Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk, Strahlenschutz

Beiträge zur Weiterentwicklung der Konzepte im Strahlenschutz
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -

Vom 29. Oktober 2003
(BAnz. Nr. 218 vom 21.11.2003 S. 24486)


Nachfolgend wird die vorgenannte Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 23. Mai 2003 bekannt gemacht:

Beiträge zur Weiterentwicklung der Konzepte im Strahlenschutz Empfehlung der Strahlenschutzkommission Verabschiedet von der Strahlenschutzkommission am 23. Mai 2003

1 Einleitung

Der Strahlenschutz in Deutschland begründet sich in vielen Bereichen auf Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP). Im Hinblick auf die von der ICRP vor mehr als drei Jahren begonnene und inzwischen weit fortgeschrittene Diskussion über ein neues oder modifiziertes Konzept des Strahlenschutzes hat die Strahlenschutzkommission (SSK) im November 2002 in Goslar eine Klausurtagung unter dem Thema "Beiträge zur Weiterentwicklung des Strahlenschutzes" veranstaltet. Die folgenden Punkte zu grundsätzlichen Fragen im Strahlenschutz sind das zusammengefasste Ergebnis dieser Diskussion.

2 Rechtfertigung und Optimierung und Begrenzung

Eine wichtige Grundlage des praktischen Strahlenschutzes bildet das in ICRP 60 [ICR 91] erläuterte Konzept der "Rechtfertigung", "Optimierung" und "Begrenzung". Das Konzept hat sich bewährt. Die SSK empfiehlt deshalb, bei künftigen Modifikationen, die in der Anwendung dieser Begriffe zu Veränderungen führen, sorgfältig zu prüfen, welchen Einfluss dies auf den Strahlenschutz in der Praxis hat.

Nach ICRP 60 ist generell eine Anwendung mit ionisierender Strahlung nur dann gerechtfertigt, wenn damit ein Nutzen für die exponierten Personen oder für die Gesellschaft verbunden ist. Dieses Prinzip muss unangetastet beibehalten werden. Wenn jedoch ein Nutzen der Anwendung besteht, kann die Zuordnung des jeweiligen Nutzens bzw. des möglichen Schadens im Einzelfall sehr komplex sein, und die Abschätzung eines Nutzen/Schaden-Verhältnisses ist nicht unbedingt eindeutig. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Nutznießer und Geschädigte nicht identisch sind. Sowohl die Ermittlung als auch die Bewertung eines "Nettonutzens" ist nicht trivial und muss zum Teil qualitativ erfolgen. Hierfür sollten, zumindest exemplarisch, Vorgehensweisen und Maßstäbe entwickelt werden.

Häufig ist bei der Rechtfertigung von Tätigkeiten bzw. Interventionen ein gesellschaftlicher Nutzen gegen ein mögliches individuelles Risiko von Personen abzuwägen, oft aber auch ein individueller Nutzen gegen ein Risiko für größere Personengruppen. Dabei sollte berücksichtigt werden, ob es von Bedeutung ist, wie viele Personen bei einer Maßnahme zusätzlich exponiert werden, d. h. ob die zu erwartende zusätzliche Kollektivdosis bei der Rechtfertigung eine Rolle spielt. Darüber hinaus muss der Frage nachgegangen werden, ob allein die Betrachtung der am stärksten exponierten Person bei der Rechtfertigung ausreicht.

Wenn bei der Abschätzung Aspekte der Kollektivdosis benötigt werden, wären Aussagen zur trivialen Dosis bzw. zu einem Abschneidekriterium hilfreich. Es sollte aber auch sichergestellt sein, dass die Methode der "Verdünnung" als Entsorgungsmöglichkeit für radioaktive Abfälle nicht durch ein verändertes Konzept der Rechtfertigung legalisiert wird.

In Situationen, bei denen die Exposition der Bevölkerung im Bereich der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenexposition liegt, sind Interventionen in der Regel nicht gerechtfertigt. Das Konzept der "Optimierung" hat eine erhebliche Bedeutung im praktischen Strahlenschutz. Es beruht auf dem ALARA-Prinzip, das seinerseits auf der Annahme beruht, dass es bei stochastischen Wirkungen keine Dosisschwelle gibt (LNT-Hypothese). Dabei ist zu fragen, ob es eine Dosis gibt, unterhalb derer die Strahlenwirkung als so gering angesehen wird, dass Optimierungsüberlegungen nicht notwendig sind und ein zusätzlicher Aufwand zur weiteren Reduzierung nicht mehr lohnt.

In diesem Zusammenhang können die Vorstellungen der ICRP gesehen werden, die unter Verwendung des Begriffes "concern" ("no concern", "low concern", "concern" etc.) verschiedene Dosisbereiche definiert hat. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Begriff des "concern" als Maßstab hier verwendbar ist, da er auf einer sehr subjektiven Wahrnehmung beruht.

Im Bereich der Medizin muss von einer Optimierung insbesondere der Patient profitieren, d. h. eine Reduktion der Strahlenexposition darf nicht bedeuten, dass dies mit dem Preis eines nicht mehr verwertbaren Resultates erkauft wird. Auch andere als durch Strahlung verursachte Risiken sollten mitberücksichtigt werden.

3 Dosis-Wirkungsbeziehung

Die Dosis-Wirkungsbeziehung im Bereich kleiner Dosen ist wegen der großen Unsicherheiten weiterhin ein kontrovers diskutiertes Thema. Zu einigen Punkten wird wie folgt Stellung genommen.

3.1 Relevanz von Endpunkten

Epidemiologische Studien, die sich auf das Krebsrisiko beim Menschen beziehen, haben die höchste Relevanz für die Ermittlung von Risikokoeffizienten für den Strahlenschutz. Deshalb sollten derartige Untersuchungen die größte Aufmerksamkeit erhalten, und es sollte sorgfältig geprüft werden, ob neue Studien die in früheren Empfehlungen gemachten Annahmen über das Strahlenrisiko bei niedrigen Dosen und Dosisraten bestätigen.

Die Modelle für die Dosis-Wirkungsbeziehung bei niedrigen Dosen (z.B. lineare oder linear-quadratische Dosis-Wirkungsbeziehungen, "linear-non-threshold" Hypothese [LNT] etc.) stützen sich in erheblichem Umfang auf strahlenbiologische Untersuchungen an Tieren, Zellsystemen und auf molekularbiologische Studien. Dabei ist allerdings nach wie vor ungeklärt, welchen Einfluss die Interaktion zwischen Zellen und die genomische Instabilität sowie die Wechselwirkung von Effekten untereinander auf die Dosis-Wirkungsbeziehung bei niedrigen Dosen in Organen und im Gesamtorganismus haben.

Je nach gewähltem Endpunkt findet man unterschiedliche Dosisabhängigkeiten - linear-quadratische, lineare und auch supralineare. Eine Übertragung auf den Endpunkt "Krebsinduktion beim Menschen" ist daraus nicht eindeutig abzuleiten.

3.2 Dosis- und Dosisleistungs-Effektivitätsfaktor (DDREF)

umwelt-online - Demo-Version


(Stand: 16.06.2018)

Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)

(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)

Preise & Bestellung

Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt

? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion