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Bestimmung der Ökotoxizität

Biologische Abbaubarkeit
C.12. Modifizierter S.C.A.S-Test

Anhang V
zur RL 67/548/EWG

zur aktuellen Fassung

C.12. 1. Methode

C.12. 1.1. Einleitung

Zweck des Verfahrens ist die Prüfung der potentiellen vollständigen biologischen Abbaubarkeit von wasserlöslichen, nichtflüchtigen organischen Stoffen, die längere Zeit relativ hohen Konzentrationen von Mikroorganismen ausgesetzt werden. Durch tägliche Zugabe von Abwasser als Nährlösung werden die Mikroorganismen während der Versuchszeit am Leben erhalten. An Wochenenden kann das Abwasser bei 4 °C aufbewahrt werden. Wahlweise kann auch das "synthetische" Abwasser des OECD-Bestätigungstestes verwendet werden.

Tritt eine physikalisch-chemische Adsorption der Prüfsubstanz an die suspendierten Feststoffe auf, muß dies bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden (siehe Randziffer 3.2.). Wegen der langen Verweilzeit der flüssigen Phase in der Belüftungseinheit (36 Stunden) und der zwischenzeitlichen Zugabe von Nährstoffen simuliert der Test nicht die in einer Kläranlage üblichen Bedingungen. Die für verschiedene Prüfsubstanzen vorliegenden Ergebnisse weisen darauf hin, daß das biologische Abbaupotential des Tests hoch ist.

Die Testbedingungen sind für die Selektion und/oder Adaptation von Mikroorganismen, die die Prüfsubstanzen abzubauen vermögen, äußerst günstig.

(Dieses Verfahren kann auch zur Herstellung akklimatisierten Impfgutes für andere Prüfungen angewandt werden.)

Bei dieser Methode wird die Konzentration des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) als Maß zur Beurteilung der vollständigen biologischen Abbaubarkeit der Prüfsubstanz benutzt. Der Gehalt an gelöstem organischem Kohlenstoff ist vorzugsweise nach Ansäuerung und strippen und nicht als Differenz zwischen Gesamtkohlenstoffgehalt und anorganischem Kohlenstoff zu bestimmen.

Werden gleichzeitig spezifische Analysen durchgeführt, kann der Primärabbau (Verschwinden der chemischen Ausgangsstruktur) des Stoffes beurteilt werden.

Mit diesem Verfahren können nur organische Stoffe geprüft werden, die bei der verwendeten Konzentration

Der organische Kohlenstoffgehalt der Prüfsubstanz ist zu bestimmen.

Informationen über die relativen Anteile der Hauptkomponenten der Prüfsubstanz sind für die Interpretation der Ergebnisse insbesondere dann nützlich, wenn niedrige oder marginale Abbau-Werte erhalten werden.

Informationen über die Toxizität des Stoffes gegenüber Mikroorganismen sind zur Interpretation niedriger Abbauwerte sowie zur Auswahl geeigneter Prüfkonzentrationen nützlich.

C.12. 1.2. Definitionen und Einheiten

CT = Konzentration der Prüfsubstanz, bestimmt als zu Beginn der Belüftungszeit vorhandener oder hinzugegebener organischer Kohlenstoff (mg/l);
Ct = Konzentration des organischen Kohlenstoffs in der nach Belüftung und anschließender Sedimentation überstehenden Flüssigkeit in der Prüfeinheit (mg/l);
Cc = Konzentration des gelösten organischen Kohlenstoffs in der nach Belüftung und anschließender Sedimentation überstehenden Flüssigkeit der Kontrolleinheit (mg/l).

Der biologische Abbau wird in dieser Vorschrift als Abnahme des Gehalts an organischem Kohlenstoff definiert. Er läßt sich wie folgt darstellen:

1. als prozentuale Abnahme Dda der täglich hinzugegebenen Stoffmenge:

Dda= CT - (Ct - Cc) ξ 100 [1]

CT

Dda = Abbau/Tägliche Zugabe.

2. Als prozentuale Abnahme Dssd der zu Beginn eines jeden Tages im Testsystem vorhandenen Stoffmenge:

Dssd = 2CT + Cti - Cci- 3Ct(i+1) + 3Cc(i+1) ξ 100 [2a)]

2CT + Cti - Cci
 

2CT - 2(Ct - Cc)  ξ 100 [2b)]

2CT + 2(Ct - Cc)

Dssd = Abbau/Stoff zu Beginn des Tages.

