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Regelwerk

Strahlenhygienische Bewertung von Strahlentherapieverfahren mit Protonen und Schwerionen
- Stellungnahme der Strahlenschutzkommission -

Vom 19. April 2007
(BAnz. Nr. 96 vom 25.05.2007 S. 5339)



1 Einführung

Strahlentherapie kann als Tele- oder Brachytherapie durchgeführt werden. Teletherapie, d. h. die Bestrahlung von extern, erfolgt heute in der Regel mit ultraharten Röntgenstrahlen (Photonen) oder Elektronen, erzeugt mit Linearbeschleunigern. Daneben werden noch 60Kobalt-Gammastrahlen eingesetzt. Brachytherapie erfolgt mittels umschlossener Strahler (Beta- oder Gammastrahlung) , die in direktem Kontakt mit dem Zielvolumen stehen, wobei die Dosis mit zunehmendem Abstand von der Quelle steil abfällt. Diese Strahlenarten werden im Weiteren als konventionelle Strahlenarten bezeichnet.

Eine Teletherapie mit Protonen oder Schwerionen (beispielsweise 12C), im Folgenden auch als Ionenstrahlen bezeichnet, wurde vor mehreren Jahrzehnten (Protonen: 1954, Schwerionen: 1957) eingeführt und wird derzeit in den USA, Japan, der Schweiz und Deutschland angewandt. Sie wird als Ergänzung (Boostbestrahlung) oder Alternative (alleinige Strahlentherapie) zur konventionellen Strahlentherapie durchgeführt. Die Boostbestrahlung ist eine kleinvolumige Bestrahlung des eigentlichen Tumorvolumens in Ergänzung zu einer größervolumigen Bestrahlung. Für die Teletherapie mit Ionenstrahlen wurden bisher nur wenige Indikationen etabliert, beispielsweise

Die Strahlenschutzkommission (SSK) nimmt nachfolgend eine strahlenhygienische Bewertung der Strahlentherapie mit Protonen oder Schwerionen im Vergleich zur Strahlentherapie mit konventionellen Strahlenarten vor.

2 Physikalische Eigenschaften und Relative Biologische Wirksamkeit

2.1 Physikalische Eigenschaften

Hochenergetische Photonenstrahlen zeigen nach dem Eintritt in Gewebe eine Erhöhung der relativen Dosis im Bereich der ersten Zentimeter (Dosisaufbaueffekt) sowie im weiteren Strahlgang einen flachen exponentiellen Dosisabfall in der Tiefe.

Ionenstrahlen haben auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften gegenüber Photonenstrahlen zwei wesentliche Vorteile für die Therapie von tief liegenden Tumoren. Der erste ist die geringe Dosis im Eingangskanal und der nachfolgende Anstieg der Dosis mit wachsender Eindringtiefe bis zu dem so genannten Bragg-Maximum am Ende der Reichweite und der nach diesem Maximum folgende steile Dosisabfall. Die Lage des Maximums kann in der Tiefe durch eine Veränderung der Energie der Ionen verschoben werden. Dadurch können Tumordosen bei gleich bleibenden Dosen im Eintrittsvolumen erhöht werden, oder umgekehrt, bei gleich bleibenden Tumordosen die Dosen im Normalgewebe verringert werden (siehe Abbildung 1) .

Abbildung 1: Tiefendosisprofile von Protonen und von Kohlenstoff-Ionenstrahlen unterschiedlicher Energien sowie von Photonen. Bei Protonen fällt die Dosis nach dem Bragg-Maximum auf 0. Für Kohlenstoff ergibt sich eine Dosis jenseits der maximalen Reichweite durch leichtere Kernfragmente.

 

Der zweite Vorteil für Ionenstrahlen im Vergleich zu konventionellen Strahlenarten liegt in den deutlich steileren Dosisgradienten für den Abfall der Dosis innerhalb von wenigen Millimetern von 90 % auf 10 %. Diese steilen Dosisgradienten hängen von der Eindringtiefe ab und sind für Protonen für alle Tiefen um einen Faktor 3 flacher als für Kohlenstoffionen. Dadurch erhalten Strukturen, die lateral des Zielvolumens oder im Strahlengang sehr nahe hinter dem Zielvolumen liegen, nur noch sehr geringe Dosen.

Ein weiterer Vorteil ergibt sich für Schwerionen aus der Tatsache, dass durch Kernreaktionen in geringem Ausmaß Positronen-Emitter wie 11C oder 150 produziert werden. Durch den Nachweis der sekundären Vernichtungsstrahlung mittels Positronen-Emissions-Tomographie kann der Strahl im Patienten lokalisiert werden.

Schließlich steigt, als Vorteil für die Schwerionen, die Relative Biologische Wirksamkeit zum Ende der Reichweite an (siehe Nummer 2.2).

2.2 Relative Biologische Wirksamkeit

Die Relative Biologische Wirksamkeit (RBW) ist eine komplexe Funktion von physikalischen und biologischen Parametern. Auf der physikalischen Seite hängt sie von der Ordnungszahl und der Energie der Teilchen ab und wird damit an jedem Punkt von der Zusammensetzung des Strahlenfeldes, d. h. dem Primärion mit verschiedenen Energien und dem Fragmentspektrum, bestimmt. Zudem ist sie abhängig von der insgesamt deponierten Dosis sowie der Dosisfraktionierung. Auf der biologischen Seite ist die RBW abhängig vom betrachteten Gewebe und dem betrachteten Endpunkt. Für die Strahlentherapie ist vor allem die RBW für die Tumorwirksamkeit und für die Induktion von Normalgewebseffekten maßgeblich. Die RBW wird dabei wesentlich von der Erholungskapazität (Fraktionierungseffekt) bestimmt. Diese wiederum wird in Tumoren von der Reparaturkapazität der klonogenen Zellen, d. h. vom Verhältnis von reparablen zur irreparablen Schäden und damit von der Nichtlinearität der Photonen-Zellüberlebens-Kurve, dominiert. Alle diese Abhängigkeiten sollten bei der Bestrahlungsplanung berücksichtigt werden. Speziell sollte man vermeiden, RBW-Werte von einem Gewebe auf ein anderes Gewebe mit anderen biologischen Eigenschaften und mit anderer Erholungskapazität zu übertragen [Kraft 2000]. Dies betrifft Normal- wie auch Tumorgewebe.

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