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Mammographie-Screening in Deutschland: Bewertung des Strahlenrisikos
- Stellungnahme der Strahlenschutzkommission -
Vom 5. Juni 2002
(BAnz. Nr. 115 vom 26. Juni 2002 S. 13975)
Verabschiedet auf der 177. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 28. Februar 2002
In Deutschland erkranken jährlich rund 46.000 Frauen an Brustkrebs. Im Jahr 1999 starben knapp 18.000 Frauen an dieser Krankheit. Damit ist Brustkrebs im Vergleich zu anderen bösartigen Erkrankungen zurzeit für die meisten Todesfälle in der weiblichen Bevölkerung Deutschlands verantwortlich.
Die Röntgenuntersuchung der Brust (Mammographie) ist das derzeit effektivste Untersuchungsverfahren, ein Mammakarzinom frühzeitig, d. h. in einem prognostisch günstigen Stadium, zu entdecken.
Es ist unumstritten, dass die Früherkennung von Brustkrebs den Erfolg einer Therapie und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit der Betroffenen erhöht. Entsprechend wurden in einigen Ländern (beispielsweise in England, Finnland, Schweden und den Niederlanden) nationale Früherkennungs-Programme mittels Mammographie-Reihenuntersuchung ("Mammographie-Screening") eingeführt.
In Deutschland haben alle krankenversicherten Frauen ab dem 30. Lebensjahr Anspruch auf eine jährliche Untersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs, die Inspektion, Palpation und Anleitung zur Brustselbstuntersuchung einschließt. Eine Mammographie ist nicht Bestandteil dieses gesetzlichen Früherkennungsprogramms und kann nur durch gesonderte Indikationsstellung begründet werden. Derzeit werden in Deutschland jährlich ca. 6 Millionen Mammographien durchgeführt. Ein großer Teil dieser Mammographien muss als Früherkennungsmaßnahme betrachtet werden, die jedoch nicht die Qualitätsanforderungen von Screening-Programmen erfüllt. Im Unterschied zu Sreeening-Programnen gibt es hierfür keine Regeln über Einschlusskriterien (z.B. Alter), Intervalllänge oder Art der Beurteilung, wie sie in den europäischen Leitlinien zur Qualitätssicherung eines Mammographie-Screenings empfohlen werden [1]. Die Anzahl dieser Mammographien ist höher, als sie für ein flächendeckendes, qualitätsgesichertes Screening 50- bis 69 - jähriger Frauen notwendig wäre, d. h. derjenigen Altersgruppe, für die nach heutigen Erkenntnissen ein Screening in Deutschland diskutiert wird.
Die Mammographie ist eine Röntgenuntersuchung und führt daher zu einer Exposition durch ionisierende Strahlung Es ist davon auszugehen, dass durch diese Strahlenexposition ein geringes zusätzliches Brustkrebsrisiko verursacht wird.
Aus Sicht der Strahlenschutzkommission (SSK) muss deshalb die Frage untersucht werden, ob Programme zur Brustkrebsfrüherkennung mittels Mammographie nach Abwägung des potentiellen Nutzens und des möglichen Strahlenrisikos gerechtfertigt sind.
Für die Abschätzung des Risikos wird eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert angenommen (d. h. das Risiko steigt linear mit der Dosis). Es ist bekannt, dass das relative Risiko einer durch ionisierende Strahlen induzierten Brustkrebserkrankung mit steigendem Alter deutlich abnimmt, also für Frauen, für die ein Brustkrebs-Screening diskutiert wird (50- bis 69- jährige), deutlich geringer ist als für jüngere Frauen.
In einer Vielzahl von epidemiologischen Studien wurde der Zusammenhang zwischen ionisierender Strahlung und dem Brustkrebsrisiko untersucht. Tatsächlich konnte eine signifikante Erhöhung des Brustkrebsrisikos durch Strahlenexposition im Alter von 50 Jahren und darüber bisher in keiner strahlenepidemiologischen Studie aufgezeigt werden. Aus Modellrechnungen wird abgeschätzt, dass durch die Strahlenexposition regelmäßiger Mammographie-Untersuchungen, die in zweijährigen Abständen bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren mit einer Parenchymdosis von 4 mGy pro Untersuchung durchgeführt werden, das Risiko einer 50- jährigen Frau, bis zu ihrem Lebensende an Brustkrebs zu erkranken, von etwa 7,7% auf 7,8% erhöht werden könnte.
Daher kommt die SSK zu dem Schluß, dass die Strahlenexposition für 50- bis 69- jährige Frauen kein Argument gegen ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screening innerhalb eines Krebsfrüherkennungsprogramms ist, wenn von einem Nutzen eines solchen Programmes auszugehen ist.
Die Wirksamkeit von Mammographie-Screening-Programmen ist in großen randomisierten Studien untersucht worden. Aufgrund, dieser Studien galt bislang nach Expertenmeinung die Auffassung, dass ein Screening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren die Brustkrebsmortalität um 10 bis 30% zu senken vermag. Darüber hinaus deutet sich in Ländern, in denen ein nationales Mammographie-Screening-Programm eingeführt wurde, eine Reduktion der Brustkrebsmortalitätsraten an. Hiervon wird ein Teil auch auf die nationalen Früherkennungsprogramme zurückgeführt.
In einer akzuellen Publikation von Gøtzsche und Olsen (2001), die als Cochrane-Review erschienen ist, werden für die randomisierten Studien jedoch Mängel aufgezeigt und insgesamt eine Reduktion der Brustkrebsmortalität als Folge von Screening-Programmen in Zweifel gezogen. Allerdings sind die Bedingungen, unter denen die vor Jahrzehnten durchgeführten Reihenuntersuchungen stattgefunden haben, keineswegs mit heutigen Verhältnissen vergleichbar, da sich sowohl die Qualität von "Mammographie-Geräten" als auch die Methoden zur Abklärung suspekter Befunde sowie zur Therapie eines Mammakarzinoms maßgeblich verbessert haben
Unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Argumente für oder gegen Mammographie-Screening-Programme und weiterer Daten aus anderen Studienarten (z.B. Fall-Kontroll-Studien) sowie laufender Programme vertritt die SSK die Meinung, dass der zu erwartende Nutzen - auch unter konservativer Betrachtung - das geringe Risiko durch die Strahlenexposition überwiegt.
(Stand: 23.06.2022)
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