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Regelwerk Arbeitsschutz; Arbeits- und Sozialrecht

Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 4112
"Lungenkrebs durch die Einwirkung von kristallinem Siliziumdiuxid (SiO2) bei nachgewiesener Quarzstaublungenerkrankung
(Silikose oder Siliko-Tuberkulose)"

Stand 2001
(BArbBl. 9/2001 S. 37)



Zur Übersicht in Anlage 1 BKV

Wissenschaftliche Stellungnahme (10/2015)

Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - Sektion "Berufskrankheiten" - empfiehlt, unter der Nummer 4112 eine neue Berufskrankheit mit der vorgenannten Legaldefinition in die Anlage der Berufskrankheitenverordnung aufzunehmen.

Diese Empfehlung wird wie folgt begründet:

1. Aktueller Erkenntnisstand

1.1. Physikalisch-chemische Charakteristik der ursächlich schädigenden Einwirkung

Die kristallinen Modifikationen des Siliziumdioxids (SiO2) sind vorrangig unter den Bezeichnungen Quarz, Cristobalit und Tridymit bekannt, wenngleich darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Modifikationen existiert (Abbildung 1, Weiss et al. 1982).

Es handelt sich meist um glasklare, evtl. auch unterschiedlich gefärbte oder eingetrübte Kristalle mit großer Härte und piezoelektrischen Eigenschaften. Sie sind gegenüber Säuren, mit Ausnahme von Fluorwasserstoff, beständig, können aber von alkalischen Lösungen angegriffen werden.

1.2. Vorkommen und Gefahrenquellen

Quarz ist das zweithäufigste Mineral in der Erdkruste. Es kommt in vielen Gesteinen zu nicht unerheblichen Anteilen und demzufolge auch in den daraus durch Verwitterung entstandenen Böden vor.

Arbeitsbedingte Gefahrenquellen bestehen durch Staubentwicklung bei der Gewinnung, Bearbeitung oder Verarbeitung insbesondere von Sandstein, Quarzit, Grauwacke, Kieselerde (Kieselkreide), Kieselschiefer, Quarzitschiefer, Granit, Gneis, Porphyr, Bimsstein, Kieselgur und keramischen Massen 1.

Im Detail sind insbesondere die Natursteinindustrie (Gewinnung, Verarbeitung und Anwendung von Festgesteinen, Schotter, Splitten, Kiesen, Sanden), das Gießereiwesen (Gießform- und Kernformsande), die Glasindustrie (Glasschmelzsande), die Email- und keramische Industrie (Glasuren und Fritten, Feinkeramik), die Herstellung feuerfester Steine und die Schmucksteinverarbeitung zu nennen. Weiterhin wird Quarzsand bzw. Quarzmehl als Füllstoff (Gießharze, Gummi, Farben, Dekorputz, Waschpasten), als Filtermaterial (Wasseraufbereitung) und als Rohstoff - z.B. für die Herstellung von Schwingquarzen, Siliziumcarbid, Silikagel, Silikonen bei der Kristallzüchtung - eingesetzt. Die Verwendung als Schleif- und Abrasivmittel (Polier- und Scheuerpasten) oder gar als Strahlmittel ist eher aus historischer Sicht zu erwähnen.

Cristobalit und Tridymit kommen ebenfalls in einigen Gesteinen vor. Sie sind nachzuweisen, wenn Diatomeenerden, Sande oder Tone einer hohen Temperatur ausgesetzt wurden, so z.B. in feuerfesten Steinen und gebrannter Kieselgur.

Synthetische Cristobalitsande und -mehle werden als Füllstoffe in Farben und Lacken, in keramischen Fließmassen, in Scheuermitteln sowie als Bestandteil von Einbettmassen für den Präzisionsguss verwendet.

Als potentiell besonders durch lungengängige Quarzstäube exponierte Berufsgruppen sind Erz- (einschließlich Uranerz-)bergleute, Tunnelbauer, Gussputzer, Sandstrahler, Ofenmaurer, Former in der Metallindustrie zu nennen, weiterhin Personen, die bei der Steingewinnung, -bearbeitung und -verarbeitung oder in grob- und feinkeramischen Betrieben sowie in Dentallabors beschäftigt sind.

1.3. Kenntnisse zur Wirkung am Menschen

1.3.1. Pathomechanismen

Bezüglich der Wirkung von einatembarem kristallinen Siliziumdioxid sind zwei pathogenetische Mechanismen zu unterscheiden:

  1. die nach Alveolardeposition von Fibroblasten ausgehende fibrogene Wirkung, deren Kenntnis im Jahre 1929 zur Aufnahme der Silikose in die Liste der Berufskrankheiten führte und
  2. eine primär die Epithelzellen der mittleren und tiefen Atemwege betreffende kanzerogene Wirkung.

Die allgemeinen Wirkungen von kristallinen SiO2-Partikeln beruhen auf einer direkten Wechselwirkung der Kristalloberfläche mit Zellmembranen oder Zellflüssigkeiten. Bis heute sind erhebliche Fortschritte in der Aufklärung der genauen Mechanismen für die beiden "Wirklinien" zu verzeichnen. Allerdings besteht noch keine Klarheit darüber, ob die quarzstaubbedingte Lungenfibrose (Silikose) eine Vorbedingung für die Entstehung von Lungenkrebs ist. Gut und seit langem bekannt sind dagegen die Zytotoxizität in Form einer makrophagenzerstörenden Wirkung und der "Lymphotropismus" von Quarzstaub (Woitowitz in: Valentin et al. 1985).

Quarzstaubpartikel, die im Alveolarraum deponiert werden, können von Alveolarmakrophagen phagozytiert werden. In Körperflüssigkeiten ist Quarzstaub kaum löslich. Die mit Partikeln beladenen Makrophagen werden durch die physiologischen Reinigungsmechanismen z.T. mukoziliar entfernt, z.T. aber in das Lungeninterstitium weiter-transportiert und u.a. in den Lymphknoten deponiert (Rom et al. 1991, Becklake 1994). Diese Clearence kann durch Zigarettenrauchen, ebenso durch die unmittelbar zytotoxische Wirkung von SiO2

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