Die Indizes i und (i + 1) beziehen sich auf den Tag der Messung. Gleichung 2a) wird empfohlen, wenn der DOC-Gehalt der entnommenen Kultursuspension täglichen Schwankungen unterworfen ist, während Gleichung 2b) benutzt werden kann, wenn der DOC-Gehalt von Tag zu Tag relativ konstant bleibt.

C.12. 1.3. Referenzsubstanzen

Bei der Untersuchung neuer Stoffe können in einigen Fällen Referenzsubstanzen nützlich sein; jedoch können keine spezifischen Substanzen empfohlen werden.

In Anlage 1 werden Daten von mehreren Verbindungen, die in Ringversuchen geprüft worden sind, angegeben.. Mit ihnen kann gelegentlich eine Kalibrierung der Methode vorgenommen sowie ein Vergleich mit Ergebnissen, die mit anderen Methoden erhalten wurden, durchgeführt werden.

C.12. 1.4. Prinzip der Methode

Belebtschlamm aus einer Kläranlage wird in eine Belüftungseinheit, die halbkontinuierlich betrieben wird (Semi-Continuous Activated Sludge unit, SCAS-Einheit), gegeben. Die Prüfsubstanz sowie häusliches Abwasser werden zugesetzt und das Gemisch 23 Stunden lang belüftet. Danach läßt man den Schlamm absetzen und nimmt die überstehende Flüssigkeit ab.

Der im Kulturgefäß verbleibende Schlamm wird sodann mit einer weiteren aliquoten Menge der Prüfsubstanz sowie mit Abwasser gemischt und das Verfahren wird wiederholt.

Der biologische Abbau wird durch Bestimmung des DOC-Gehalts nach Sedimentation des Schlammes in der überstehenden Flüssigkeit ermittelt. Dieser Wert wird mit dem entsprechenden der Kontrolleinheit verglichen.

Wird ein spezifisches Analyseverfahren angewandt, so können Veränderungen in der Konzentration der Ausgangsverbindung, die infolge des biologischen Abbaus (Primär-Abbau) auftreten, gemessen werden.

C.12. 1.5. Qualitätskriterien

Die Reproduzierbarkeit dieses Verfahrens, das auf der Messung der DOC-Abnahme beruht, ist noch nicht überprüft worden. (Ist der biologische Primär-Abbau zu ermitteln, so können sehr präzise Daten für Stoffe erhalten werden, die weitgehend abgebaut werden.)

Die Empfindlichkeit des Verfahrens ist weitgehend von den Schwankungen des Kontrollwerts und in geringerem Ausmaß von der Genauigkeit der Bestimmung des gelösten organischen Kohlenstoffs und der Konzentration der Prüfsubstanz in der Kultursuspension zu Beginn der einzelnen Zyklen abhängig.

C.12. 1.6. Prüfverfahren

C.12. 1.6.1. Vorbereitung

Eine ausreichende Zahl von sauberen Kulturgefäßen (wahlweise kann auch die ursprüngliche SCAS-Einheit, die ein Volumen von 1,5 l faßt, angewandt werden) und Belüftungsrohren für jede Prüfsubstanz sowie die Kontrolle werden zusammengesetzt. Die den Prüfeinheiten zugeführte Druckluft muß, durch ein Wattefilter gereinigt, frei von organischem Kohlenstoff sein und zur Verminderung der Evaporationsverluste zuvor mit Wasser gesättigt werden.

Eine Mischprobe mit 1 bis 4 g suspendierten Feststoffen/l wird einer Belebtschlammanlage, in der vorwiegend häusliche Abwässer behandelt werden, entnommen.

Für jede Belüftungseinheit sind rund 150 ml Belebtschlamm erforderlich.

Stammlösungen der Prüfsubstanz werden in destilliertem Wasser zubereitet; normalerweise ist eine Konzentration von 400 mg organischen Kohlenstoffs/l erforderlich, um eine Konzentration der Prüfsubstanz von 20 mg Kohlenstoff/l zu Beginn jedes Belüftungszyklus, wenn kein biologischer Abbau erfolgt, einzustellen.

Höhere Konzentrationen sind zulässig, wenn die Toxizität gegenüber den Mikroorganismen dies erlaubt. Der Gehalt der Stammlösungen an organischem Kohlenstoff wird gemessen.

