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Regelwerk, Strahlenschutz

Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen
- Stellungnahme der Strahlenschutzkommission mit wissenschaftlicher Begründung -

Vom 06. September 2011
(BAnz. Nr. 26a vom 15.02.2012 S. 1)


1 Einleitung

Gesundheitsrisiken sind in unserer Lebenswelt allgegenwärtig und unvermeidbar. Wir alle sind ihnen bewusst oder unbewusst ausgesetzt. Das eigene Verhalten zum Schutz vor einem Risiko wird jedoch nicht nur von der objektiven Größe eines Risikos, sondern wesentlich auch von der subjektiven Wahrnehmung seiner Größe bestimmt. Dies ist der Grund, weshalb Risikofaktoren als bedrohlich wahrgenommen werden und die öffentliche Diskussion sogar dominieren können, denen aus wissenschaftlicher Sicht eine eher geringere Bedeutung zukommt, während andere Risikofaktoren unterschätzt werden, obwohl sie ein höheres Problembewusstsein rechtfertigen würden.

Um einen Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion zu leisten, wurde die Strahlenschutzkommission vom Bundesumweltminister beauftragt, einen auf objektiven Kriterien basierenden nachvollziehbaren Vergleich der Risiken elektrischer und magnetischer Felder sowie elektromagnetischer Wellen und Strahlungen der verschiedensten Frequenzbereiche von den statischen Feldern bis einschließlich der ionisierenden Strahlung 1vorzunehmen.

2 Grundlagen

Eine Schwierigkeit beim Risikovergleich stellen die unterschiedlichen Qualitäten möglicher gesundheitlicher Auswirkungen einer Exposition dar (SSK 2011). Diese können sowohl zufällig eintretende stochastische (z.B. Krebserkrankungen) als auch akut oder verzögert eintretende deterministische Wirkungen sein (z.B. Sonnenbrand oder Hautalterung). Um einen gemeinsamen Vergleichsmaßstab zu ermöglichen, hat die Strahlenschutzkommission für den vorliegenden Vergleich das Krebserkrankungsrisiko herangezogen. Es wurde dabei keine weitere Differenzierung der Malignität von Krebserkrankungen vorgenommen. Der Vergleich erfolgte auf Basis typischer Expositionen im privaten und beruflichen Alltag, jedoch unter Berücksichtigung weit verbreiteter Anwendungen von Quellen, wie z.B. der Röntgendiagnostik, von Solarien, Infrarot-Saunen, Mobilfunkgeräten, Hochspannungsleitungen und Magnetresonanztomographen.

Eine besondere Herausforderung ergab sich durch die über den großen Frequenzbereich stark variierende Evidenz 2 für einen kausalen Zusammenhang mit Krebs- einschließlich Leukämieerkrankungen und unterschiedliche Datenlagen (siehe wissenschaftliche Begründung im Anhang), die von fehlenden Daten für Expositionen und/oder biologischen Untersuchungen über unzureichende und widersprüchliche bis hin zu ausreichenden und weitgehend gesicherten Daten reichen kann. Für einige Frequenzbereiche ist die Evidenz überzeugend, dass Krebsrisiken vorliegen, für andere lediglich schwach, bei wieder anderen ist unklar, ob überhaupt ein Krebsrisiko anzunehmen ist, oder es besteht sogar die Evidenz, dass kein Zusammenhang besteht.

Um die Evidenz ausreichend differenzieren zu können, hatte die SSK bereits im Jahr 2001 eine Evidenz-Abstufung in drei Kategorien eingeführt, nämlich in Nachweis/ Verdacht/ Hinweis (SSK 2001). Diese Abstufung wurde weiterentwickelt. Dies hat zur Differenzierung der Evidenz in fünf Klassen geführt, indem die Evidenz für einen Zusammenhang mit Krebserkrankungen eingeteilt wird in "überzeugend (E3)", "unvollständig (E2) ", "schwach (E1) ", "keine bzw. unzureichende Evidenz (E0)" und "Evidenz für fehlenden Zusammenhang (EN)". Darüber hinaus wurden Datenlagen, die für eine Evidenzeinstufung nicht ausreichend waren, in drei Abstufungen bewertet, nämlich als "widersprüchliche (D2)", "unzureichende (D1)" und "fehlende Daten (D0)".

Mit dieser weiterentwickelten Klassifizierung wurde nicht nur die Differenzierbarkeit erhöht, sondern auch das didaktische Problem der IARC-Klassifikation beseitigt, die zunehmende Evidenz mit abnehmenden Zahlen anzugeben, die Klasse "nicht klassifizierbar" inmitten der ordinalen Evidenz-Skala zu platzieren und der Klasse "wahrscheinlich nicht karzinogen" die höchste Zahl zuzuordnen.

Darüber hinaus wurde die Kategorie "keine Evidenz für einen Zusammenhang" eingeführt, um zu berücksichtigen, dass bei zu wenigen oder zu wenig umfassenden Studien trotz negativer Ergebnisse nicht zwangsläufig auf das Fehlen jeglichen Zusammenhanges geschlossen werden darf. Die Feststellung, dass es keine Evidenz für einen Zusammenhang gibt, schließt nämlich die Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht kategorisch aus. Eine stärkere Aussage stellt daher die Kategorie "Evidenz für einen fehlenden Zusammenhang" dar, weil sie auf einer belastbareren Schlussfolgerung beruht, die aus einer ausreichenden Datenlage gezogen wird. Die Stärke der Evidenz für einen fehlenden Zusammenhang lässt sich jedoch nicht in gleicher Weise abstufen wie die Evidenz für einen Zusammenhang, da wissenschaftlich das Nicht-Vorhandensein eines Effektes grundsätzlich nicht vollständig beweisbar ist, da ja bereits ein einziger belastbarer Gegenbeweis die Annahme eines fehlenden Zusammenhanges zu Fall bringen kann.

Daraus ergeben sich folgende Evidenzklassen (zur Begründung der Unterschiede zu den Klassifikationen von IARC bzw. SSK 2001 siehe Kapitel 5.2):

Überzeugende Evidenz (E3):

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