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Regelwerk

Larynxcarcinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen

(GMBl. Nr. 25 vom 01.08.2011 S. 502)



- Bek. d. BMAS v. 1.7.2011 - IVa 4-45226-2 -

Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat empfohlen, in die Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung folgende neue Berufskrankheit aufzunehmen:

"Larynxcarcinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen".

Die hierzu vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat erarbeitete wissenschaftliche Begründung lautet wie folgt:

Wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit "Larynxcarcinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen"

Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt eine neue Berufskrankheit mit der vorgenannten Legaldefinition in die Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen.

Diese Empfehlung wird wie folgt begründet:

1. Aktueller Erkenntnisstand

1.1 Chemischphysikalische und biologische Charakteristik der ursächlich schädigenden Einwirkungen

Schwefelsäure ist eine der wichtigsten und stärksten anorganischen Säuren, großtechnisch wird Schwefelsäure während vielfältiger technologischer Prozesse in verschiedenen Konzentrationen verwendet: Konzentrierte Schwefelsäure gereinigt mit 98,3% und roh mit 94-98%, Gloversäure mit 78-80%, Kammersäure mit 60-70%, verdünnte Schwefelsäure mit etwa 10% und Normalschwefelsäure mit 4,9%.

Konzentrierte Schwefelsäure wirkt zerstörend auf menschliches, tierisches und pflanzliches Gewebe.

1.2 Vorkommen und Gefahrenquellen

In der Luft tritt Schwefelsäure als Aerosol auf, entweder entsteht dieses durch Oxydation von Sulfit zu Sulfat mit nachfolgender Wasseranlagerung (Mechanismus des sauren Regens) oder durch direkten Übergang von Schwefelsäuremolekülen, die in der Luft an Wasserdampf kondensieren und die je nach Teilchengröße unterschiedlich tief in den Atemtrakt gelangen können. Schwefelsäure ist eine wichtige Massenchemikalie. Große Mengen werden zum Herstellen von Ethanol und Isopropanol, zum Beizen von Metallen und als Akkumulatorensäure für Bleiakkumulatoren benötigt. Darüber hinaus findet sie Verwendung in der Düngemittelindustrie bei der Herstellung mineralischer Düngemittel (Phosphataufschlussverfahren), in der Kunstseidenindustrie, bei der Reinigung von Ölen und Fetten, bei der Papierherstellung, in der Seifenindustrie und für eine Vielzahl von Prozessen in der Farbstoff-, Kunststoff- und Sprengmittelindustrie. Aktuell ist der Luftgrenzwert (8h) für atembares Aerosol bei 0,1 mg/m3 (MAK) festgelegt. Ein Momentanwert von 0,2 mg/m3 darf nicht überschritten werden (Einstufung in Krebskategorie 4 DFG).

Nachfolgend werden Industriezweige und Verfahren betrachtet, für die relevante Angaben für einen Zusammenhang zwischen Exposition gegenüber Schwefelsäure und dem vermehrten Auftreten von Larynxcarcinomen existieren.

Übersicht 1: Wichtige Industriezweige/Verfahren und Exposition gegenüber anorganischen Säureaerosolen - Auswahl (Auswahl modifiziert nach Sathiakumar et al. 1997)

Ausschließlich Schwefelsäure

Schwefelsäure und andere anorganische Säuren (Mischaerosole)

Schwefelsäureproduktion
Isopropanolproduktion Seifen- und Lösungsmittel-Produktion Metalloberflächenbehandlung
(z.B. Salpetersäure, Salzsäure, Phosphorsäure, Oxalsäure, Fluss-Säure)
Synthetische Ethanolproduktion Salpetersäureproduktion
(Salpetersäure)
Bleiakkumulatorenherstellung Phosphatdüngerproduktion
(Phosphorsäure)
Aufschließen von Erzen, Papierherstellung
(Salzsäure)
Raffinierung von Kupfer und Zink

Die Datenlage bezüglich der Expositionshöhen gegenüber Schwefelsäure bei den verschiedenen technologischen Prozessen ist für die Zeit vor 1970 nicht zuverlässig. Einzelne Studien weisen stochastische Messungen, retrospektive Abschätzungen oder verbale Angaben auf. Technologiebedingt und unter Berücksichtigung der jeweiligen arbeitshygienischen Situation dürften jedoch die Expositionen zumindest nicht niedriger anzusetzen sein, als für die Periode mit vorliegenden Messdaten. Für die Zeiträume nach 1970 lassen sich für Verfahren, die die Verwendung von Schwefelsäure aufweisen oder erfordern, folgende Expositionsbereiche grundsätzlich definieren (Tabelle 1). Dabei handelt es sich um durchschnittliche Werte, die an konkreten Arbeitsplätzen in bestimmten Produktionsstätten abweichen können.

Tabelle 1: Potentielle durchschnittliche Expositionshöhen in Abhängigkeit vom Industrieverfahren (Auswahl modifiziert nach Sathiakumar et al. 1997)

Potentiell hoch (> 1 mg/m3) für 8 h

Potentiell mittel hoch (0,1-1 mg/m3) für 8 h

Potentiell niedrig (< 0,1 mg/m3) für 8 h

Schwefelsäureproduktion Seifen- und Lösungsmittelproduktion Phosphatdüngerproduktion
Isopropanolproduktion Ethanolproduktion Raffinierung von Kupfer und Zink

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