Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates

(ABl. Nr. L 106 vom 17.04.2001 S. 1;
Entsch. 2002/623/EG - ABl. Nr. L 22 vom 30.07.2002;
VO (EG) 1829/2003 - ABl. Nr. L 268 vom 18.10.2003 S. 1;
VO (EG) 1830/2003 - ABl. Nr. L 268 vom 18.10.2003 S. 24;
RL 2008/27/EG - ABl. Nr. L 81 vom 20.03.2008 S. 45;
RL (EU) 2015/412 - ABl. Nr. L 68 vom 13.03.2015 S. 1Inkrafttreten Art. 2, ber. 2018 L 82 S. 17;
RL (EU) 2018/350 - ABl. Nr. L 67 vom 09.03.2018 S. 30Inkrafttreten)



=> Zur nachfolgenden Fassung

Neufassung -Ersetzt die RL 90/220/EWG

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,

auf Vorschlag der Kommission 1,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses 2,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags, aufgrund des vom Vermittlungsausschuss am 20. Dezember 2000 gebilligten gemeinsamen Entwurfs 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) In dem am 10. Dezember 1996 angenommenen Bericht der Kommission zur Überprüfung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt 4 wurden mehrere Bereiche genannt, in denen Verbesserungen notwendig sind.

(2) Der Anwendungsbereich der Richtlinie 90/220/EWG und die darin enthaltenen Begriffsbestimmungen müssen präzisiert werden.

(3) Die Richtlinie 90/220/EWG wurde geändert. Anlässlich neuerlicher Änderungen empfiehlt sich aus Gründen der Klarheit und Wirtschaftlichkeit eine Neufassung.

(4) Lebende Organismen, die in großen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, können sich in dieser fortpflanzen und sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten, wodurch andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden können. Die Auswirkungen solcher Freisetzungen können unumkehrbar sein.

(5) Der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfordert eine gebührende Kontrolle der Risiken infolge der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt.

(6) Nach dem Vertrag sollten Umweltmaßnahmen der Gemeinschaft auf dem Grundsatz der Vorbeugung beruhen.

(7) Es ist notwendig, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die absichtliche Freisetzungen von GVO in die Umwelt anzugleichen, um die gefahrlose Entwicklung von gewerblichen Produkten zu gewährleisten, in denen GVO angewendet werden.

(8) Der Grundsatz der Vorsorge wurde bei der Ausarbeitung dieser Richtlinie berücksichtigt und muss bei ihrer Umsetzung berücksichtigt werden.

(9) Es ist besonders wichtig, dass die in einem Mitgliedstaat anerkannten ethischen Grundsätze beachtet werden. Die Mitgliedstaaten können ethische Aspekte berücksichtigen, wenn GVO absichtlich freigesetzt oder als Produkte oder in Produkten in den Verkehr gebracht werden.

(10) Im Sinne eines umfassenden und transparenten Rechtsrahmens muss sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit während der Ausarbeitung von Maßnahmen entweder von der Kommission oder von den Mitgliedstaaten konsultiert sowie über die zur Umsetzung dieser Richtlinie ergriffenen Maßnahmen informiert wird.

(11) Das Inverkehrbringen umfasst auch die Einfuhren. Produkte, die unter diese Richtlinie fallende GVO enthalten und/oder aus ihnen bestehen, können nicht in die Gemeinschaft eingeführt werden, wenn sie nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie genügen.

(12) Die Bereitstellung von GVO für die Einfuhr oder die Verwendung als Massengut wie z.B. bei landwirtschaftlichen Grundstoffen ist als Inverkehrbringen im Sinne dieser Richtlinie zu betrachten.

(13) Diese Richtlinie trägt den internationalen Erfahrungen auf diesem Gebiet sowie den internationalen Handelsverpflichtungen in angemessener Weise Rechnung. Sie sollte die Anforderungen des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt beachten. Die Kommission sollte so bald wie möglich, und jedenfalls vor Juli 2001, im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Protokolls geeignete Vorschläge zu seiner Durchführung vorlegen.

