Marktüberwachung im Bereich des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG)
Vom 30. Juni 2009 (GMBl. Nr. 27 vom 30.06.2009 S. 581)
"Produktsicherheit" und "Marktüberwachung" sind Schlüsselbegriffe unseres Marktgeschehens. Sie kennzeichnen das europäische Ziel, im Interesse von Wirtschaftsakteuren und Verbrauchern den freien Verkehr sicherer Produkte im Binnenmarkt zu gewährleisten. Zur Erreichung dieser Zielstellung kontrollieren die zuständigen Marktüberwachungsbehörden mit Unterstützung der Zollbehörden den Markt anhand angemessener Stichproben und treffen alle erforderlichen Maßnahmen. Mit einer wirksamen Marktüberwachung kann es gelingen, die Verwender vor Sicherheits- und Gesundheitsgefahren durch unsichere Produkte zu schützen. Zugleich stärkt dies den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit aller redlichen Wirtschaftsakteure.
Der Wechselwirkung zwischen Produktsicherheit, Verbraucherschutz und Marktüberwachung kommt im globalen Umfeld der Wirtschaftsbeziehungen international, europäisch und national in jüngerer Zeit immer mehr Bedeutung zu. Mit dem GPSG werden die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit und ein ganz wesentlicher, volkswirtschaftlich bedeutsamer Anteil produktbezogener Binnenmarktrichtlinien umgesetzt; das GPSG nimmt hierbei in Deutschland eine besondere Rolle ein.
Die Durchführung dieses Gesetzes - und damit die Marktüberwachung - liegt in der Zuständigkeit der Länder. Unterstützt werden sie dabei durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, die bestimmte Aufgaben im Bereich der Marktüberwachung wahrnimmt sowie koordinierend zwischen Bund und Ländern tätig ist. Marktüberwachung im europäischen Binnenmarkt kann erfolgreich nur gemeinsam gestaltet werden. Vor diesem Hintergrund hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter der Leitung des BMAS die nachfolgenden Eckpunkte einer gemeinsamen Strategie erarbeitet und zur zügigen Umsetzung vorgelegt. Sie enthalten u. a. Ziele und Lösungswege im Hinblick auf die Optimierung bestehender Strukturen, Zuständigkeiten und Kornmunikations- und Informationssysteme sowie auf die Fortentwicklung der Rechtsvorschriften, der einheitlichen Durchführung der Marktüberwachungsmaßnahmen und der bestehenden nationalen und europäischen Kooperationsstrukturen. Diese Eckpunkte sind ein wichtiger Schritt hin zu einer verstärkten, effektiven und effizienten deutschen Marktüberwachung im europäischen Verbund. Sie könnten und sollten über diesen Bereich hinaus Ausgangspunkt für weitere notwendige Schritte zur Verbesserung und Stärkung des Marktüberwachungssystems insgesamt, national und europäisch sein.
Eckpunkte für eine "Gemeinsame Strategie des Bundes und der Länder zur Stärkung der Marktüberwachung im Bereich des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes ( GPSG )"
Die nachfolgend vorgeschlagenen Eckpunkte wurden von einer Adhoc-Arbeitsgruppe unter Federführung des BMAS erarbeitet. Die Arbeitsgruppe setzte sich zusammen aus Vertretern des Bundes (BMAS, BMELV, BMWi, BAua und der Bundesfinanzdirektion Südost - Zollverwaltung - für das BMF) und der Länder Bayern, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen für den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik.
1 Grundsätzliche Herausforderungen und übergeordnetes Ziel
Das Thema Produktsicherheit und Marktüberwachung steht immer wieder im Focus der Öffentlichkeit. Ein Beispiel war die Rückrufaktion von in Fernost produziertem Spielzeug. Verschiedene Gremien und Institutionen waren mit dieser Thematik befasst. Das für Spielzeug federführende BMWi veranstaltete zur Diskussion der notwendigen Konsequenzen einen "Workshop zur Güte" sowie einen Meinungsaustausch der Bundesregierung mit den für die Marktüberwachung zuständigen Behörden der Länder. Ergebnis war die Bildung einer Adhoc-Arbeitsgruppe unter der Federführung des BMAS und Mitwirkung der zuständigen Bundesministerien, der BAua und der Länder. Ihr Auftrag ist es, Vorschläge zur Verbesserung und Optimierung der Marktüberwachung im Bereich des GPSG zu erarbeiten.
