, soweit angemessen, Folgendes ein:
(2) Stellen Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen fest, dass die in Absatz 1 genannten Maßnahmen und Verfahren nicht angemessen sind, um sicherzustellen, dass die Versicherungsvertriebstätigkeiten im besten Interesse des Kunden ausgeführt und nicht durch entgegengesetzte Interessen des Versicherungsvermittlers oder des Versicherungsunternehmens selbst oder eines anderen Kunden beeinträchtigt werden, führen sie zu diesem Zweck angemessene alternative Maßnahmen und Verfahren ein.
Artikel 6 Offenlegung
(1) Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen vermeiden eine übermäßige Offenlegung und stellen sicher, dass die Unterrichtung der Kunden gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 nur in den Fällen als letztes Mittel angewandt wird, wenn die organisatorischen und administrativen Vorkehrungen, die der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen zur Verhinderung oder Bewältigung von Interessenkonflikten gemäß Artikel 27 der Richtlinie (EU) 2016/97 getroffen hat, nicht ausreichen, um mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass die Interessen des Kunden nicht geschädigt werden.
(2) Für die Zwecke der Offenlegung von Interessenkonflikten ergreifen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen sämtliche folgenden Maßnahmen:
Artikel 7 Überprüfung und Führung von Aufzeichnungen
(1) Für die Zwecke von Artikel 27 der Richtlinie (EU) 2016/97 beurteilen und prüfen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen die gemäß Artikel 4 festgelegten Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, und ergreifen sämtliche erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung etwaiger Mängel.
(2) Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen zeichnen die Situationen, in denen ein den Interessen eines Kunden möglicherweise zuwiderlaufender Interessenkonflikt aufgetreten ist bzw. bei noch laufenden Dienstleistungen oder Tätigkeiten auftreten könnte, auf und aktualisieren diese Aufzeichnungen regelmäßig.
Die Geschäftsleitung des Versicherungsvermittlers bzw. Versicherungsunternehmens erhält regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich, schriftliche Berichte über die im Unterabsatz 1 genannten Situationen.
Artikel 8 Bewertung von Anreizen und Anreizregelungen
(1) Ein Anreiz bzw. eine Anreizregelung wird als nachteilig für die Qualität der betreffenden Dienstleistung für den Kunden angesehen, sofern der Anreiz bzw. die Anreizregelung aufgrund der Art und des Ausmaßes Anlass dafür bietet, Versicherungsvertriebstätigkeiten auf eine Art und Weise auszuführen, die gegen die Verpflichtung verstößt, im besten Interesse des Kunden ehrlich, redlich und professionell zu handeln.
(2) Um zu beurteilen, ob ein Anreiz bzw. eine Anreizregelung sich nachteilig auf die Qualität der betreffenden Dienstleistung für den Kunden auswirkt, nehmen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen eine Gesamtanalyse vor, bei der sämtlichen relevanten Faktoren, die das Risiko einer nachteiligen Auswirkung auf die Qualität der betreffenden Dienstleistung für den Kunden erhöhen bzw. senken können, sowie den organisatorischen Maßnahmen, die zur Verhinderung des Risikos einer nachteiligen Auswirkung von dem Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen, das Vertriebstätigkeiten ausführt, ergriffen werden, Rechnung getragen wird.
Als Bewertungskriterien berücksichtigen sie insbesondere,
Kapitel III
Beurteilung der Eignung und Angemessenheit
Abschnitt 1
Beurteilung der Eignung
Artikel 9 Zur Beurteilung der Eignung einzuholende Informationen
(1) Für die Zwecke der Beratung über Versicherungsanlageprodukte gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 legen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen den Umfang der vom Kunden bzw. potenziellen Kunden einzuholenden Informationen unter Berücksichtigung aller Merkmale der gegenüber diesem Kunden bzw. potenziellen Kunden zu erbringenden Beratung fest.
(2) Unbeschadet der Tatsache, dass gemäß Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 jeder angebotene Vertrag den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden zu entsprechen hat, holen die Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen bei ihren Kunden bzw. potenziellen Kunden die Informationen ein, die sie benötigen, um die wesentlichen Fakten in Bezug auf den Kunden bzw. den potenziellen Kunden zu erfassen und nach vernünftigem Ermessen davon ausgehen zu können, dass ihre persönlichen Empfehlungen an den Kunden bzw. potenziellen Kunden sämtliche folgenden Anforderungen erfüllen:
(3) Die Informationen über die finanziellen Verhältnisse des Kunden bzw. potenziellen Kunden, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, umfassen - soweit relevant - Informationen über Herkunft und Höhe seines regelmäßigen Einkommens, seine Vermögenswerte einschließlich der liquiden Vermögenswerte, Anlagen und Immobilienbesitz sowie seine regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen. Die Menge der gesammelten Informationen muss dem speziellen Typ des in Betracht gezogenen Produkts bzw. der in Betracht gezogenen Dienstleistung angemessen sein.