(14) Der Regelungsausschuss sollte Leitlinien für die Umsetzung der Vorschriften im Zusammenhang mit der Definition des Inverkehrbringens in dieser Richtlinie festlegen.

(15) Bei der Definition des Begriffs "genetisch veränderte Organismen" im Sinne dieser Richtlinie sind Menschen nicht als Organismen anzusehen.

(16) Durch diese Richtlinie sollten die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Bereich der Umwelthaftung nicht berührt werden, wohingegen die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft in diesem Bereich durch Vorschriften ergänzt werden müssen, die sich auf die Haftung für verschiedene Arten von Umweltschäden in allen Gebieten der Europäischen Union erstrecken. Zu diesem Zweck hat sich die Kommission verpflichtet, vor Ende 2001 einen Legislativvorschlag über die Umwelthaftung vorzulegen, der auch durch GVO verursachte Schäden einbezieht.

(17) Diese Richtlinie sollte nicht für Organismen gelten, die mit Techniken zur genetischen Veränderung gewonnen werden, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten.

(18) Zur fallweisen Beurteilung der potentiellen Risiken infolge der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt müssen harmonisierte Verfahren und Kriterien ausgearbeitet werden.

(19) Vor einer Freisetzung sollte in jedem Einzelfall stets eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden. Ferner sollten etwaige akkumulierte langfristige Auswirkungen, die mit der Wechselwirkung mit anderen GVO und der Umwelt zusammenhängen, gebührend berücksichtigt werden.

(20) Es ist erforderlich, eine gemeinsame Methodik für die Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Grundlage einer unabhängigen wissenschaftlichen Beratung einzuführen. Es ist ferner erforderlich, gemeinsame Ziele für die Überwachung von GVO nach ihrer absichtlichen Freisetzung oder ihrem Inverkehrbringen als Produkte oder in Produkten festzulegen. Die Überwachung etwaiger akkumulierter langfristiger Auswirkungen sollte als verbindlicher Teil des Überwachungsplans gelten.

(21) Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten sicherstellen, dass eine systematische und unabhängige Forschung in Bezug auf die potentiellen Risiken durchgeführt wird, die mit der absichtlichen Freisetzung oder dem Inverkehrbringen von GVO verbunden sind. Für diese Forschungsarbeiten sollten von den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft nach ihren jeweiligen Haushaltsverfahren die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden, und die unabhängigen Forscher sollten Zugang zu allem relevanten Material erhalten, wobei jedoch die Rechte des geistigen Eigentums zu beachten sind.

(22) Das Problem der Antibiotikaresistenzgene sollte bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung von GVO, die solche Gene enthalten, besonders berücksichtigt werden.

(23) Die absichtliche Freisetzung von GVO im Forschungsbereich ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von GVO abgeleitet sind oder diese enthalten.

(24) Die Einbringung von GVO in die Umwelt sollte nach dem .Stufenprinzip" erfolgen, d. h., die Einschließung der GVO wird nach und nach stufenweise gelockert und ihre Freisetzung in der gleichen Weise ausgeweitet, jedoch nur dann, wenn die Bewertung der vorherigen Stufen in bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergibt, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann.

(25) GVO als Produkte oder in Produkten, die für die absichtliche Freisetzung bestimmt sind, dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von seiner Anwendung betroffen sein könnten, ausreichend praktisch erprobt wurden.

(26) Die Durchführung dieser Richtlinie sollte in enger Verbindung mit der Durchführung anderer einschlägiger Rechtsakte wie z.B. der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln 5 erfolgen. In diesem Zusammenhang sollten die zuständigen Stellen, die bei der Kommission und auf nationaler Ebene mit der Durchführung dieser Richtlinie und jener Rechtsakte befasst sind, ihre Vorgehensweise soweit wie möglich koordinieren.