In Beschlüssen der Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) und der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) zum Thema "Produktsicherheit" wird u. a. der Erhalt des GS-Zeichens oder die Einführung eines freiwilligen europäischen Sicherheitszeichens gefordert. Die WMK betont zudem das Erfordernis einer Stärkung und Vereinheitlichung der nationalen Marktüberwachung sowie eine Optimierung der Zusammenarbeit mit den Zollbehörden. Sie hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) gebeten, im Bereich des GPSG geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Marktüberwachungsbehörden eine noch effizientere Arbeitsweise zu ermöglichen und den europäischen Informationsfluss zwischen den nationalen Marktüberwachungsbehörden intensivieren zu können. Die ASMK unterstreicht mit Beschluss vom November 2008 die Bedeutung der Marktüberwachung im Bereich des GPSG für Verbraucher und Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund ist eine enge länderübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung bei der Wahrnehmung der Vollzugsaufgaben unerlässlich. Hierzu sollen länderseitig schnellstmöglich Optimierungen im Bereich der Marktüberwachung vorgenommen werden.
Nach den Erkenntnissen der Marktüberwachungsbehörden werden Mängel bezüglich der Sicherheit nicht nur bei Spielzeug, sondern ebenso bei anderen technischen Verbraucherprodukten wie z.B. Elektroartikeln, Werkzeugen und Kleinmaschinen und auch bei Investitionsgütern wie Maschinen und Anlagen festgestellt. Zu berücksichtigen ist, dass im Segment der einfachen Massenprodukte die Importquote in Deutschland inzwischen bei über 80 Prozent bis nahezu 100 Prozent (z.B. bei Spielzeug und Textilien) liegt. In anderen Bereichen, etwa bei Maschinen, wird zurzeit noch viel in Deutschland und Europa gefertigt. Aber auch Billigimporte von einfachen Maschinen (z.B. Kettensägen) sind inzwischen an der Tagesordnung.
Diesen Herausforderungen der Globalisierung der Warenströme muss sich die Marktüberwachung stellen. Ziel muss sein, die Marktüberwachung in Deutschland so zu stärken, dass im Bereich des GPSG Gefährdungen der Sicherheit und Gesundheit der Verwender durch das Inverkehrbringen gefährlicher Produkte und damit zugleich Wettbewerbsverzerrungen für die Wirtschaft wirkungsvoll verhindert werden.
2.1 Europäischer und nationaler rechtlicher Rahmen
Für die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes wurde in den 80er-Jahren das so genannte "Neue Konzept" der EU ("New Approach") entwickelt. Das mit dem Beschluss Nr. 768/2008/EG konsolidierte Konzept geht von einer weitgehenden Eigenverantwortung des Herstellers bzw. Inverkehrbringers aus, indem dieser durch Anbringen der CE-Kennzeichnung die Konformität seines Produktes mit den in den europäischen Richtlinien enthaltenen grundlegenden Sicherheitsanforderungen deklariert. Vor diesem Hintergrund kommt der behördlichen Marktüberwachung eine hohe Bedeutung zu.
Aufgabe der Marktüberwachung ist es, die Einhaltung der Anforderungen der europäischen Richtlinien stichprobenartig zu kontrollieren und so das Inverkehrbringen gefährlicher Produkte zu verhindern bzw. einzuschränken. Derzeit steht dem freien Verkehr von Produkten im europäischen Binnenmarkt eine Marktüberwachung gegenüber, deren Zuständigkeit an der Grenze des jeweiligen Mitgliedstaates endet. Von daher ist die Vernetzung der europäischen Marktüberwachungsaktivitäten ein zwingendes Erfordernis.
Erste Schritte wurden auf der Grundlage des bestehenden europäischen Rechts bereits gemacht. Sowohl im Rahmen des Prosafe-Netzwerks, des Ostsee- und des Emars-Netzwerks (Enhancing Market Surveillance Throughout EU) sind horizontale Strukturen geschaffen worden, in denen die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten miteinander kooperieren können. In den Netzwerken werden sich Strukturen herausbilden, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als festes Element integrieren und auf der fachlichen Ebene eine Angleichung ermöglichen.
Die ab dem 01.01.2010 unmittelbar geltende "EG-Verordnung Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten" trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem sie erstmalig einen verbindlichen Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung schafft.
