Gesetzesantrag des Landes Berlin
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen der Landgerichte

A. Problem und Ziel

Die Struktur der Landgerichte beruht im Wesentlichen auf den im 19. Jahrhundert in Kraft getretenen Reichsjustizgesetzen. Veränderte Anforderungen an die Zivilprozesse im 21. Jahrhundert können Veränderungen bei den Vorschriften über die Strukturfragen erforderlich machen. Die Entscheidung des Rechtsstreits sollte durch ein kompetent besetztes Gericht ergehen. Die wachsende Komplexität der Lebenssachverhalte und der juristischen Problemstellungen fordert eine erhebliche Spezialisierung der Spruchkörper der Landgerichte. Zudem wird die Einbindung externen Sachverstandes und interdisziplinäres Arbeiten wichtiger. Dem werden die Landgerichte in ihrer jetzigen Struktur nicht immer gerecht. Zwar haben viele Landgerichte Spezialkammern eingerichtet, jedoch machen viele Landgerichte von dieser Möglichkeit nicht ausreichend Gebrauch. Ein interdisziplinäres Arbeiten ist bislang nur bei den Kammern für Handelssachen möglich. Bei den Kammern für Handelssachen werden aufgrund der Zuständigkeit nach § 95 Absatz 1 Nummer 1 GVG aber auch vielfach Rechtsstreitigkeiten aus dem Baubereich anhängig. Hier wäre Fachwissen der ehrenamtlichen Richter im Bauwesen erforderlich.

Voraussetzung für eine angemessene Spezialisierung der Spruchkörper der Landgerichte ist zunächst ein ausreichendes Fallaufkommen, das jedoch in Abhängigkeit von den regionalen Gegebenheiten variiert. Zwar schafft § 13a GVG auch die Landgerichtsbezirke übergreifende Konzentrationsmöglichkeiten, allerdings sind die Grenzen des § 13a GVG auf Ebene der Landgerichte unklar. Bei der Einführung des § 13a GVG wurden andere Regelungen nicht angepasst. So wurden beispielsweise spezialgesetzlich Konzentrationsermächtigungen nicht aufgehoben, sondern blieben neben § 13a GVG bestehen und im Bereich der Landgerichte wurde das Verhältnis zu § 60 GVG im Gesetz nicht geklärt. Dies erschwert notwendige Strukturreformen bei den Landgerichten.

B. Lösung

Der Entwurf sieht eine Klarstellung des § 60 GVG in der Weise vor, dass bei den Landgerichten auch sämtliche Straf- oder Zivilsachen einem anderen Landgericht zugewiesen werden können. Zudem sind für das Strafverfahren weitere Regelungen anzupassen. Weiter räumt der Gesetzentwurf den Landesregierungen die Befugnis ein, durch Rechtsverordnung Spezialkammern bei den Landgerichten einzuführen. Den Landesregierungen wird dabei ein weitgehender Beurteilungsspielraum eingeräumt, in welchen Fachgebieten die Einrichtung von Spezialkammern erfolgen soll. Die Landesregierungen können so flexibel auf die regionalen Wirtschafts- und Justizstrukturen reagieren und entsprechende Schwerpunkte setzen.

Schließlich ermöglicht es der Gesetzentwurf den Landesregierungen, durch Rechtsverordnung mit ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern besetzte Kammern für Bau- und Architektensachen einzurichten. Gleichzeitig wird die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen für Bau- und Architektensachen ausgeschlossen. Grundsätzlich ist die Kammer für Bau- und Architektensachen auch zuständig, wenn ein Verbraucher am Rechtsstreit beteiligt ist. Dem Verbraucher wird allerdings ein Widerspruchsrecht eingeräumt. Gleiches gilt für Unternehmer, die nicht zu einem erheblichen Teil im Bauwesen tätig sind.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

I. Bund

Für den Bund entstehen weder Haushaltsausgaben noch Vollzugsaufwand. II. Länder und Kommunen

Für die Länder und Kommunen entstehen durch den vorgelegten Gesetzentwurf keine Haushaltsausgaben oder Vollzugsaufwand. Der vorliegende Gesetzentwurf ermöglicht den Ländern nur, durch Landesrecht die Struktur der Landgerichte zu verändern. Haushaltsausgaben bzw. Vollzugsaufwand entstehen ggf. durch Landesrecht.

E. Sonstige Kosten

Der Wirtschaft und den sozialen Sicherungssystemen entstehen keine Kosten. Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Gesetzesantrag des Landes Berlin
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen der Landgerichte

Der Regierende Bürgermeister von Berlin
Berlin, 7. Juli 2015

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat von Berlin hat in seiner Sitzung am 7. Juli 2015 beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen der Landgerichte zuzuleiten.

Ich bitte Sie, den Antrag gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller

Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen der Landgerichte

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975(BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch (BGBl. I S.) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 60 wird wie folgt gefasst:

§ 60

2. § 71 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der Kammern für Bau- und Architektensachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind."

3. § 72 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

"Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der Kammern für Bau- und Architektensachen, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeiten der Oberlandesgerichte begründet ist."

4. Dem § 95 wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) Bau- und Architektensachen im Sinne des § 114c sind keine Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes."

5. Nach § 114 wird folgender Titel eingefügt:

"7a. Titel

Kammern für Bau- und Architektensachen

§ 114a

§ 114b

Ist bei einem Landgericht eine Kammer für Bau- und Architektensachen gebildet, so tritt für Bau- und Architektensachen diese Kammer an die Stelle der Zivilkammern und der Kammern für Handelssachen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

§ 114c

Bau- und Architektensachen im Sinne dieses Gesetzes sind die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Anspruch geltend gemacht wird

§ 114d

§ 114e

§ 114f

Die Beschlüsse über die Verweisung nach den §§ 114d und 114e sind nicht anfechtbar.