(4) Die Informationen über die Anlageziele des Kunden bzw. potenziellen Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft, umfassen - soweit relevant - Informationen über den Zeitraum, in dem er die Anlage zu halten gedenkt, seine Präferenzen hinsichtlich des einzugehenden Risikos, sein Risikoprofil und den Zweck der Anlage. Die Menge der gesammelten Informationen muss dem speziellen Typ des in Betracht gezogenen Produkts bzw. der in Betracht gezogenen Dienstleistung angemessen sein.
(5) Erlangt der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen die gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 erforderlichen Informationen nicht, bietet er bzw. es dem Kunden bzw. potenziellen Kunden keine Beratung über Versicherungsanlageprodukte an.
(6) Ist keines der Produkte für den Kunden bzw. potenziellen Kunden geeignet, gibt der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen bei der Erbringung von Beratung über ein Versicherungsanlageprodukt gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 keine Empfehlung ab.
(7) Bei der Erbringung von Beratung im Hinblick auf die Umschichtung zugrunde liegender Investitionswerte holen die Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen zudem die erforderlichen Informationen über die bestehenden zugrunde liegenden Investitionswerte des Kunden sowie die empfohlenen Neuinvestitionswerte ein und führen eine Analyse der zu erwartenden Kosten und Vorteile der Umschichtung durch, sodass sie mit angemessener Sicherheit nachweisen können, dass die Vorteile der Umschichtung deren Kosten voraussichtlich überwiegen.
Artikel 10 Zuverlässigkeit von Informationen
Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen ergreifen angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die über ihre Kunden oder potenziellen Kunden zu Zwecken der Beurteilung der Eignung gesammelten Informationen zuverlässig sind. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem:
Artikel 11 Kommunikation mit Kunden betreffend die Beurteilung der Eignung
Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen lassen hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten bei der Beurteilung der Eignung von Versicherungsanlageprodukten gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 weder Unklarheit noch Verwirrung entstehen. Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen informieren die Kunden auf klare und einfache Weise darüber, dass die Eignungsbeurteilung dazu dient, es ihnen zu ermöglichen, im besten Interesse des Kunden zu handeln.
Artikel 12 Automatisierte Beratung
Die Verantwortung des Versicherungsvermittlers bzw. Versicherungsunternehmens für die Durchführung der Eignungsbeurteilung gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 2016/97 wird durch den Umstand, dass die Beratung über Versicherungsanlageprodukte ganz oder teilweise über ein voll- oder teilautomatisiertes System erbracht wird, nicht eingeschränkt.
Artikel 13 Gruppenversicherung
In Bezug auf Gruppenversicherungen legt der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen Grundsätze dazu fest, wer der Eignungsbeurteilung zu unterziehen ist, wenn ein Versicherungsvertrag im Namen einer Gruppe von Mitgliedern abgeschlossen wird, bei der das einzelne Mitglied keine individuelle Entscheidung über seinen Beitritt treffen kann, und setzt diese um. Diese Grundsätze enthalten zudem Vorschriften darüber, wie diese Beurteilung in der Praxis durchgeführt wird, was auch mit einschließt, bei wem die Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen, die finanziellen Verhältnisse sowie Anlageziele eingeholt werden.
Die gemäß Absatz 1 festgelegten Grundsätze werden vom Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen schriftlich festgehalten.
Artikel 14 Geeignetheitserklärung
(1) Bei der Beratung zur Eignung eines Versicherungsanlageprodukts gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 stellen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen dem Kunden eine Geeignetheitserklärung zur Verfügung, die Folgendes enthält:
(2) Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen weisen die Kunden darauf hin und geben in der Geeignetheitserklärung an, ob die empfohlenen Versicherungsanlageprodukte voraussichtlich eine regelmäßige Überprüfung der Bestimmungen erfordern.
(3) Hat der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen den Kunden über die Vornahme einer regelmäßigen Eignungsbeurteilung informiert, können sich die auf die erste Dienstleistungserbringung folgenden Erklärungen auf Veränderungen hinsichtlich der Dienstleistungen bzw. zugrunde liegenden Investitionswerte und/oder der Umstände des Kunden beschränken, während sämtliche Einzelheiten der ersten Erklärung nicht noch einmal aufzuführen sind.
(4) Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die eine regelmäßige Eignungsbeurteilung vornehmen, überprüfen im besten Interesse ihrer Kunden die Eignung der empfohlenen Versicherungsanlageprodukte mindestens einmal jährlich. Je nach den Merkmalen des Kunden, beispielsweise Risikobereitschaft, und Art des empfohlenen Versicherungsanlageprodukts wird die Häufigkeit dieser Beurteilungen erhöht.
Abschnitt 2
Beurteilung der Angemessenheit
Artikel 15 Beurteilungsverfahren
Unbeschadet des Umstands, dass gemäß Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 jeder angebotene Vertrag den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden zu entsprechen hat, prüfen Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen bei der Beurteilung, ob ein(e) gemäß Artikel 30 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 vertriebene(s) Versicherungsleistung bzw. Versicherungsprodukt für einen Kunden geeignet ist, ob der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken im Zusammenhang mit der angebotenen oder gewünschten Dienstleistung bzw. dem angebotenen oder gewünschten Produkt zu verstehen.