Wesentliche Punkte sind:
die Aufstellung und Mitteilung eines allgemeinen Marktüberwachungsprogramms oder sektorspezifischer Marktüberwachungsprogramme durch alle Mitgliedstaaten bis 1. Januar 2010,
die Prüfung und Bewertung der Funktionsweise der eigenen Marktüberwachung durch die Mitgliedstaaten mindestens alle vier Jahre; Mitteilung der Ergebnisse an die Europäische Kommission und die anderen Mitgliedstaaten,
die Gewährleistung der effizienten Zusammenarbeit und des wirksamen Informationsaustausches zwischen den innerstaatlichen und europäischen Marktüberwachungsbehörden und der Europäischen Kommission,
die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Bereitstellung ausreichenden und qualifizierten Personals sowie zur engen Kooperation zwischen den Marktüberwachungs- und Zollbehörden.
Die nationale Umsetzung wesentlicher Binnenmarktrichtlinien nach dem "New Approach" ist in Deutschland mit dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz ( GPSG) sowie seinen Verordnungen erfolgt.
Auf Bundesebene liegt die Zuständigkeit für das GPSG, die darauf gestützten Verordnungen und die zugrundeliegenden EG-Richtlinien grundsätzlich beim BMAS. Im BMAS steht für den gesamten Aufgabenbereich der Geräte- und Produktsicherheit eine Personalkapazität von 4,5 Personenjahren zur Verfügung.
Die Bereiche Spielzeug ( 2. GPSGV) und Sportboote ( 10. GPSGV) ressortieren beim BMWi. In dessen federführende Zuständigkeit fällt ferner das Binnenmarktpaket zum "New Approach", d. h. auch die o. a. neue EG-Verordnung zur Akkreditierung und Marktüberwachung. Im BMWi steht für die vorgenannten Aufgabenbereiche eine Personalkapazität von 2,5 Personenjahren zur Verfügung. Unberücksichtigt bleiben hier die Regelungen und der Personalansatz im Bereich des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG) und des Energiebetriebene-Produkte-Gesetzes (EBPG).
Für die mit dem GPSG umgesetzte Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit ist das BMELV federführend zuständig. Für diesen Bereich steht eine Personalkapazität von einem Personenjahr zur Verfügung.
Produkte, die vom GPSG erfasst werden, unterfallen teilweise auch anderen Rechtsvorschriften, wodurch sich weitere Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung ergeben.
Die Einbindung der Zollverwaltung erfolgt durch das BMF, zu dessen Geschäftsbereich die Zollstellen gehören.
Die BAuA nimmt als beauftragte Stelle zur Unterstützung der Länder und als Informations- und Kommunikationsknotenpunkt auf der Basis des GPSG bestimmte Aufgaben im Bereich der Marktüberwachung zentral wahr. In Abstimmung mit den zuständigen Behörden und in bestimmten Einzelfällen in eigener Zuständigkeit führt die BAua Risikobewertungen an Produkten durch. Die BAua unterstützt die zuständigen Behörden bei der Entwicklung und Durchführung von Überwachungskonzepten, insbesondere durch die wissenschaftliche Auswertung der an Produkten festgestellten Mängel. Die hierfür derzeit eingesetzten Ressourcen liegen bei ca. 6 Personenjahren. Durch die Umsetzung der über das GPSG an die BAua gestellten neuen Anforderungen und den erheblichen Anstieg der Zahl gemeldeter mängelbehafteter Produkte (mehr als Verzehnfachung) ist seit 2004 ein Personalzuwachs von 2,5 Personenjahren notwendig geworden.
Die Zollverwaltung wirkt im Rahmen der Kontrolle von aus Drittländern eingeführten Produkten durch die Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden bei der Überwachung der Produktsicherheitsvorschriften mit. Rechtsgrundlage für die Mitwirkung der Zollverwaltung ist zur Zeit die Verordnung (EWG) Nr. 339/93. Deren Vorschriften wurden in die neue EG-Verordnung zur Marktüberwachung integriert. Mit der neuen EG-Verordnung zur Marktüberwachung werden die Marktüberwachungsbehörden verpflichtet, Informationen zu gefährlichen oder nicht konformen Produkten an die Zollbehörden zu übermitteln, um damit den Zoll in die Lage zu versetzen, aus der Vielzahl der Einfuhrsendungen möglicherweise verdächtige Waren zu identifizieren und an die Marktüberwachungsbehörden zu melden. National ist für den Bereich des GPSG die Zusammenarbeit von Zoll und Marktüberwachung in der gemeinsamen "Handlungsanleitung für die Zusammenarbeit der Zollbehörden und der Marktüberwachungsbehörden der Länder" näher konkretisiert. Bei derzeit bundesweit 277 Zollämtern mit einem Personalbestand von insgesamt 7.161 Beschäftigten werden jährlich ca. 23 Mio. Warenpositionen, die grundsätzlich alle produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften unterliegen können, zur Überführung in den freien Verkehr abgefertigt.
