Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk; BGI/GUV-I / DGUV-I

BGI/GUV-I 8699 / DGUV Information 204-011 - Erste Hilfe Notfallsituation: Hängetrauma
Berufsgenossenschaftliche Information für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI/GUV-I)

(Ausgabe 04/2011aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung


1 Gefährdeter Personenkreis

Das Hängetrauma kann zustande kommen, wenn bei längerem, bewegungslosem Hängen in einem Auffanggurt, z.B. nach einem Sturz von einer Turmplattform, der Rückstrom des Blutes aus den Beinen behindert wird bzw. verloren geht. Aufgrund von Bewegungslosigkeit fehlt die Funktion der so genannten "Muskelpumpe" durch die Beinmuskulatur, wodurch eine große Menge des Blutes in den Beinen versackt. Dies kann zu einem (Kreislauf)-Schock führen, weshalb das Hängetrauma einem orthostatischen Schock entspricht. In dieser Situation sind bei der Rettung und der Ersten Hilfe besondere Maßnahmen geboten.

Bei bestimmungsgemäßer Benutzung von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz ist das Auftreten eines Hängetraumas sehr unwahrscheinlich. Dafür ist eine sachgerechte Auswahl, das exakte Anpassen des Gurtes und die Durchführung eines Hängetests (s. Regel "Benutzung von PSa gegen Absturz" BGR/GUV-R 198) unbedingt erforderlich.

Abb.1 In einem Auffanggurt frei hängende "hilflose" Person

Das Hängetrauma kann bei Personen auftreten, die nach einem Sturz längere Zeit "hilflos" im

Auffanggurt hängen und z.B.

Dies gilt analog bei der Nutzung von Steigschutzeinrichtungen.

Verschiedene Faktoren begünstigen das Auftreten eines Hängetraumas, u.a.:

Abb. 2 In einer Steigschutzeinrichtung bewegungslos hängende Person

2 Anzeichen und medizinische Beschreibung des Hängetraumas

Durch längeres, bewegungsloses Hängen im Gurt fehlt der Widerstand unter den Füßen und die so genannte "Muskelpumpe" zur Förderung des venösen Blutrückstromes kann nicht mehr wirken (Versacken des Blutes in den Beinen - Orthostatischer Schock). Der dadurch beeinträchtigte Blutkreislauf kann recht schnell zu einer Unterversorgung des Gehirns und wichtiger Organe mit Sauerstoff führen. Sauerstoffmangel im Gehirn verursacht Bewusstlosigkeit und kann tödlich enden. Normalerweise schützt sich der Körper selbst, indem er bei Bewusstlosigkeit umfällt und es dadurch zu einem Rückfluss des Blutes zum Gehirn kommen und der Blutkreislauf wieder normal funktionieren kann. Im Gurt hängend ist dieser Lagewechsel natürlich nicht möglich.

Pathophysiologie des Hängetraumas

Die ersten Anzeichen für ein mögliches Hängetrauma können sich durch folgende Symptome abzeichnen u a

Die Auswirkungen eines längeren, bewegungslosen Hängens in einem Auffanggurt können je nach Gesundheits- und Körperzustand der Person individuell sehr unterschiedlich sein.

3 Möglichkeiten zur Verringerung der Gefahr des Hängetraumas

Abb. 3 Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung

Zeiten bis zum Eintreten des Hängetraumas lassen sich nicht allgemeingültig angeben. Es wurden Hängeversuche durchgeführt, um zu ermitteln, nach welcher Zeit die Symptome des Hängetraumas auftreten. Von gesunden Freiwilligen bekamen einige bereits nach wenigen Minuten bewegungslosem Hängen in einem Sitzgurt erste Anzeichen für ein mögliches Hängetrauma. Deshalb sollte der Betroffene möglichst schnell aus der freihängenden Position befreit werden.

Solange eine Person noch handlungsfähig ist, kann sie unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um dem Blutstau in den Beinen entgegen zu wirken. Dazu ist es notwendig, dass die im Gurt hängende Person die Beine bewegt. Effektiver ist es, die Beine abzustützen und gegen einen Widerstand zu drücken. Hierfür sind Trittschlingen, z.B. ein Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung oder eine Prusikschlinge, geeignet. Damit kann sich die frei hängende Person entlasten, die "Muskelpumpe" kann in Gang gehalten und eine eventuelle Einschnürung im Oberschenkel gelöst werden.

Abb. 4 Entlastung durch Stemmen eines Fußes in eine Trittschlinge

3.1 Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung

Das Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung wird dabei an den beiden seitlichen Halteösen des Auffanggurtes befestigt. Die Länge des Seiles ist so einzustellen, dass die im Seil hängende Person ihre Füße in die so entstandenen Seilschlaufen stemmt, um die Muskelpumpe zu betätigen.

3.2 Prusikschlinge

Die Prusikschlinge, eine Reepschnur, wird mit dem Prusikknoten - einem lösbaren Klemmknoten - am Sicherungsseil befestigt. Die Länge der Prusikschlinge ist auf die Körpergröße abzustimmen, so dass sich die Person durch Hineintreten in die Schlinge entlasten kann. Die Anwendung der Prusikschlinge ist komplex und bedarf einer besonderen Übung.