Artikel 16 Nichtkomplexe Versicherungsanlageprodukte
Ein Versicherungsanlageprodukt gilt im Sinne von Artikel 30 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie (EU) 2016/97 als nichtkomplex, wenn es sämtliche folgenden Kriterien erfüllt:
Abschnitt 3
Gemeinsame Bestimmungen für die Beurteilung der Eignung bzw. Angemessenheit
Artikel 17 Beim Kunden einzuholende Informationen
(1) Für die Zwecke von Artikel 30 Absätze 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 erstrecken sich die von den Versicherungsvermittlern und Versicherungsunternehmen einzuholenden notwendigen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden oder potenziellen Kunden im jeweiligen Anlagebereich auf die nachfolgend genannten Punkte, soweit diese nach Art des Kunden und Art und Typ der angebotenen oder angefragten Produkte oder Dienstleistungen und unter Berücksichtigung der damit jeweils verbundenen Komplexität und Risiken angemessen sind:
(2) Der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen hindert einen Kunden oder potenziellen Kunden nicht daran, die für die Zwecke von Artikel 30 Absätze 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 erforderlichen Informationen zu übermitteln.
(3) Wurden die gemäß Artikel 30 Absatz 1 oder 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 erforderlichen Informationen gemäß Artikel 20 der Richtlinie (EU) 2016/97 bereits eingeholt, fragen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen diese nicht erneut beim Kunden an.
(4) Der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen ist berechtigt, sich auf die von seinen Kunden oder potenziellen Kunden übermittelten Informationen zu verlassen, es sei denn, ihm ist bekannt oder müsste bekannt sein, dass die Informationen offensichtlich veraltet, unzutreffend oder unvollständig sind.
Artikel 18 Regelmäßige Berichte
(1) Unbeschadet des Artikels 185 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 4 übermittelt der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger einen regelmäßigen Bericht über die an den Kunden erbrachten Dienstleistungen und die im Namen des Kunden ausgeführten Geschäfte.
(2) Der regelmäßige Bericht nach Absatz 1 beinhaltet eine redliche und ausgewogene Überprüfung der an den jeweiligen Kunden erbrachten Dienstleistungen und der im Namen dieses Kunden ausgeführten Geschäfte während des Berichtszeitraums und umfasst gegebenenfalls die Gesamtkosten im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen und Geschäften sowie den Wert der einzelnen zugrunde liegenden Investitionswerte.
(3) Der regelmäßige Bericht nach Absatz 1 wird mindestens einmal jährlich vorgelegt.
Artikel 19 Aufbewahrung von Aufzeichnungen
(1) Unbeschadet der Anwendung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates 5 führen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen Aufzeichnungen über die gemäß Artikel 30 Absätze 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 durchgeführten Eignungs- bzw. Angemessenheitsbeurteilungen. Die Aufzeichnungen umfassen die vom Kunden eingeholten Angaben sowie die Vereinbarungen mit dem Kunden, einschließlich Dokumente, die die Rechte der Parteien sowie die sonstigen Bedingungen festlegen, zu denen der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen Dienstleistungen für den Kunden erbringt. Diese Aufzeichnungen werden mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung zwischen dem Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen und dem Kunden aufbewahrt.
(2) Im Falle einer gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 durchgeführten Eignungsbeurteilung umfassen die Aufzeichnungen zudem Folgendes:
(3) Im Falle einer gemäß Artikel 30 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/97 durchgeführten Angemessenheitsbeurteilung umfassen die Aufzeichnungen zudem Folgendes:
(4) Die Aufzeichnungen werden auf einem Datenträger aufbewahrt, auf dem sie so gespeichert werden können, dass sie der zuständigen Behörde auch in Zukunft zugänglich gemacht werden können. Die zuständige Behörde muss ohne Weiteres auf die Aufzeichnungen zugreifen, jedes Element in klarer und genauer Form rekonstruieren und jegliche Veränderung, Korrektur oder sonstige Änderung sowie den Inhalt der Aufzeichnungen vor der Korrektur oder sonstigen Änderungen leicht feststellen können.
Kapitel IV
Schlussbestimmungen
Artikel 20 Inkrafttreten und Anwendung18
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung imAmtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mitgliedstaaten die in Artikel 42 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 genannten Maßnahmen anwenden müssen.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den 21. September 2017
2) Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission (ABl. Nr. L 331 vom 15.12.2010 S. 48).
3) Technical Advice on possible delegated acts concerning the Insurance Distribution Directive, EIOPA-17/048, 1. Februar 2017 (auf Englisch), verfügbar unter: https://eiopa.europa.eu/Publications/Consultations/EIOPA%20Technical%20Advice%20on%20the%20IDD.pdf
4) Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. Nr. L 335 vom 17.12.2009 S. 1).
5) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1).
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(Stand: 17.08.2021)
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