(27) In Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Teil C sowie das Risikomanagement, die Kennzeichnung, die Überwachung, die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Schutzklausel sollte diese Richtlinie einen Bezug für GVO als Produkte oder in Produkten darstellen, die nach anderen Vorschriften der Gemeinschaft zugelassen sind. Diese anderen Vorschriften sollten daher unbeschadet der in ihnen enthaltenen zusätzlichen Anforderungen eine gemäß den Grundsätzen des Anhangs II und auf der Grundlage der Informationen nach Anhang III durchzuführende spezielle Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Anforderungen an das Risikomanagement, die Kennzeichnung, die etwaige Überwachung, die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Schutzklausel vorsehen, die den Anforderungen der Richtlinie mindestens gleichwertig sind. Zu diesem Zweck ist eine Zusammenarbeit mit den Gremien der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten vorzusehen, die in dieser Richtlinie im Zusammenhang mit deren Durchführung erwähnt werden.

(28) Ein Genehmigungsverfahren der Gemeinschaft für das Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten muss aufgestellt werden, wenn die beabsichtigte Verwendung des Produkts die absichtliche Freisetzung des Organismus/der Organismen in die Umwelt voraussetzt.

(29) Die Kommission wird aufgefordert, eine Studie durchzuführen, die eine Bewertung der Optionen zur weiteren Verbesserung der Kohärenz und Wirksamkeit dieses Regelungsrahmens enthält und in deren Mittelpunkt ein zentralisiertes Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen von GVO in der Gemeinschaft steht.

(30) Für sektorale Rechtsvorschriften kann es erforderlich sein, die Überwachungsanforderungen an das betreffende Produkt anzupassen.

(31) Teil C dieser Richtlinie gilt nicht für Produkte, die unter die Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln 6 fallen, sofern danach eine im Vergleich zu den Vorschriften jener Richtlinie gleichwertige Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist.

(32) Jedermann hat, bevor er einen GVO absichtlich in die Umwelt freisetzt oder GVO als Produkte oder in Produkten, deren Verwendungszweck die absichtliche Freisetzung in die Umwelt beinhaltet, in den Verkehr bringt, der zuständigen Behörde seines Landes eine diesbezügliche Anmeldung zu machen.

(33) Diese Anmeldung sollte eine technische Informationsakte enthalten, die eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung, geeignete Sicherheits- und Notmaßnahmen und im Falle von Produkten präzise Gebrauchsanweisungen und -bedingungen sowie Etikettierungs- und Verpackungsvorschläge umfasst.

(34) Nach der Anmeldung sollte eine absichtliche Freisetzung von GVO nur erfolgen dürfen, wenn die zuständige Behörde hierzu die Zustimmung erteilt hat.

(35) Ein Anmelder sollte seine Anmeldung in jedem Stadium der in dieser Richtlinie festgelegten Verwaltungsverfahren zurückziehen können. Das Verwaltungsverfahren sollte beendet werden, wenn eine Anmeldung zurückgezogen wird.

(36) Die Ablehnung einer Anmeldung für das Inverkehrbringen eines GVO als Produkt oder in einem Produkt durch eine zuständige Behörde sollte die Einreichung einer Anmeldung desselben GVO bei einer anderen zuständigen Behörde nicht präjudizieren.

(37) Am Ende des Vermittlungszeitraums ist eine Einigung herbeigeführt, wenn keine Einwände mehr bestehen.

(38) Die Ablehnung einer Anmeldung aufgrund eines bestätigten negativen Bewertungsberichts sollte künftige Entscheidungen über die Anmeldung desselben GVO bei einer anderen zuständigen Behörde nicht präjudizieren.

(39) Im Interesse eines reibungslosen Funktionierens dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten die verschiedenen Bestimmungen über den Austausch von Informationen und Erfahrungen in Anspruch nehmen können, bevor sie auf die Schutzklausel dieser Richtlinie zurückgreifen.

(40) Um eine angemessene Kennzeichnung für das Vorhandensein von GVO in Produkten, die GVO enthalten oder aus ihnen bestehen, sicherzustellen, sollten die Worte "Dieses Produkt enthält genetisch veränderte Organismen" gut sichtbar entweder auf einem Etikett oder in einem Begleitdokument erscheinen.

(41) Im Wege des entsprechenden Ausschussverfahrens sollte ein System zur Zuteilung eines spezifischen Erkennungsmarkers für GVO unter Berücksichtigung der entsprechenden Entwicklungen in internationalen Foren errichtet werden.