Die Prusikschlinge wird bereits vor Arbeitsbeginn für den "Ernstfall" vorbereitet und leicht zugänglich und erreichbar - z.B. in einer Schutztasche am Auffanggurt - verstaut.

Abb. 5 Anwendung der Prusikschlinge
Abb. 6 Prusikknoten
Abb. 7 Abwechselnde Be- und Entlastung der Füße in den Prusikschlingen


3.3 Eigenmaßnahmen ohne Hilfsmittel

Sollte kein Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung oder keine Prusikschlinge zur Verfügung stehen, kann sich die frei im Seil hängende Person wechselweise jeweils mit einem Fuß fest auf den anderen Fuß treten. Dabei wird der untere Fuß kräftig mit den Zehen nach oben gezogen. Dies hält allerdings nur für eine sehr kurze Zeit (wenige Minuten) den Rückfluss des Blutes aus den unteren Extremitäten im Gang.

Abb. 8 Be- und Entlastung der Füße ohne Hilfsmittel

4 Rettung

Nach dem Sturz in den Auffanggurt muss der Betroffene möglichst schnell aus der freihängenden Position befreit werden. Es liegt in der Verantwortung des Unternehmers die schnelle Rettung einer im Auffanggurt hängenden Person zu gewährleisten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Rettungsdienst meist nicht über Einrichtungen und Personal für die Höhenrettung verfügt. Für eine schnelle Rettung muss deshalb der Unternehmer in der Regel selbst für Einrichtungen und Sachmittel sowie fachkundiges Personal zum Retten hängender/aufgefangener Personen sorgen ( § 24 Abs. 1 UVV "Grundsätze der Prävention" - BGV/GUV-V A1).

Die beiden folgenden Abbildungen zeigen beispielhaft Rettungsaktionen für eine frei im Seil hängende Person und eine durch eine Steigschutzeinrichtung aufgefangene Person.

Abb. 9 Rettung einer frei hängenden Person mit Abseilgerät mit Rettungshubeinrichtung
Abb. 10 Rettung einer verunfallten Person von einer Steigschutzeinrichtung


Einzelheiten zu möglichen Rettungsmaßnahmen bzw. deren Planung enthält die Regel "Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen zum Retten aus Höhen und Tiefen" (BGR/GUV-R 199).

5 Erste-Hilfe-Maßnahmen

Ein Hängetrauma ist ein medizinischer Notfall.

Es ist umgehend der Notruf abzusetzen - Notarzt anfordern!

Nach Sturz in den Auffanggurt muss der Betroffene schnellstmöglich aus der freihängenden Position befreit werden. Deshalb ist das vom Unternehmer vorgesehene Rettungsverfahren umgehend einzuleiten. Bei Vorliegen der Symptome eines Hängetraumas, sind folgende Maßnahmen durchzuführen:

Bestehenkeine massiven Blutungen undist die Person nicht bewusstlos oderliegt kein Atemstillstand vor, so sollte der Patient nach der Rettung mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden (sitzende oder hockende Stellung). Alle beengenden Gurte und Kleidungsstücke sind zu öffnen.

Bei sofortiger Flachlagerung kann die Gefahr des akuten Herzversagens infolge Überlastung des Herzens durch raschen Rückfluss des Blutes aus der unteren Körperhälfte bestehen. Deshalb sollte das Überführen in die flache Lage nur allmählich geschehen. Es ist eine ständige Überwachung der Atmung und des Kreislaufs erforderlich.

Ist die gerettete Personbewusstlos, aberatmet normal, ist die stabile Seitenlage herzustellen. Die Vitalfunktionen sind engmaschig zu kontrollieren.

Ist die gerettete Personbewusstlos undhat keine normale Atmung, so sind die üblichen Maßnahmen der Wiederbelebung durchzuführen (s. Information "Aushang zur Ersten Hilfe" - BGI/GUV-I 510-1).

Sofern nach der Rettung kein Hängetrauma, sondern andere Verletzungen vorliegen, sind die normalen Maßnahmen der Ersten Hilfe durchzuführen.

6 Ärztliche Maßnahmen

Für die notfallmedizinische Versorgung werden folgende Empfehlungen gegeben:

7 Prävention

Bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung muss berücksichtigt werden, dass eine Person nach einem Auffangvorgang völlig hilflos im Auffanggurt hängen kann und aus dieser Position gerettet werden muss. Die hierzu notwendigen Maßnahmen und Vorgehensweisen sind im Vorfeld festzulegen und in regelmäßigen Zeitabständen zu üben.

Wenn die nachfolgenden organisatorischen Maßnahmen eingehalten werden, kann dem Risiko, ein Hängetrauma zu erleiden, wirksam begegnet werden, wenn es sich auch nicht völlig ausschließen lässt:

Weiterführende Literatur:


__________

* 1 Ampulle à 1mg expandieren auf 10 ml mit physiologischer Kochsalzlösung, 9 ml verwerfen und erneut expandieren auf 10 ml mit physiologischer Kochsalzlösung. 1 ml dieser Lösung entspricht 10 μg.


ENDE  

umwelt-online - Demo-Version


(Stand: 16.06.2018)

Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)

(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)

Preise & Bestellung

Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt

? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion