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Methoden zur Bestimmung der physikalisch-chemischen Eigenschaften
A.2. Siedetemperatur |
Anhang V zur RL 67/548/EWG |
A.2. 1. Methode
Den meisten der hier beschriebenen Methoden liegt die OECD-Prüfrichtlinie (1) zugrunde. Die Grundprinzipien sind in (2) und (3) angegeben.
A.2. 1.1. Einleitung
Die hier beschriebenen Methoden und Geräte können für flüssige und niedrig schmelzende Substanzen verwendet werden, wenn diese nicht unterhalb der Siedetemperatur chemisch reagieren (z.B. Autooxidation, Umlagerung, Zersetzung usw.). Die Methoden können auf reine und unreine Flüssigkeiten angewendet werden.
Bevorzugt werden die Methoden mit Photozellen-Detektion und Thermoanalyse, da diese sowohl die Bestimmung der Schmelz- als auch der Siedetemperatur ermöglichen. Darüber hinaus können die Messungen automatisch durchgeführt werden.
Die "dynamische Methode" hat den Vorteil, daß sie auch zur Bestimmung des Dampfdrucks verwendet werden kann; dabei ist es nicht erforderlich, die Siedetemperatur auf den Normaldruck (101,325 kPa) zu berichtigen, da der Normdruck während der Messung durch einen Manostaten eingestellt werden kann.
Bemerkungen:
Der Einfluß von Verunreinigungen auf die Bestimmung der Siedetemperatur hängt weitgehend von der Art der Verunreinigung ab. Wenn hochflüchtige Verunreinigungen in der Probe vertreten sind, die die Ergebnisse beeinträchtigen könnten, kann der Stoff gereinigt werden.
A.2. 1.2. Definitionen und Einheiten
Als Standardsiedetemperatur wird diejenige Temperatur definiert, bei der der Dampfdruck einer Flüssigkeit 101,325 kPa beträgt.
Wenn die Siedetemperatur nicht bei normalem Atmosphärendruck gemessen wird, kann die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks durch die Clausius-Clapeyron-Gleichung beschrieben werden:
+ const.
Darin bedeuten:
p | = Dampfdruck des Stoffes in Pascal |
ΔHv | = Verdampfungswärme in J mol-1 |
R | = universelle molare Gaskonstante = 8,314 J mol-1 K-1 |
T | = thermodynamische Temperatur in K |
Die Siedetemperatur wird entsprechend dem Umgebungsdruck bei der Messung eingesetzt.
Umrechnungen
Druck (Einheiten: kPa) | |
100 kPa = | 1 bar = 0,1 Mpa ("bar" ist weiterhin zulässig, wird aber nicht empfohlen); |
133 Pa = | 1 mm Hg = 1 Torr (Die Einheiten "mm Hg" und "Torr" sind nicht zugelassen.). |
1 atm = | Standard-Atmosphäre = 101.325 Pa (Die Einheit "atm" ist nicht zugelassen.) |
Temperatur (Einheiten: K) | |
t = | T - 273,15 |
t: Celsius-Temperatur, in Grad Celsius (°C) | |
T: Thermodynamische Temperatur, Kelvin (K) |
A.2. 1.3. Referenzsubstanzen
Referenzsubstanzen müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Prüfsubstanz untersucht wird. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.
Einige der Eichsubstanzen sind in den in der Anlage aufgeführten Methoden zu finden.
A.2. 1.4. Prinzip der Prüfmethode
Fünf Methoden zur Bestimmung der Siedetemperatur (Siedebereich) beruhen auf der Messung der Siedetemperatur, zwei weitere auf der Thermoanalyse.
A.2. 1.4.1. Bestimmung mit dem Ebulliometer
Ebulliometer wurden ursprünglich zur Bestimmung des Molekulargewichtes durch Erhöhung der Siedetemperatur entwickelt, eignen sich aber auch für genaue Messungen der Siedetemperatur. In ASTM D 1120-72 wird ein sehr einfaches Gerät beschrieben (siehe Anlage). Die Flüssigkeit wird in diesem Gerät unter Gleichgewichtsbedingungen bei atmosphärischem Druck erhitzt, bis sie siedet.