(42) Die Rückverfolgbarkeit von GVO als Produkte oder in Produkten, die nach Teil C dieser Richtlinie genehmigt sind, muss in jeder Phase ihrer Vermarktung gewährleistet sein.

(43) In dieser Richtlinie muss die Verpflichtung aufgenommen werden, einen Überwachungsplan durchzuführen, um etwaige direkte, indirekte, sofortige, spätere oder unvorhergesehene Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt von GVO als Produkte oder in Produkten nach dem Inverkehrbringen feststellen und zuordnen zu können.

(44) Die Mitgliedstaaten sollten in Übereinstimmung mit dem Vertrag weitere Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle der GVO, die als Produkte oder in Produkten in den Verkehr gebracht worden sind - beispielsweise durch amtliche Stellen - erlassen können.

(45) Es sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, um die Überwachung von GVO und ihre Rückholung im Fall einer ernsten Gefahr zu erleichtern.

(46) Bei der Ausarbeitung der dem Regelungsausschuss vorzulegenden Maßnahmen sollten von der Öffentlichkeit vorgebrachte Bemerkungen berücksichtigt werden.

(47) Die zuständige Behörde sollte ihre Zustimmung nur erteilen, wenn ihr ausreichend nachgewiesen wurde, dass die Freisetzung für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ungefährlich ist.

(48) Das Verwaltungsverfahren für die Erteilung von Zustimmungen für das Inverkehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten sollte effizienter und transparenter werden, und die erstmalige Zustimmung sollte befristet werden.

(49) Auf Produkte, für die eine befristete Zustimmung erteilt wurde, sollte bei der Erneuerung der Zustimmung ein vereinfachtes Verfahren Anwendung finden.

(50) Die bestehenden, gemäß der Richtlinie 90/220/EWG erteilten Zustimmungen sind zu erneuern, um zu vermeiden, dass es zu Diskrepanzen zwischen gemäß jener Richtlinie erteilten Zustimmungen und gemäß der vorliegenden Richtlinie erteilten Zustimmungen kommt, und um die in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Bedingungen für die Zustimmung in vollem Umfang zu berücksichtigen.

(51) Für solche Erneuerungen ist ein Übergangszeitraum erforderlich, in dem die bestehenden, gemäß der Richtlinie 90/220/EWG erteilten Zustimmungen unverändert gelten.

(52) Bei der Erneuerung einer Zustimmung sollten alle Bedingungen der ursprünglichen Zustimmung einschließlich der Überwachungsbestimmungen und der zeitlichen Begrenzung der Zustimmung überprüft werden können.

(53) Gelten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt als wahrscheinlich, so sollte der zuständige wissenschaftliche Ausschuss bzw. sollten die zuständigen wissenschaftlichen Ausschüsse, die durch den Beschluss 97/579/EG der Kommission 7 eingesetzt wurden, gehört werden können.

(54) Das in der Richtlinie 90/220/EWG festgelegte System für den Austausch der in den Anmeldungen enthaltenen Informationen hat sich als nützlich erwiesen und sollte weitergeführt werden.

(55) Die Entwicklung und Anwendung von GVO müssen eingehend überwacht werden.

(56) Wird ein Produkt, das GVO als Produkte oder in Produkten enthält, in den Verkehr gebracht, und ist dieses Produkt nach dieser Richtlinie ordnungsgemäß zugelassen worden, so darf ein Mitgliedstaat die absichtliche Freisetzung von GVO als Produkte oder in Produkten, die den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten, einschränken oder behindern. Für den Fall einer Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt sollte ein Sicherheitsverfahren vorgesehen werden.

(57) Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien der Kommission sollte gehört werden, um Ratschläge zu ethischen Fragen allgemeiner Art betreffend die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO einzuholen. Diese Konsultationen sollten die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ethische Fragen unberührt lassen.

(58) Die Mitgliedstaaten sollten jeden Ausschuss hören können, den sie zu ihrer Beratung über die ethischen Implikationen der Biotechnologie eingesetzt haben.

(59) Die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung dieser Richtlinie sind gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse 8 zu erlassen.

