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Regelwerk

Beteiligung der Straßenbauverwaltung im Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen durch die Baugenehmigungs- oder Immissionsschutzbehörden
- Brandenburg -

Vom 29. Mai 2009
(ABl. Nr. 24 vom 24.06.2009 S. 1191; 24.06.2014aufgehoben)


Es wird um Kenntnisnahme und Beachtung der hier aufgezeigten Verfahrensweise für laufende und zukünftige Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen, in denen die Straßenbauverwaltung zu beteiligen ist, gebeten.

1 Einleitung

Ziel dieses Erlasses ist es, den beteiligten Straßenbauverwaltungen eine Hilfestellung bei der Zulassung von Windkraftanlagen zu geben und ihnen die rechtlichen Spielräume unter Berücksichtigung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 28.08.2008 (AZ 8a 2138/06) aufzuzeigen. Das Urteil entfaltet keine unmittelbare Rechtskraft. Seine überzeugenden Aussagen sind jedoch auf die vergleichbaren Gesetzeslagen des Landes Brandenburg sowie des Bundes übertragbar.

Das OVG NRW hat in oben genanntem Urteil entschieden, dass die immissionsrechtliche Genehmigung von vier Windkraftanlagen zu Unrecht versagt worden ist und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden ist.

Das Urteil enthält folgende Kernaussagen:

Nach den Ausführungen des OVG NRW kann den bekannten Gefahrenlagen von Windkraftanlagen grundsätzlich mit differenzierten Nebenbestimmungen begegnet werden. Angesichts dessen ist es nicht gerechtfertigt, einen über die straßengesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Tabukorridor für Windkraftanlagen parallel zur Straße zu postulieren.

2 Einwirkungsmöglichkeiten bei Regionalplanung und kommunaler Bauleitplanung

Bei Festlegungen in den Regionalplänen ist die Straßenbauverwaltung zu beteiligen und kann ihre Belange einbringen.

Auch bei der Aufstellung von Bauleitplänen durch die Gemeinden ist die Straßenbauverwaltung als Träger der Straßenbaulast frühzeitig zu beteiligen, § 4 Absatz 1 Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB). Demgegenüber hat sie den Gemeinden Aufschluss über beabsichtigte oder bereits eingeleitete Planungen oder Maßnahmen sowie deren zeitliche Abfolge zu geben. Eigene Planungen oder eigene bestehende Anlagen der Straßenbauverwaltung sind als öffentliche Belange nach § 1 Absatz 6 Nummer 9 BauGB im Rahmen der Abwägung nach § 1 Absatz 7 BauGB zu berücksichtigen.

Die Straßenbauverwaltung hat zudem die Möglichkeit durch die Festlegung eines Planungsgebietes gemäß § 9a Absatz 3 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) beziehungsweise § 36 des Brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) eine insgesamt vierjährige Veränderungssperre herbeizuführen.

3 Anbauverbotszone gemäß § 9 Absatz 1 FStrG, § 24 Absatz 1 BbgStrG

Vorhaben in der Anbauverbotszone (§ 9 Absatz 1 FStrG beziehungsweise § 24 Absatz 1 BbgStrG) sind als gesetzlicher Regelfall nicht zulässig. Die Zulassung von Ausnahmen ist wegen der unmittelbaren Nähe zur Straße nicht vorgesehen.

4 Anbaubeschränkungszone gemäß § 9 Absatz 2 FStrG, § 24 Absatz 2 BbgStrG

  1. Allgemeines
    Innerhalb der Anbaubeschränkungszone (§ 24 Absatz 2 BbgStrG, § 9 Absatz 2 FStrG) sind Windkraftanlagen nicht generell abzulehnen. Vielmehr hat die Straßenbauverwaltung im Rahmen ihrer straßengesetzlich bestimmten Zuständigkeit vorrangig zu prüfen, ob möglichen Gefahrenlagen durch technische und/oder betriebliche Nebenbestimmungen begegnet werden kann, § 9 Absatz 3 FStrG, § 24 Absatz 3 BbgStrG. Nebenbestimmungen stellen nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein milderes Mittel als eine vollständige Ablehnung dar.
    Aufstellung und Betrieb der beantragten Anlage hat der Straßenbaulastträger nur im Rahmen der für ihn geltenden gesetzlichen Bestimmungen auf spezifische Gefahren für den Straßenverkehr hin zu beurteilen. Mit der Erteilung der Genehmigung durch die zuständige Behörde muss der Straßenbaulastträger davon ausgehen können, dass die Anlage den für sie geltenden allgemeinen Sicherheitsanforderungen entspricht (vgl. Leitsatz des Urteils des OVG Sachsen-Anhalt vom 09.02.2006 - 2 M 71/05).
  2. Nebenbestimmungen
    Aus straßenrechtlicher Sicht ist in jedem Einzelfall zu prüfen, unter welchen Bedingungen oder Auflagen eine Zustimmung zur Genehmigung erteilt werden kann. Dabei ist die konkrete Gefahrenlage zu untersuchen. Diese ist von der Straßenbaubehörde im Detail zu prüfen und darzulegen.
    Die Nebenbestimmungen sind im Rahmen des Zustimmungsverfahrens der zuständigen Genehmigungsbehörde mitzuteilen.
    Für die Bauaufsichtsbehörde ist die Festsetzung bindend (vgl. Nummer 3.3 des Anbauerlasses des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung, vormals Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, vom 16. Januar 2004, ABl. S. 110).
    Die Immissionsschutzbehörde überprüft die Forderung im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung.
    Liegen im Einzelfall Besonderheiten vor, die der Zweckbestimmung der Straße entgegenstehen, ist dies bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Die Zustimmung kann versagt werden, wenn den spezifischen Gefahren für den Straßenverkehr nicht mittels Auflagen oder Bedingungen begegnet werden kann. Es kommen insbesondere folgende Fälle in Betracht:

