Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (2/3)
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18 Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen (zu § 18) 11

18.0 § 18 enthält die speziellen Vorschriften für die präventive Wohnraumüberwachung, die bisher in den §§ 17 und 18 (a. F.) jeweils in den Absätzen 2 und 3 enthalten waren.

18.1 (zu Absatz 1) 11

18.11 Absatz 1 entspricht, abgesehen von der Zusammenfassung der Datenerhebung (Bild- und Tonaufzeichnungen), im Wesentlichen den bisherigen Regelungen ( § 17 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 sowie § 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1).

Die Maßnahme der präventiven Wohnraumüberwachung ist wie bisher nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässig. Die Änderung des 2. Halbsatzes trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wohnraumüberwachung einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt, der aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur als äußerste Möglichkeit der Gefahrenabwehr in Betracht kommt.

Mit Satz 2 wird klargestellt, dass die Wohnraumüberwachung jedoch nicht dadurch unzulässig wird, dass sich dort unbeteiligte Dritte aufhalten.

18.12 Um zu gewährleisten, dass der Schutz des Kernbereichs nach dem zweistufigen Schutzkonzept primär bereits auf der ersten Stufe greift, erfolgt die Wohnraumüberwachung gemäß Satz 4 grundsätzlich im Wege der unmittelbaren Wahrnehmung (durch Live-Mithören/ Schauen), eine parallele technische Aufzeichnung ist zulässig. Dies ist bei der Wohnraumüberwachung der mildere Eingriff, da dadurch ein sofortiges Unterbrechen bei Auftreten kernbereichsrelevanter Inhalte gewährleistet ist (s. BVerfG, 1 BvR 2378/98, 1084/99, Urt. vom 03.03.2004, Absatz-Nr. 151, http://www.bverfg.de).

18.2 (zu Absatz 2) 11

18.21 Die Datenerhebung bedarf gemäß Satz 1 einer richterlichen Anordnung durch die in § 74 a Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Diese Kammer ist auch zuständig für die Anordnung und sonstige Entscheidungen bei der strafprozessualen Wohnraumüberwachung gemäß §§ 100c, 100d StPO. Wegen der besonderen Schwere des Eingriffs wird die Entscheidung durch ein richterliches Kollegialorgan getroffen. Die Geltung der richterlichen Anordnung ist gemäß Satz 2 auf einen Monat befristet. Soweit die Voraussetzungen nach Abs. 1 und 2 vorliegen, können gemäß Satz 4 Verlängerungen um jeweils ebenfalls nicht mehr als einen Monat angeordnet werden.

18.22 Gerade bei der Anordnung von Überwachungsmaßnamen zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben ist eine Regelung für Eilanordnungen bei Gefahr im Verzug notwendig: Deshalb enthält Satz 5 eine Eilanordnungskompetenz für die Behördenleitung. Die Eilanordnung muss unverzüglich richterlich bestätigt werden. Erfolgt die Bestätigung nicht binnen drei Tagen, tritt sie gemäß Satz 7 außer Kraft und die bereits erhobenen Daten dürfen nicht verwendet werden; sie sind unverzüglich zu löschen.

18.3 (zu Absatz 3) 11

18.31 Absatz 3 Satz 1 sieht vor, dass eine Datenerhebung in und aus Wohnungen nur dann angeordnet werden darf, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung keine Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Hinsichtlich der zulässigen Typisierung wird in Absatz 3 Satz 2 ausgeführt, dass dabei insbesondere auf die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen abzustellen ist. Allerdings dürfen Daten von Gesprächen mit Sozialbezug, insbesondere wenn die Inhalte die nach Abs. 1 abzuwehrenden Gefahren oder andere geplante Straftaten betreffen, erhoben werden (so auch BVerfG, 1 BvR 2378/98, 1084/99, Urt. vom 03.03.2004, Abs.-Nr. 137, http ://www. bverfg. de).

18.32 Gemäß Satz 3 umfasst die Schutzwirkung des Kernbereichs die Kommunikation innerhalb des besonders geschützten Vertrauensverhältnisses mit den in §§ 53 und 53 a der Strafprozessordnung genannten Berufsgeheimnisträgern. Bei Gesprächen in Betriebs- und Geschäftsräumen spricht die Regelvermutung des Satzes 4 gegen eine Kernbereichszurechnung, soweit es sich nicht um solche der vorgenannten Berufsgeheimnisträger handelt.

18.4 (zu Absatz 4) 11

18.41 Gemäß dem Grundsatz der Datenvermeidung ist die Datenerhebung unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich während der laufenden Maßnahme herausstellt, dass die überwachten Gespräche oder die aufgenommenen Situationen entgegen der ursprünglichen Prognose dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind.

Während der angeordneten Dauer einer verdeckten Datenerhebungsmaßnahme kann lageangepasst sowohl eine Unterbrechung gemäß Satz 1 als auch das "Umschalten" auf eine automatisierte Aufzeichnung gemäß Satz 2 erfolgen. Satz 3 verdeutlicht, dass eine Fortsetzung der Datenerhebung ohne erneute richterliche Anordnung zulässig ist, wenn aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände (z.B. Veränderung der Personenkonstellation in der überwachten Wohnung) eine Erfassung kernbereichsrelevanter Inhalte nicht mehr zu erwarten ist. Außerdem wird dadurch die jederzeitige Möglichkeit zur "Rückkehr" zum Live-Mithören als weniger schwerwiegendem Eingriff geklärt.

18.42 Sobald Zweifelsfälle auftreten, darf nur noch automatisiert aufgezeichnet werden. Im Rahmen des zweistufigen Schutzkonzepts ist die Aufzeichnung unverzüglich dem Gericht, das die Anordnung getroffen hat, zur Bewertung der Daten und zur Entscheidung über die Verwertbarkeit und Löschung der erhobenen Daten vorzulegen. Der Umgang des Gerichts mit dem sog. Richterband ist in den weiteren Sätzen 5 und 6 geregelt.

18.5 (zu Absatz 5) 11

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