A.2. 1.4.2. Dynamische Methode
Messung der Rekondensationstemperatur des Dampfes mit Hilfe eines geeigneten Thermometers im Rückfluß während des Siedeprozesses. Bei dieser Methode kann der Druck geändert werden.
A.2. 1.4.3. Destillationsmethode für die Siedetemperatur
Destillation der Flüssigkeit und Messung der Rekondensationstemperatur des Dampfes sowie Bestimmung der Destillatmenge.
A.2. 1.4.4. Verfahren nach Siwoloboff
Erhitzung einer Probe in einem Probenröhrchen, das in ein Wärmebad eingetaucht wird. Ein zugeschmolzenes Kapillarröhrchen, in dessen unterem Teil ein Luftbläschen enthalten ist, wird in das Probenröhrchen getaucht.
A.2. 1.4.5. Photozellen-Detektion
Entsprechend dem Prinzip nach Siwoloboff wird unter Verwendung der aufsteigenden Bläschen eine automatische photoelektrische Messung durchgeführt.
A.2. 1.4.6. Differentialthermoanalyse
Mit diesem Verfahren wird der Temperaturunterschied zwischen der Substanz und einem Referenzmaterial in Abhängigkeit von der Temperatur aufgezeichnet, während die Substanz und das Referenzmaterial demselben kontrollierten Temperaturprogramm ausgesetzt werden. Wenn die Probe eine Phasenumwandlung mit Änderung der Enthalpie durchläuft, dann wird diese Änderung durch ein endothermes Abweichen (Sieden) von der Basis der Temperaturaufzeichnung angezeigt.
A.2. 1.4.7. Differentialscanningkalorimetrie
Mit diesem Verfahren wird der Unterschied in der Energieaufnahme zwischen einer Substanz und einem Referenzmaterial in Abhängigkeit von der Temperatur aufgezeichnet, während die Substanz und das Referenzmaterial demselben kontrollierten Temperaturprogramm ausgesetzt werden. Bei der Energie handelt es sich um diejenige Energie, die notwendig ist, um einen Temperaturabgleich zwischen der Substanz und dem Referenzmaterial zu erreichen. Wenn die Probe eine Phasenumwandlung mit Änderung der Enthalpie durchläuft, dann wird diese Änderung durch ein endothermes Abweichen (Sieden) von der Basis des Wärmeflußbildes angezeigt.
A.2. 1.5. Qualitätskriterien
Der Anwendungsbereich und die Genauigkeit der Methoden zur Bestimmung von Siedetemperatur/Siedebereich sind der Tabelle 1 zu entnehmen:
Tabelle 1: Vergleich der Methoden
Meßmethode | geschätzte Genauigkeit | Existierende Methoden oder Normen |
Ebulliometer | ± 1,4 K (bis 373 K) (1) (2) ± 2,5 K (bis 600 K) (1) (2) |
ASTM D 1120-72 (1) |
Dynamische Methode | ± 0,5 K (bis 600 K) (2) | |
Destillationsmethode (Siedebereich) |
± 0,5 K (bis 600 K) | ISO/R 918, DIN 53171, BS 4591/71 |
nach Siwoloboff | ± 2 K (bis 600 K) (2) | |
Photozellen-Detektion | ± 0,3 K (bei 373 K) (2) | |
Differentialthermoanalyse (DTA) |
± 0,5 K (bis 600 K) ± 2,0 K (bis 1273 K) |
ASTM E 537-76 |
Differentialscanningkalorimetrie (DSC) |
± 0,5 K (bis 600 K) ± 2,0 K (bis 1273 K) |
ASTM E 537-76 |
(1) Diese Genauigkeit gilt nur für das einfache Gerät, wie es z.B. in ASTM D 1120-72 beschrieben wird; sie kann durch verfeinerte Ebulliometergeräte verbessert werden. (2) Gilt nur für reine Substanzen. Die Verwendung in anderen Fällen ist zu begründen. |
A.2. 1.6. Beschreibung der Methoden
Die Durchführung einiger der hier aufgeführten Prüfmethoden ist in nationalen und internationalen Normen beschrieben (siehe Anlage).
A.2. 1.6.1. Ebulliometer
siehe Anlage.
A.2. 1.6.2. Dynamische Methode
Siehe Prüfmethode A.4 für die Bestimmung des Dampfdrucks. Die bei einem Druck von 101,325 kPa beobachtete Siedetemperatur wird notiert.