    aa) Im Nahbereich einer Wildbrücke kann die Windkraftanlage aufgrund ihrer Störwirkung dazu führen, dass die Querungshilfe von einem Großteil des Wildes nicht angenommen und dadurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt wird.

    bb) Im Nahbereich von Rastanlagen (bewirtschaftet und unbewirtschaftet) ist die Erholungsfunktion der Anlage zu berücksichtigen.

    cc) Der Standort der Windkraftanlage ist in Bezug auf topografische Gegebenheiten, die die optische Wahrnehmung auf sich ziehen und eine erhöhte Konzentration der Verkehrsteilnehmer erfordern (beispielsweise Kuppen, Wannen, Kurven und Knotenpunkte), dahingehend zu überprüfen, dass eine mögliche Beeinträchtigung der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs verhindert werden kann.

    dd) Ausbauabsichten der Straßenbauverwaltung sollen Berücksichtigung finden.

    Zur Vermeidung von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist ein jederzeit sicherer Zustand der Windkraftanlage zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung der jeweiligen typspezifischen technischen Voraussetzungen kommt die Festsetzung von Nebenbestimmungen daher ferner zur Vermeidung folgender Gefahren in Betracht:

    ee) Eisabwurf
    Es ist die Installation eines technischen Systems gegen Eisabwurf gemäß der Anlage 2.7/10 Nummer 3.2 der Liste der technischen Baubestimmungen (Bekanntmachung des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung vom 13. November 2008, ABl. S. 2753) zu fordern.
    Danach ist nachzuweisen, dass

    ff) Beeinträchtigung der Sicht- oder sonstigen Verkehrsverhältnisse durch störenden Schattenwurf
    Maßnahmen gegen periodischen Schattenwurf sind einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen. Je nach Immissionsort und Beschattungsbereich kann beispielsweise die Installierung einer Abschaltautomatik gefordert werden, die mittels Strahlungs- oder Beleuchtungsstärkesensoren die konkrete meteorologische Beschattungssituation erfasst und somit die vor Ort konkret vorhandene Beschattungsdauer begrenzt.

    gg) Störende Lichtreflexionen durch die Rotorblätter ("Disco-Effekt")
    Die Intensität möglicher Lichtreflexe kann durch Verwendung mittelreflektierender Farben (zum Beispiel RAL 7035-HR - Farbregister, Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung Bonn und St. Augustin, 1998) und matter Glanzgrade gemäß DIN 67530/ISO 2813-1978 (Reflektometer als Hilfsmittel zur Glanzbeurteilung an ebenen Anstrich- und Kunststoff-Oberflächen, Deutsches Institut für Normung e. V. Berlin, 1978) bei der Beschichtung der Rotorblätter minimiert werden.

    hh) Ablenkung der Straßenverkehrsteilnehmer durch die Befeuerung
    Soweit die Installierung von Blinklichtern nach luftrechtlichen Bestimmungen nicht erforderlich ist, kann gefordert werden, dass auf diese verzichtet wird (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen vom 24. April 2007, BAnz. Nr. 81 vom 28. April 2007 S. 4471).

    ii) Sicherheitsüberprüfungen
    Der Betreiber hat hinsichtlich der Stand- und Betriebssicherheit sowie des Sicherheitssystems der Windkraftanlage auf seine Kosten regelmäßige Sicherheitsprüfungen durch den Hersteller oder einen fachkundigen Wartungsdienst vorzunehmen. Die Prüfintervalle sind in Abhängigkeit von Standort und Alter der Anlage zu bestimmen.

5 Hinweis

Abstandsbestimmung

Für die Berechnung des Abstandes der Windkraftanlage zur Straße ist der äußere Rand der Anlage, welcher durch die Spitze der Rotorblätter bestimmt wird, maßgebend. Bezugspunkt ist damit nicht die geometrische Mitte des Mastes. Es wird auf die Anlage 1 der Verwaltungsvorschrift zur Brandenburgischen Bauordnung (VVBbgBO) vom 18. Februar 2009 (ABl. S. 459) verwiesen.

Die straßenseitige Begrenzung der Schutzzone des § 9 Absatz 1, Absatz 2 FStrG sowie des § 24 Absatz 1, Absatz 2 BbgStrG wird nach dem Wortlaut der Vorschriften durch den äußeren Rand der befestigten beziehungsweise für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn definiert.

6 Inkrafttreten

Dieser Erlass tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft.

7 Geltungsdauer

Gemäß § 30 Absatz 5 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg vom 18. August 2006 (ABl. S. 566) wird die Geltung dieses Erlasses auf einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Einführungsdatum befristet.

ENDE

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