Aus den Ergebnissen einer im März 2008 durchgeführten Bestandsaufnahme zu Organisation und Vollzug der Marktüberwachung in den Ländern wird festgestellt:
Für den Vollzug des GPSG sind die Länder zuständig; Marktüberwachung gehört zu den Kernaufgaben der Länderbehörden.
Die Vollzugsaufgabe Marktüberwachung im Bereich des GPSG wird regelmäßig von den Ländern wahrgenommen. Bezogen auf die Einwohnerzahl bewegen sich die Personalkapazitäten in den Ländern zwischen 0,7 und 5,6 Personenjahren je 1 Mio. Einwohner.
Geprüft werden in Deutschland jährlich rund 50.000 Produkte. Bei der Anzahl der Prüfungen ist von Land zu Land eine große Schwankungsbreite festzustellen. Richtwerte zur Zahl der von jedem Land zu leistenden Überprüfungen, so wie im Lebensmittelbereichs1 eingeführt, existieren im Bereich des GPSG nicht.
Produktprüfungen erfordern regelmäßig zusätzlich vertiefte technische Prüfungen im Labor. Hierzu verfügen zehn Länder über eine eigene Geräteuntersuchungsstelle mit Schwerpunkt im Bereich von elektrischen Geräten und mechanischen Anforderungen von Spielzeugen und Maschinen. Eine Spezialisierung erfolgte bisher ohne ein systematisches Konzept zur länderübergreifenden Zusammenarbeit. Zwei Geräteuntersuchungsstellen verfügen über eine Akkreditierung.
Zur Sanktionierung von Verstößen nach § 19 GPSG (Bußgeldrahmen bis zu 30.000 Euro) sind seit dem Jahr 2004 in sieben Ländern ca. 110 Ordnungswidrigkeitsverfahren durchgeführt und Bußgelder in Höhe von 200 bis 9.000 Euro verhängt worden.
Die Information der Verwender von Produkten erfolgt überwiegend durch Internetauftritte und Faltblätter der einzelnen Länder oder über das gemeinsame zentrale Informationssystem ICSMS.
Die Umsetzung weiterer europäischer Richtlinien und der erhebliche Anstieg gemeldeter mängelbehafteter Produkte haben seit 2004 zu einer Erhöhung von Anzahl, Umfang und Tiefe der Produktüberprüfungen und bei gleich bleibendem Personalbestand zu einer Überlastung der Vollzugsbehörden geführt.
Zur Koordination der Marktüberwachung im Bereich des GPSG haben die Länder den Arbeitsausschuss Marktüberwachung (AAMU) eingerichtet. Aufgaben des AAMU sind insbesondere die Koordination der Zusammenarbeit der Marktüberwachungsbehörden der Länder untereinander, die länderübergreifend abgestimmte Planung von Marktüberwachungsaktionen innerhalb Deutschlands, das Zusammenwirken mit Wirtschaft und Verbänden und der Auf- und Ausbau geeigneter Informations- und Kommunikationsstrukturen. Da für ein konzeptionellsystematisches Vorgehen der Länder gemäß § 8 GPSG die Angleichung der administrativen Verfahren sowie Entscheidungen notwendig ist, bedingt dies einen hohen Koordinierungsaufwand für die Länder.
Bei Produktproblemen, die mit nicht unerheblichen Gefahren verbunden sind und die mehrere Länder betreffen, wird vom AAMÜ eine sogenannte Schnellentscheidungsgruppe eingerichtet, die Vorschläge zur länderübergreifend einheitlichen Behandlung und Abarbeitung des Problems erarbeitet.
Der durch die EG-Verordnung Nr. 765/2008 geschaffene verbindliche Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung erfordert eine adäquate Vertretung der für die Marktüberwachung zuständigen Behörden im europäischen Verbund. Die Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene muss trotz bestehender Koordinierungserfordernisse durch Entscheidungskompetenz gesichert sein.
Aus den rechtlichen Rahmenbedingungen ergibt sich für das deutsche Marktüberwachungssystem im Bereich des GPSG sowohl gesetzlicher als auch struktureller Anpassungs- und Optimierungsbedarf.
