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Regelwerk Arbeits- Sozialrecht ILO

Übereinkommen 29 - Übereinkommen über Zwangsarbeit
Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28.06.1930

Vom 01.06.1956
(BGBl II vom 13.06.1957 S. 1694; BGBl II vom 26.06.1961 - 1963 S. 1135 ILO 116)



(Red. Anm. Durch die BRD ratifiziert mit Datum vom 13.06.1956 (Quelle: ILO Berlin))

Dieses Überreinkommen ist am 1.Mai 1932 in Kraft getreten.
Ort: Genf
Tagung: 14

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 10. Juni 1930 zu ihrer vierzehnten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Zwangs- oder Pflichtarbeit, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1930, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930, bezeichnet wird, zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation:

Artikel 1

  1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, den Gebrauch der Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen möglichst bald zu beseitigen.
  2. Bis zur völligen Beseitigung darf Zwangs- oder Pflichtarbeit während einer Übergangszeit ausschließlich für öffentliche Zwecke und auch dann nur ausnahmsweise angewandt werden; dabei sind die in den nachstehenden Artikeln vorgesehenen Bedingungen und Sicherungen einzuhalten.
  3. Nach Ablauf von fünf Jahren, gerechnet vom Inkrafttreten dieses Übereinkommens, und anläßlich des im Artikel 31 vorgesehenen Berichts hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zu prüfen, ob es möglich ist, die Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen ohne weiteren Verzug zu beseitigen, und zu entscheiden, ob diese Frage auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 2

  1. Als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" im Sinne dieses Übereinkommens gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.
  2. Als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" im Sinne dieses Übereinkommens gelten jedoch nicht 1 Dieses Übereinkommen ist am 1. Mai 1932 in Kraft getreten.
    1. jede Arbeit oder Dienstleistung auf Grund der Gesetze über die Militärdienstpflicht, soweit diese Arbeit oder Dienstleistung rein militärischen Zwecken dient,
    2. jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten der Bürger eines Landes mit voller Selbstregierung gehört,
    3. jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung verlangt wird, jedoch unter der Bedingung, daß diese Arbeit oder Dienstleistung unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird und daß der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfügung gestellt wird,
    4. jede Arbeit oder Dienstleistung in Fällen höherer Gewalt, nämlich im Falle von Krieg oder wenn Unglücksfälle eingetreten sind oder drohen, wie Feuersbrunst, Überschwemmung, Hungersnot, Erdbeben, verheerende Menschen- und Viehseuchen, plötzliches Auftreten von wilden Tieren, Insekten- oder Pflanzenplagen, und überhaupt in allen Fällen, in denen das Leben oder die Wohlfahrt der Gesamtheit oder eines Teiles der Bevölkerung bedroht ist,
    5. kleinere Gemeindearbeiten, die unmittelbar dem Wohle der Gemeinschaft dienen, durch ihre Mitglieder ausgeführt werden und daher zu den üblichen Bürgerpflichten der Mitglieder der Gemeinschaft gerechnet werden können, unter der Voraussetzung, daß die Bevölkerung oder ihre unmittelbaren Vertreter berechtigt sind, sich über die Notwendigkeit der Arbeiten zu äußern.

Artikel 3

Als "zuständige Stelle" im Sinne dieses Übereinkommens gilt entweder eine Stelle des Mutterlandes oder die oberste Zentralstelle des betreffenden Gebietes.

Artikel 4

  1. Die zuständige Stelle darf Zwangs- oder Pflichtarbeit zum Vorteile von Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen weder auferlegen noch zulassen.
  2. Besteht derartige Zwangs- oder Pflichtarbeit zum Vorteile von Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen zu dem Zeitpunkt, in dem die Ratifikation dieses Übereinkommens durch ein Mitglied vom Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eingetragen wird, so hat das Mitglied diese Zwangs- oder Pflichtarbeit mit dem Zeitpunkt völlig zu beseitigen, in dem dieses Übereinkommen für das Mitglied in Kraft tritt.

Artikel 5

  1. Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen erteilte Konzessionen dürfen nicht dahin führen, daß Zwangs- oder Pflichtarbeit in irgendeiner Form zur Gewinnung, Herstellung oder Sammlung von Erzeugnissen auferlegt wird, die diese Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen verwenden oder mit denen sie Handel treiben.
  2. Bestehen Konzessionen mit Bestimmungen, wonach eine derartige Zwangs- oder Pflichtarbeit auferlegt werden kann, so sind diese Bestimmungen so bald als möglich aufzuheben, um dem Artikel 1 dieses Übereinkommens zu genügen.

Artikel 6

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