C.12. 1.6.2. Prüfbedingungen

Der Test ist bei einer Temperatur von 20 bis 25 °C durchzuführen. Es wird eine hohe Konzentration aerober Mikroorganismen verwendet (1 bis 4 g/l suspendierte Feststoffe); die effektive Verweilzeit im Kulturgefäß beträgt 36 Stunden. Die kohlenstoffhaltigen Substanzen im zugesetzten Abwasser werden in der Regel innerhalb der ersten acht Stunden nach Beginn eines jeden Belüftungszyklus weitestgehend oxydiert. Danach atmet der Schlamm endogen; während dieser Zeit ist die Prüfsubstanz das einzig verfügbare Substrat, wenn sie nicht ebenfalls sofort abgebaut worden ist. Diese Rahmenbedingungen schaffen, zusammen mit der täglichen Wiederbeimpfung bei Verwendung von häuslichem Abwasser als Nährmedium, sowohl für die Akklimatisierung als auch für einen weitgehenden biologischen Abbau sehr günstige Voraussetzungen.

C.12. 1.6.3. Durchführung der Prüfung

Eine gemischte Belebtschlamm-Probe wird einer geeigneten kommunalen Kläranlage, die vorwiegend häusliche Abwässer behandelt, oder einer Laboratoriumsanlage entnommen und bis zur Verwendung im Laboratorium unter aeroben Bedingungen, gehalten. In jede Prüf- und Kontrolleinheit werden 150 ml (werden die Original-SCAS-Prüfeinheiten verwendet, so sind die angegebenen Volumina zu verzehnfachen) der Belebtschlamm-Suspension gegeben und dann belüftet. Nach 23 Stunden wird die Belüftung ausgeschaltet und man läßt den Schlamm 45 Minuten absetzen. Dann werden die Ablaufstutzen der einzelnen Gefäße geöffnet und aus jedem 100 ml der überstehenden Flüssigkeit entnommen. Von einer unmittelbar vor Gebrauch gezogenen Probe häuslicher Abwasser, aus dem die gröberen Partikel nach Sedimentation entfernt wurden, werden je 100 ml zu dem in den Belüftungseinheiten verbliebenen Schlamm gegeben. Sodann wird wieder belüftet. In dieser Phase werden keine Prüfsubstanzen zugesetzt. In die Einheiten wird so oft häusliches Abwasser gegeben, bis nach dem Absetzen des Schlamms eine klare überstehende Flüssigkeit erhalten wird. Dies dauert in der Regel bis zu zwei Wochen; in dieser Zeit nähert sich der gelöste organische Kohlenstoff in der überstehenden Schicht nach Abschluß der Belüftungszyklen einem konstanten Wert.

Am Ende dieser Phase werden die einzelnen abgesetzten Schlämme gemischt und jeweils 50 ml des daraus erhaltenen Mischschlammes wiederum in die einzelnen Einheiten gegeben.

95 ml abgesetztes Abwasser und 5 ml Wasser werden in den Kontrollansatz und 95 ml des abgesetzten Abwassers und 5 ml der Prüfsubstanz-Stammlösung (400 mg/l) werden in jede Prüfeinheit gegeben. Dann wird wieder für 23 Stunden belüftet. Danach läßt man den Schlamm 45 Minuten absetzen, worauf die überstehende Schicht abgenommen und auf den Gehalt an organischem Kohlenstoff untersucht wird.

Das oben beschriebene Füll- und Entnahmeverfahren wird während der Testdauer täglich wiederholt.

Vor dem Absetzen müssen eventuell die Wände der Einheiten gereinigt werden, um eine Anhaftung von Feststoffen oberhalb des Flüssigkeitsniveaus zu verhindern. Für jede Einheit sind getrennte Schaber oder Bürsten zu verwenden, um eine gegenseitige Kontamination zu vermeiden.

Im Idealfall wird der Gehalt an gelöstem organischen Kohlenstoff in der überstehenden Kultursuspension täglich bestimmt; weniger häufige Analysen sind jedoch zulässig. Vor der Analyse werden die Suspensionen durch gewaschene Membranfilter von 0,45 µm filtriert oder zentrifugiert. Membranfilter sind geeignet,. wenn sichergestellt ist, daß sie weder Kohlenstoff freisetzen noch Stoffe bei der Filtration adsorbieren. Die Temperatur der Probe darf bei der Zentrifugation 40 °C nicht übersteigen.

Die Dauer der Prüfung ist für gering oder nicht biologisch abbaubare Verbindungen unbestimmt; nach bisherigen Erfahrungen sollte sie mindestens 12, höchstens jedoch 26 Wochen betragen.

C.12 . 2. Daten und Auswertung

Die Gehalte an gelöstem organischen Kohlenstoff in den nach der Sedimentation überstehenden Kultursuspensionen der Prüf- und Kontrolleinheiten werden gegen die Zeit graphisch aufgetragen.

Nach Abschluß des biologischen Abbaus sollten sich die Werte der Prüfansätze demjenigen des Kontrollansatzes nähern. Bleibt die Differenz zwischen diesen beiden Werten während drei aufeinanderfolgender Messungen konstant, so werden noch so viele Messungen vorgenommen, wie es zur statistischen Auswertung der Daten erforderlich ist, und der prozentuale biologische Abbau der zu prüfenden Substanz wird berechnet (Dda oder Dssd siehe Randziffer 1.2.).

C.12. 3. Abschlußbericht

C.12. 3.1. Prüfbericht

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, folgendes anzugeben:

C.12. 3.2. Interpretation der Ergebnisse

Da der mit diesem Verfahren zu prüfende Stoff biologisch nicht leicht abbaubar ist, wird jede ausschließlich auf biologischen Abbau zurückzufuhrende Abnahme des DOC-Gehalts in der Regel über Tage oder Wochen nur langsam erfolgen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen eine plötzliche Akklimatisierung eintritt, erkennbar an einer raschen DOC-Abnahme,

Eine physikalisch-chemische Adsorption kann jedoch oftmals eine wichtige Rolle spielen; dies ist daran erkenntlich, daß der zugesetzte gelöste organische Kohlenstoff von Anfang an vollständig oder teilweise verschwindet. Die danach auftretenden Effekte sind von Faktoren wie dem Adsorptionsgrad und der Konzentration der suspendierten Partikel in der den Belüftungseinheiten entnommenen Suspension abhängig. Die Differenz zwischen den DOC-Konzentrationen in der Kontrolle und dem Prüfansatz nimmt zunächst in der Regel von geringen Anfangswerten fortschreitend zu und bleibt dann während der restlichen Versuchszeit konstant, sofern keine Akklimatisierung erfolgt.

Soll zwischen vollständigem (oder teilweisem) biologischem Abbau und Adsorption unterschieden werden, sind weitere Tests erforderlich. Hierfür bieten sich mehrere Möglichkeiten an; am besten verwendet man jedoch den Belebtschlamm aus der Prüfeinheit oder die nach Sedimentation daraus erhaltene Kultursuspension als Inokulum in einem Grundstufen-Test (vorzugsweise respirometrisch).

Prüfsubstanzen, die eine weitgehende, nicht durch Adsorption bedingte Abnahme des DOC-Gehalts in diesem Test aufweisen, sind als potentiell biologisch abbaubar zu betrachten. Eine partielle nichtadsorptive Abnahme weist darauf hin, daß der Stoff zumindest teilweise biologisch abbaubar ist.

Erfolgt keine oder nur eine geringe Abnahme des gelösten organischen Kohlenstoffs, kann dies möglicherweise auf einer Hemmung der Mikroorganismen durch den zu prüfenden Stoff beruhen. Diese kann sich auch durch Auflösung und Verlust des Schlammes sowie einer Trübung der überstehenden Kultursuspension zeigen. In solchen Fällen ist die Prüfung mit einer niedrigeren Konzentration des zu prüfenden Stoffes zu wiederholen.

Durch spezifische Analysemethoden oder den Einsatz14C-markierter Prüfsubstanzen läßt sich eventuell eine höhere Empfindlichkeit erreichen. Wird14C-markierte Prüfsubstanz verwendet, läßt sich durch Nachweis des entstehenden14CO2 bestätigen, daß ein biologischer Abbau stattgefunden hat.

Werden die Ergebnisse auch in Form des biologischen Primär-Abbaus angegeben, so sollten, wenn möglich, Angaben über die Veränderungen der chemischen Struktur gemacht werden, die die mangelnde Wiederauffindung der Ausgangssubstanz begründen.

Die Validierung der Analysemethode sowie die damit bestimmten Werte im Nährmedium ohne Zusatz der Prüfsubstanz müssen angegeben werden.

C.12. 4. Literatur

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 302 A, Beschluß des Rates C(81)30 endg.

Anlage 1
zur RL 67/548/EWG Anhang V C.12.

S.C.A.S.-Test: Beispiel der Ergebniseingabe

Substanz CT
(mg/l)
Ct-Cc
(mg/l)
Prozent biologischer Abbau
Dda
Testdauer
(Tage)
4-Acerylaminobenzolsulfonat 17,2 2,0 85 40
Tetrapropylenbenzolsulfonat 17,3 8,4 51,4 40
4-Nitrophenol 16,9 0,8 95,3 40
Diethylenglykol 16,5 0,2 98,8 40
Anilin 16,9 1,7 95,9 40
Cyclopentantetracarboxylat 17,9 3,2 81,1 120

Anlage 2
zur RL 67/548/EWG Anhang V C.12.

Abbildung 1: Beispiel der Testapparatur

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