(60) Der im Rahmen dieser Richtlinie eingerichtete Informationsaustausch sollte auch die bei der Prüfung der ethischen Aspekte gesammelten Erfahrungen abdecken.

(61) Um die Durchsetzung der gemäß dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen wirksamer zu gestalten, ist es angebracht, Sanktionen festzulegen, die von den Mitgliedstaaten anzuwenden sind. Hierzu gehören auch Sanktionen in den Fällen, in denen eine Freisetzung oder ein Inverkehrbringen, insbesondere aufgrund eines fahrlässigen Verhaltens, den Bestimmungen dieser Richtlinie nicht entspricht.

(62) Ein alle drei Jahre zu veröffentlichender Bericht der Kommission, der die von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen berücksichtigt, sollte ein gesondertes Kapitel über die sozioökonomischen Vor- und Nachteile jeder Kategorie von GVO, deren Inverkehrbringen zugelassen worden ist, enthalten, das den Interessen der Landwirte und Verbraucher gebührend Rechnung trägt.

(63) Der ordnungspolitische Rahmen für die Biotechnologie sollte überprüft werden, um festzustellen, ob die Kohärenz und Effizienz dieses Rahmens weiter verbessert werden können. Im Hinblick auf eine optimale Effizienz müssten die Verfahren gegebenenfalls angepasst werden, und alle Optionen, mit denen dies erreicht werden kann, sollten in Betracht gezogen werden

- haben folgende Richtlinie erlassen:

Teil A
Allgemeine Vorschriften

Artikel 1 Ziel

Entsprechend dem Vorsorgeprinzip ist das Ziel dieser Richtlinie die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt

Artikel 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

  1. "Organismus": jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen;
  2. "genetisch veränderter Organismus (GVO)": ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.
    Im Sinne dieser Definition gilt folgendes:
    1. Zu der genetischen Veränderung kommt es mindestens durch den Einsatz der in Anhang I a Teil 1 aufgeführten Verfahren;
    2. bei den in Anhang I a Teil 2 aufgeführten Verfahren ist nicht davon auszugehen, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen;
  3. "absichtliche Freisetzung": jede Art von absichtlichem Ausbringen eines GVO oder einer Kombination von GVO in die Umwelt, bei dem keine spezifischen Einschließungsmaßnahmen angewandt werden, um ihren Kontakt mit der Bevölkerung und der Umwelt zu begrenzen und ein hohes Sicherheitsniveau für die Bevölkerung und die Umwelt zu erreichen;
  4. "Inverkehrbringen": die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung für Dritte.
    Die folgenden Vorgänge gelten nicht als Inverkehrbringen:
  5. "Anmeldung": die Vorlage der nach dieser Richtlinie erforderlichen Angaben bei der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats;
  6. "Anmelder": die Person, die die Anmeldung vorlegt;
  7. "Produkt": eine Zubereitung, die aus GVO oder einer Kombination von GVO besteht oder GVO oder eine Kombination von GVO enthält und in den Verkehr gebracht wird;
  8. "Umweltverträglichkeitsprüfung": Bewertung der direkten oder indirekten, sofortigen oder späteren Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die mit der absichtlichen Freisetzung oder dem Inverkehrbringen von GVO verbunden sein können, und die gemäß Anhang II durchgeführt wird.

Artikel 3 Ausnahmeregelung

(1) Diese Richtlinie gilt nicht für Organismen, bei denen eine genetische Veränderung durch den Einsatz der in Anhang I B aufgeführten Verfahren herbeigeführt wurde.

(2) Diese Richtlinie gilt nicht für die Beförderung von genetisch veränderten Organismen auf Schiene, Straße, Binnenwasserwegen, zur See oder in der Luft.

Artikel 4 Allgemeine Verpflichtungen03

(1) Die Mitgliedstaaten tragen im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip dafür Sorge, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, damit die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat. GVO dürfen nur im Einklang mit Teil B bzw. Teil C absichtlich freigesetzt oder in den Verkehr gebracht werden.