Die verteilten Zuständigkeiten zwischen den Bundesressorts führen zu einer uneinheitlichen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts. Die Marktüberwachungsbehörden sind ihrer jeweiligen Rechtsetzung verpflichtet und können nicht die Unterschiede in der nationalen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts ausgleichen.
Die von der BAua auf Bundesebene zentral wahrgenommenen Aufgaben sollten effizienter in die Aktivitäten der Länder eingebunden werden.
Der AAMÜ hat zu einer Verbesserung des einheitlichen Vollzugs in Deutschland beigetragen. Allerdings sind seine Beschlüsse für Behörden und Hersteller nicht verbindlich. Hier fehlt es an der erforderlichen "übergeordneten" Entscheidungskompetenz. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, inwieweit die gegenwärtigen föderalen Strukturen der Marktüberwachung einen einheitlichen, länderübergreifenden Vollzug im Bereich des GPSG gewährleisten. Unabdingbare Voraussetzung für das System einer länderübergreifend koordinierten Marktüberwachung als dauerhafte Gemeinschaftsaufgabe der Länder ist die Schaffung verbindlicher Rahmenbedingungen.
Die länderübergreifend einheitliche Einschätzung der Konformität eines Produkts und die Einleitung von risikoadäquaten Maßnahmen müssen bindend an europäischen Vorgaben, z.B. den in den Rapex-Leitlinien genannten gemeinsamen Kriterien und Verfahren ausgerichtet sein.
Angesichts der von Land zu Land sehr uneinheitlichen Anzahl durchgeführter Prüfungen stellt sich die Frage nach der Einführung von Richtwerten. Diese können auch als Grundlage für die Feststellung notwendiger Personalkapazitäten dienen.
Die Organisation der Produktprüfungen kann mit einem in sich geschlossenen Bund/Länder-Konzept einheitlicher und effektiver gestaltet werden.
In Bezug auf die Bußgeldvorschriften des § 19 GPSG sind die Tatbestände und die Höchstsätze bezüglich ihrer Geeignetheit, Angemessenheit und Wirksamkeit zu prüfen.
Es besteht Prüfungsbedarf, wie bei festgestellten Sicherheitsmängeln von Produkten die Rechte der Behörden zur Information der Öffentlichkeit verbessert werden können.
Die Mitwirkung des Zolls an der Marktüberwachung kann durch die Übermittlung von Informationen der Marktüberwachungsbehörden und die damit einhergehende Erstellung von Risikoprofilen effektiver gestaltet werden.
Derzeit setzt die Durchführung produktsicherheitsrechtlicher Kontrollen bei aus Drittländern eingeführten Produkten zu dem Zeitpunkt an, in dem entschieden wird, dass in die Europäische Union verbrachte Produkte tatsächlich in den europäischen Wirtschaftskreislauf eingehen sollen bzw. für den europäischen Binnenmarkt bestimmt sind und dadurch der Verbraucher Zugriff auf die Ware erhält (Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr). Der Eingriff der Zollverwaltung erfolgt dabei stets vor der endgültigen Freigabe der Ware für den europäischen Markt (Aussetzung der Freigabe), so dass auch im Binnenland generell eine amtliche Überwachung gewährleistet ist. Durch dieses Vorgehen ist die EU-weite Verteilung produktsicherheitsrechtlicher Kontrollen, orientiert an dem Ort der Überführung in den freien Verkehr und auch eine Entzerrung des Kontrollaufkommens an den Außengrenzen beabsichtigt.
Alternativ zur derzeitigen Situation wird von Seiten der Marktüberwachungsbehörden diskutiert, dass bereits das körperliche Verbringen der Waren (der Grenzübertritt an der EU-Außengrenze) in das Gebiet der EU - unabhängig vom tatsächlichen Eintritt der Waren in den Wirtschaftskreislauf der EU - entsprechende produktsicherheitsrechtliche Kontrollen nach sich ziehen sollte (analog den Kontrollen der Grenzveterinäre im Bereich tierischer Erzeugnisse). Eine derartige Umstellung des Kontrollansatzes würde jedoch eine europäische Rechtsänderung im Hinblick auf die Verordnung (EWG) Nr. 339/93 bzw. die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 erforderlich machen (Zuständigkeit: BMWi).
Zur Ausrichtung einer gemeinsamen Strategie im Bereich des GPSG lassen sich aus den Darstellungen in den Abschnitten 1 bis 3 folgende Ziele ableiten:
Optimierung der bestehenden Strukturen im Hinblick auf eine effiziente und wirkungsvolle, mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Präsenz der deutschen Marktüberwachung im europäischen Verbund.
