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Regelwerk

Bildgebende Diagnostik beim Kind - Strahlenschutz, Rechtfertigung und Effektivität
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -

Vom 18. April 2007
(BAnz. Nr. 96 vom 25.05.2007 S. 5337)



1 Vorbemerkungen

Die pädiatrische Radiologie, ein Schwerpunkt der diagnostischen und interventionellen Radiologie, hat sich bereits seit Jahrzehnten mit den Besonderheiten der Untersuchungen von Kindern (0 bis 16 Jahre) mit ionisierender Strahlung befasst. Insbesondere wird das Prinzip der Rechtfertigung sehr restriktiv gehandhabt. Auch die weiteren Grundsätze des Strahlenschutzes, wie Optimierung und Vermeidung unnötiger oder unnötig hoher Strahlenexpositionen, sind wesentliche Inhalte der Kinderradiologie.

Bereits vor etwa 30 Jahren hat sich eine Forschergruppe um H. Fendel [1] mit der Auswirkung (Efficacy) diagnostischer Strahlenanwendungen im Kindesalter auseinandergesetzt. Die Untersuchungen dieser Gruppe basierten auf der Definition der WHO von 1977. Sie versuchten bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, sowohl die diagnostische Strategie als auch das Patienten-Management einschließlich der Therapie sowie darüber hinaus die Heilung und den Einfluss der Heilung des kindlichen Patienten, bezogen auf die Population, zu beschreiben. In dieser Konsequenz ist die komplexe Problematik in den nachfolgenden Jahren vorwiegend in der pädiatrischen Radiologie weiter verfolgt worden. Von der so genannten, auch nach H. Fendel [1] bestehenden "Lake Starnberg Group" um K. Schneider [2] wurden grundlegende Erhebungen zur Dosis bei Untersuchungen von Kindern auf gesamteuropäischem Niveau durchgeführt, die 1996 in den European Guidelines [3] zusammenfassend dargestellt wurden.

Die europaweite Datenerhebung methodischer Vorgehensweisen bei Röntgenuntersuchungen von Kindern ergaben eklatante Differenzen der Dosiswerte bei radiographischen und fluoroskopischen Untersuchungen [4]. Aus dieser Erkenntnis resultierten sowohl die Entwicklung von Untersuchungs-Standards als auch die Erarbeitung von Referenzdosiswerten.

Aufgrund der Tatsache, dass etwa 15 % der deutschen Bevölkerung Kinder sind, die jedoch nur in der Minderzahl von Kinderradiologen betreut werden, und vor dem Hintergrund neuer diagnostischer Verfahren hat sich die Strahlenschutzkommission des Themas angenommen. Dabei gilt es, den Erkenntnisstand über die Strahlenexposition im Kindesalter jeweils erneut zu hinterfragen und, falls erforderlich, neu zu definieren und darzustellen.

2 Strahlenschutz

2.1 Besonderheiten der Strahlenexposition im Kindesalter

Die Besonderheiten des Strahlenschutzes beim Kind beruhen auf folgenden Tatsachen:

2.1.1 Das Kind ist besonders strahlenempfindlich und hat ein höheres Strahlenrisiko als Erwachsene. Des Weiteren ist auch die Manifestation von Spätfolgen aufgrund der voraussichtlichen Lebenserwartung wahrscheinlicher.

2.1.2 Die Betreuung sehr kleiner Frühgeborener impliziert auch eine Diagnostik mit ionisierender Strahlung. Somit werden eigentlich noch fetale Zellen exponiert, wenngleich in der Fetal-Periode eine geringere Strahlenempfindlichkeit im Hinblick auf Fehlbildungen und Fehlentwicklungen als in der Embryonal-Periode (Organbildungs-Periode) - entsprechend der geringeren Empfindlichkeit jenseits der 26. Schwangerschaftswoche - angenommen wird. Die Auswirkungen der Exposition mit ionisierender Strahlung auf diese Gruppe der sehr unreifen Kinder werden erst in einigen Jahrzehnten zu beurteilen sein.

2.1.3 Das Kind hat eine andere Anatomie, die sich umso stärker vom Erwachsenen unterscheidet, je jünger es ist bzw. je geringer seine Körpergröße ist. Dies bedeutet, dass besonders strahlensensible Organe bei geringer Körpergröße näher an einem exponierten Feld liegen als beim Erwachsenen (z.B. bei der Thoraxaufnahme sind dies Schilddrüse und Ovarien). Insbesondere unterscheidet sich die Verteilung des roten Knochenmarks von der bei Erwachsenen, und nicht geringe Anteile des roten Knochenmarks werden, wenn keine strenge Einblendung erfolgt, mit erfasst (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Mittlere Knochenmarkdosis (μSv) in Abhängigkeit vom Alter bei Nativ-Röntgenaufnahmen (modifiziert nach Hilton [5] )

 

2.1.4 Stochastische Strahlenschäden sind dadurch charakterisiert, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit mit steigender Dosis zunimmt und abhängig vom Alter bei Exposition ist. Entsprechend der ICRP-Publikation 60 von 1990 [6] hat eine Exposition mit ionisierender Strahlung von Kindern unter 10 Jahren, verglichen mit einer Exposition zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr, ein 3- bis 4-fach höheres Lebenszeitrisiko für stochastische Effekte zur Folge (siehe Abbildung 2).

2.1.5 Betrachtet man Kinder als potenzielle Eltern, so sind ebenfalls die genetischen Effekte infolge der Einwirkung ionisierender Strahlung zu berücksichtigen.

Abbildung 2: Zusätzliches Lebenszeitrisiko einer tödlichen Krebserkrankung (% pro Gy) in Abhängigkeit von Alter bei Strahlenexposition und Geschlecht (Frauen: -; Männer: .... ) nach ICRP 60 [6] (Dose and Dose Rate Effectiveness Factor DDREF = 2, d. h. für niedrige Dosiswerte und Dosisleistungen)

 

2.2 Faktoren zur Minimierung der Strahlenexposition bei Röntgenuntersuchungen im Kindesalter

Nach § 23 Abs. 1 der Röntgenverordnung (RöV) [7] darf Röntgenstrahlung in Ausübung der Heilkunde nur angewendet werden, wenn eine rechtfertigende Indikation von einem Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz gestellt wurde. Dabei ist nach § 25 Abs. 2 RöV die durch eine Röntgenuntersuchung bedingte Strahlenexposition so weit einzuschränken, wie dies mit den Erfordernissen der medizinischen Wissenschaft zu vereinbaren ist. In Anwendung auf die Untersuchung beim Kind ist eine Dosisminimierung insbesondere durch mehrere Faktoren beeinflussbar:

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