A.2. 1.6.3. Destillationsverfahren (Siedebereich)
siehe Anlage.
A.2. 1.6.4. Verfahren nach Siwoloboff
Die Probe wird in einem Probenröhrchen - Durchmesser etwa 5 mm - in einer Apparatur zur Bestimmung der Schmelztemperatur erhitzt (Abbildung 1).
Abbildung 1 zeigt einen Typ einer genormten Apparatur zur Bestimmung der Schmelz- und Siedetemperatur (JIS K 0064); (Glas, alle Dimensionsangaben in mm).
Abbildung 1
A: | Meßkolben | |
B: | Stopfen | |
C: | Druckausgleich | |
D: | Thermometer | |
E: | Hilfsthermometer | |
F: | Badflüssigkeit | |
G: | Kapillarrohr aus Glas, 80 bis 100 mm lang mit einem inneren Durchmesser von 1,0 mm ± 0,2 mm und einer Wandstärke von 0,2 bis 0,3 mm |
|
H: | seitlicher Stutzen |
Ein etwa 1 cm über dem unteren Ende zugeschmolzenes Kapillarröhrchen (Siedekapillare) wird in das Probenröhrchen gegeben. Der Pegel, bis zu dem die Prüfsubstanz aufgefüllt wird, ist so zu wählen, daß der zugeschmolzene Abschnitt der Kapillare unter der Flüssigkeitsoberfläche liegt. Das die Siedekapillare enthaltende Probenröhrchen wird entweder mit einem Gummiband am Thermometer oder an einer seitlichen Halterung befestigt (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Prinzip nach Siwoloboff |
Abbildung 3
modifiziertes Prinzip |
Die Badflüssigkeit wird entsprechend der Siedetemperatur ausgewählt. Bei Temperaturen bis zu 573 K kann Silikonöl verwendet werden. Paraffinöl darf nur bis 473 K verwendet werden. Die Erhitzung der Badflüssigkeit sollte zunächst mit einer Temperaturrate von 3 K/min erfolgen. Die Badflüssigkeit muß gerührt werden. Ca. 10 K unterhalb der erwarteten Siedetemperatur wird die Erhitzung verlangsamt, so daß die Temperaturerhöhung bei weniger als 1 K/min liegt. Beim Erreichen der Siedetemperatur beginnen Bläschen schnell aus der Siedekapillare aufzusteigen.
Als Siedetemperatur ist diejenige anzugeben, bei welcher die Bläschenkette unter Kühlung abbricht und die Flüssigkeit plötzlich in der Kapillare aufzusteigen beginnt. Der entsprechende Thermometerstand ist gleich der Siedetemperatur der Substanz.
Beim modifizierten Prinzip (Abbildung 3) wird die Siedetemperatur in einem Schmelztemperaturröhrchen bestimmt. Es ist bis auf eine etwa 2 cm lange feine Spitze ausgezogen (a): eine geringe Menge der Probe wird angesaugt. Das offene Ende des freien Röhrchens wird zugeschmolzen, so daß sich am Ende ein feines Luftbläschen befindet. Bei der Erhitzung in der Apparatur zur Bestimmung der Schmelztemperatur (b) dehnt sich das Luftbläschen aus. Die Siedetemperatur entspricht der Temperatur, bei der der Pfropfen der Substanz den Oberflächenpegel der Badflüssigkeit erreicht (c).
A.2. 1.6.5. Photozellen-Detektion
Die Probe wird in einem Kapillarröhrchen in einem Metallblock erhitzt.
Durch entsprechende Öffnungen im Block wird ein Lichtstrahl durch die Substanz auf eine genau kalibrierte Photozelle ausgerichtet.
Bei der Erhöhung der Temperatur der Probe steigen einzelne Luftbläschen aus der Siedekapillare auf. Wenn die Siedetemperatur erreicht ist, nimmt die Zahl der Bläschen stark zu. Dies führt zu einer von einer Photozelle aufgezeichneten Änderung in der Lichtintensität und löst ein Signal im Meßgerät aus, das die Temperatur eines im Block gelegenen Platin-Widerstandsthermometers anzeigt.