Optimierung der derzeit innerhalb der Bundesregierung verteilten Zuständigkeiten für die Produktsicherheit im Hinblick auf eine einheitlichere Umsetzung des Gemeinschaftsrechts.
Fortentwicklung der Rechtsvorschriften für eine verbesserte Durchsetzung von Marktüberwachungsmaßnahmen.
Fortentwicklung der einheitlichen, an zentraler ländergetragener Stelle koordinierten Durchführung der Überwachungsaufgaben.
Fortentwicklung der Strukturen im Bereich der Produktprüfungen.
Fortentwicklung der Kooperationsstrukturen zwischen den Marktüberwachungsbehörden national und europäisch, mit der BAua und mit dem Zoll.
Optimierung des internen und externen Kommunikations- und Informationssystems national und in Richtung Europa.
Erarbeitung eines Konzepts zur Konzentration der Zuständigkeiten im Produktsicherheitsrecht auf Bundesebene.
Aufbau einer zentralen, mit bundesweiten Kompetenzen ausgestatteten Koordinierungsstelle für Marktüberwachung im Bereich des GPSG.
Etablierung eines Netzwerkes behördlicher Geräteuntersuchungsstellen (Bund und Länder) unter Einbeziehung einer Aufgabenteilung zwischen den Stellen und der Festlegung von Anforderungen und Verfahrens sowie Zusammenarbeitsregeln.
Verstärkung der Kooperation zwischen den Marktüberwachungsbehörden (der zentralen Koordinierungsstelle) und dem Zoll im Bereich der Risikoanalyse und der Erstellung gemeinsamer Risikoprofile.
Die Ausführungen in den Abschnitten 1 bis 5 beziehen sich auf das Thema Marktüberwachung im Geltungsbereich des GPSG sowie solcher Verordnungen, die sich ausschließlich auf das GPSG abstützen. Verordnungen, die sich auch, aber nicht ausschließlich auf das GPSG abstützen, wie z.B. die 32. BImSchV (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung, federführendes Bundesressort BMU) oder die Orts-DruckV (Verordnung über ortsbewegliche Druckgeräte, federführendes Bundesressort BMVBS), sind zunächst nicht in die Betrachtung einbezogen worden. Diese und weitere produktbezogene Gesetze und Verordnungen sind in einem zweiten Schritt ebenfalls zu betrachten.
Außerdem sollte der Blick über den Bereich der technischen Produkte hinaus auch auf andere Bereiche wie z.B. den Lebensmittelsektor gerichtet werden. Dort angewandte Strategien und Vorgehensweisen sollten im Hinblick auf ihre Übertragbarkeit in den technischen Produktsektor untersucht werden.
Für die mittel- und langfristige Weiterentwicklung einer über den Bereich des GPSG hinaus wirksamen, sektorübergreifenden Marktüberwachung und für die sinnvolle Angleichung sektorspezifisch ausgerichteter Überwachungsstrategien ist ein weitergehendes strategisches Konzept zur Verringerung bestehender Defizite in der Zusammenarbeit auf allen Ebenen erforderlich.
Dazu setzen sich die beteiligten Bundesministerien für eine kohärente EU-weite Rechtssetzung nach einheitlichen Kriterien mit Vorgaben für die Mitgliedstaaten im Bereich Marktüberwachung sowie für die Herstellung nachhaltiger horizontaler Strukturen mit dem Ziel einer einheitlichen Rechtsumsetzung in Deutschland ein. Inwieweit die Konzentration des Rechtsbereiches Produktsicherheit in einem Ministerium eine zielführende und effiziente Lösung darstellen kann, wird geprüft.
Das Konzept muss insgesamt darauf ausgerichtet sein, die Stärkung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu forcieren, so dass Rechtsetzung, Schutzziele und Durchführung von Marktüberwachung angeglichen werden können. Dies erhöht die Effizienz der Marktüberwachung, schafft Transparenz für die Wirtschaftsakteure sowie die Verwender und verbessert die Wettbewerbsbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
_________ 1) Bei Bedarfsgegenständen 0,5 je 1.000 Einwohner p. a. 2) In einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen vom 04.12.2008 zur möglichen Einführung eines europäischen Sicherheitszeichens kommen diese zu der Auffassung, "dass die Einführung einer Sicherheitskennzeichnung für Verbrauchersicherheit nicht angemessen ist".