(2) Vor der Anmeldung gemäß Teil B oder Teil C hat der Verantwortliche eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung gegebenenfalls erforderlichen Informationen sind in Anhang III aufgeführt. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sorgen dafür, dass GVO, die Gene enthalten, welche Resistenz gegen in der ärztlichen oder tierärztlichen Behandlung verwendete Antibiotika vermitteln, bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung besonders berücksichtigt werden, und zwar im Hinblick auf die Identifizierung und schrittweise Einstellung der Verwendung von Antibiotikaresistenzmarkern in GVO, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können. Diese schrittweise Einstellung der Verwendung erfolgt im Falle von gemäß Teil C in den Verkehr gebrachten GVO bis zum 31. Dezember 2004 und im Falle von gemäß Teil B zugelassenen GVO bis zum 31. Dezember 2008.

(3) Die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Kommission stellen sicher, dass mögliche schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die unmittelbar oder mittelbar durch den Gentransfer von GVO auf andere Organismen auftreten können, Fall für Fall sorgfältig geprüft werden. Diese Prüfung ist gemäß Anhang II unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt je nach Art des eingeführten Organismus und der den Organismus aufnehmenden Umwelt durchzuführen.

(4) Die Mitgliedstaaten bezeichnen die für die Durchführung der Anforderungen dieser Richtlinie verantwortliche(n) zuständige(n) Behörde(n). Die zuständige Behörde prüft, ob die Anmeldungen gemäß Teil B und Teil C die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen und ob die in Absatz 2 vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung angemessen ist.

(5) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die zuständige Behörde Inspektionen und gegebenenfalls sonstige Kontrollmaßnahmen durchführt, um die Einhaltung dieser Richtlinie zu gewährleisten. Im Falle einer nicht genehmigten Freisetzung von dem/den GVO oder des nicht genehmigten Inverkehrbringens von dem/den GVO als Produkt oder in Produkten stellt der betroffene Mitgliedstaat sicher, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zu beenden, nötigenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten und die Öffentlichkeit des betroffenen Mitgliedstaats, die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten zu unterrichten.

(6) Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um - im Einklang mit den Anforderungen des Anhangs IV - die Rückverfolgbarkeit von GVO, die nach Teil C genehmigt sind, in jeder Phase ihres Inverkehrbringens zu gewährleisten.

Teil B
Absichtliche Freisetzung von GVO zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen

Artikel 5

(1) Die Artikel 6 bis 11 gelten nicht für zum menschlichen Gebrauch bestimmte Arzneimittelwirkstoffe und Kombinationspräparate, die aus einem GVO oder einer Kombination von GVO bestehen oder solche enthalten, soweit ihre absichtliche Freisetzung zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zugelassen ist, die folgendes vorsehen:

  1. eine spezielle Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Anhang II und auf der Grundlage der Art der in Anhang III genannten Informationen, unbeschadet zusätzlicher Anforderungen gemäß diesen Rechtsvorschriften;
  2. eine ausdrückliche Zustimmung vor der Freisetzung;
  3. einen Überwachungsplan gemäß den einschlägigen Teilen von Anhang III, mit dem Ziel, die Auswirkungen des bzw. der GVO auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu ermitteln;
  4. in geeigneter Weise Anforderungen hinsichtlich der Behandlung neuer Informationen, der Unterrichtung der Öffentlichkeit, der Information über die Ergebnisse der Freisetzungen und hinsichtlich des Informationsaustauschs, die den Anforderungen dieser Richtlinie und der gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften zumindest gleichwertig sind.

(2) Die Umweltverträglichkeitsprüfung für diese Wirkstoffe und Kombinationspräparate wird in Abstimmung mit den in dieser Richtlinie erwähnten nationalen und gemeinschaftlichen Behörden durchgeführt.

(3) Verfahren, mit denen die Konformität der speziellen Umweltverträglichkeitsprüfung und die Gleichwertigkeit mit den Bestimmungen dieser Richtlinie gewährleistet werden, müssen in den genannten Rechtsvorschriften vorgesehen werden, und diese Rechtsvorschriften müssen auf die vorliegende Richtlinie verweisen.

weiter .

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