Dieses Verfahren ist besonders nützlich, da es Bestimmungen unterhalb der Raumtemperatur bis zu 253,15 K (-20 °C) ohne jede apparative Änderung ermöglicht. Das Instrument muß lediglich in ein Kühlbad gestellt werden.
A.2. 1.6.6. Thermoanalyse
A.2. 1.6.6.1. Differentialthermoanalyse (DTA)
siehe Anlage.
A.2. 1.6.6.2. Differentialscanningkalorimeter (DSC)
siehe Anlage.
A.2. 2. Daten
Bei geringfügigen Abweichungen vom Normaldruck (maximal ± 5 kPa) werden die Siedetemperaturen mit Hilfe der nachstehenden Sidney-Young-Zahlen-Wert-Gleichung auf Tn umgerechnet:
Tn = T + (fT ξ Δp)
Darin bedeuten:
Δp | = (101,325 - p) [Vorzeichen beachten] |
p | = Barometermessung in kPa |
fT | = Korrekturfaktor für die Änderung der Siedetemperatur in Abhängigkeit vom Druck in K/kPa |
T | = gemessene Siedetemperatur in K |
Tn | = Siedetemperatur, berichtigt auf Normaldruck in K |
Die Temperatur-Korrekturfaktoren fT und die Gleichungen für ihre Näherung sind für zahlreiche Stoffe in den erwähnten internationalen und nationalen Normen (Anlage) aufgeführt.
So gibt beispielsweise die Vorschrift nach DIN 53171 die folgenden ungefähren Korrekturen für Lösungsmittel in Anstrichstoffen:
Tabelle 1: Temperatur-Korrekturfaktoren fT
Temperatur T (K) | Korrekturfaktor fT (K/kPa) |
323,15 348,15 373,15 398,15 423,15 448,15 473,15 498,15 523,15 548,15 573,15 |
0,26 0,28 0,31 0,33 0,35 0,37 0,39 0,41 0,44 0,45 0,47 |
A.2. 3. Abschlußbericht
Im Prüfbericht ist, wenn möglich, folgendes anzugeben:
Der Mittelwert mindestens zweier Messungen, deren Werte im Bereich der ungefähren Genauigkeit (siehe Tabelle 1) liegen, ist als Siedetemperatur anzugeben.
Die gemessenen Siedetemperaturen und ihr Mittelwert sowie der Druck (die Drücke) in kPa, bei dem (bei denen) die Messungen durchgeführt wurden, sind anzugeben. Der Druck sollte möglichst nahe beim Normaldruck liegen.
Alle zur Bewertung der Ergebnisse notwendigen Informationen und Bemerkungen sind zu notieren, insbesondere diejenigen über Verunreinigungen und den Aggregatzustand des Stoffes.
A.2. 4. Literatur
(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 103, Decision of the Council C(81) 30 final.
(2) IUPAC, B. Le Neindre, B. Vodar (Hrsg.): Experimental thermodynamics, Butterworths, London, 1975, Vol. II.
(3) R. Weissberger (Hrsg.): Technique of organic Chemistry, Physical Methods of Organic Chemistry, 3rd ed., Interscience Publ., New York, 1959, vol. I, Part I, Chapter VIII.
Anlage
zur RL 67/548/EWG Anhang V A.2
Zu weiteren technischen Einzelheiten können beispielsweise folgende Normen herangezogen werden:
1. Ebulliometer
ASTM D 1120-72 | Standard test method für boiling point of engine anti-freezes |
2. Destillationsverfahren (Siedebereich)
ISO/R 918 | Test Method for Distillation (Distillation Yield and Distillation Range) |
BS 4349/68 | Method for determination of distillation of petroleum products |
BS 4591/71 | Method for the determination of distillation characteristics |
DIN 53171 | Lösungsmittel für Anstrichstoffe, Bestimmung des Siedeverlaufs |
NF T 20-608 | Distillation: détermination du rendement et de lxintervalle de distillation |
3. Differentialthermoanalyse und Differentialscanningkalorimetrie
ASTM E 537-76 | Standard method for assessing the thermal stability of chemicals by methods of differential thermal analysis |
ASTM E 473-85 | Standard definitions of terms relating to thermal analysis |
ASTM E 472-86 | Standard practice for reporting thermoanalytical data |
DIN 51005 | Thermische Analyse: Begriffe |
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(Stand: 04.08.2022)
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