Erfolgt die Verweisung an eine andere Kammer, so ist diese Entscheidung für die Kammer, an die der Rechtsstreit verwiesen wird, bindend.

§ 114g

§ 114h

§ 114i

Die §§ 107, 109 Absatz 3, §§ 112 und 113 gelten entsprechend.

§ 141j

Soweit die Kammer für Bau- und Architektensachen über eine ausreichende eigene Sachkunde verfügt, ist die Einholung eines Gutachtens nicht erforderlich."

6. In § 140a Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 Satz 1 sowie Absatz 5 werden jeweils nach dem Wort "eingerichtet" die Wörter "oder für Strafsachen zuständig" eingefügt.

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch (BGBl. I S.) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 349 wie folgt gefasst:

§ 1 349 Vorsitzender der Kammer für Handelssachen und Vorsitzender der Kammer für Bau- und Architektensachen"

2. § 349 wird wie folgt geändert:

3. In § 350 werden nach dem Wort "Handelssachen" die Wörter "und des Vorsitzenden der Kammer für Bau- und Architektensachen" eingefügt.

Artikel 3
Änderung der Strafprozessordnung

In § 354 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch ... (BGBl. I) geändert worden ist, werden nach dem Wort "anderes" die Wörter "für Strafsachen zuständiges" eingefügt.

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Der Gesetzentwurf dient der Modernisierung der Struktur der Landgerichte durch die Sicherstellung einer weitgehenden Zuständigkeitskonzentration auch bei den Landgerichten und die Einräumung der Befugnis zur Schaffung von Spezialkammern und von Kammern für Bau- und Architektensachen für die Landesregierungen.

Durch das Erste Gesetz zur Bereinigung von Rechtsvorschriften im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19. April 2006 wurde § 13a GVG in das Gerichtsverfassungsgesetz eingefügt. Nach § 13a GVG können durch Landesrecht einem Gericht für die Bezirke mehrerer Gerichte Sachen aller Art ganz oder teilweise zugewiesen werden. Im Bereich der Landgerichte wurde das Verhältnis zu § 60 GVG im Gesetz nicht geklärt. Während der Wortlaut des § 13a GVG auch eine Übertragung sämtlicher Zivil- bzw. Strafsachen auf ein anderes Landgericht zuzulassen scheint, fordert § 60 GVG, dass bei jedem Landgericht wenigstens eine Zivilkammer und eine Strafkammer eingerichtet sein muss (siehe etwa Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 7. Aufl., § 60 Rn. 1 und 2). Die Unsicherheit über das Verhältnis von § 13a GVG und § 60 GVG kann im Einzelfall sinnvolle Strukturreformen bei den Landgerichten verhindern.

Ausgehend von den Beschlüssen des 70. Deutschen Juristentages sieht der Gesetzentwurf daneben umfangreiche Befugnisse der Landesregierungen zur Einrichtung von Spezialkammern bei den Landgerichten vor. Den Landesregierungen wird die Befugnis eingeräumt, durch Rechtsverordnung Spezialkammern bei den Landgerichten einzuführen. Den Landesregierungen wird dabei ein weitgehender Beurteilungsspielraum eingeräumt, in welchen Fachgebieten die Einrichtung von Spezialkammern erfolgen soll. Die Landesregierungen können so flexibel auf die regionalen Wirtschafts- und Justizstrukturen reagieren und entsprechende Schwerpunkte setzen. Zudem räumt der Gesetzentwurf den Landesregierungen die Befugnis ein, mit ehrenamtlichen Richtern besetzte Kammern für Bau- und Architektensachen einzurichten. Grundsätzlich ist die Kammer für Bau- und Architektensachen auch zuständig, wenn ein Verbraucher am Rechtsstreit beteiligt ist. Dem Verbraucher wird allerdings ein Widerspruchsrecht eingeräumt, ebenso wie Unternehmern, deren gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit nicht zu einem erheblichen Teil im Bereich des Bauwesens liegt.

II. Gesetzgebungskompetenz des Bundes; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich für die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozessordnung und der Strafprozessordnung aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes.

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

III. Auswirkungen

Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sind nicht zu erwarten.

Der vorliegende Gesetzentwurf ermöglicht den Ländern nur, durch Landesrecht die Struktur der Landgerichte zu verändern. Haushaltsausgaben bzw. Vollzugsaufwand entstehen ggf. durch Landesrecht.

Der Wirtschaft und den sozialen Sicherungssystemen entstehen keine Kosten. Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Für Unternehmen, Bürger sowie die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1:

§ 60

Absatz 1 GVG-E stellt klar, dass § 60 GVG einer vollständigen Übertragung der Zivil- bzw. Strafsachen eines Landesgerichts auf ein anderes Landgericht nicht entgegensteht. Bei der Einführung des § 13a GVG wurden verschiedene Folgeprobleme nicht behandelt. So wurden beispielsweise spezielle Konzentrationsermächtigungen nicht angepasst, sondern blieben neben § 13a GVG bestehen (dazu beispielsweise Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 7. Aufl., § 13a GVG Rn. 4). Bereits aus der Gesetzgebungsgeschichte zu § 13a GVG (BT-Drucks. 016/47 , S. 49), ergeben sich keine Bedenken gegen die vollständige Übertragung von Zivil- oder Strafsachen auf ein Gericht. Voraussetzungen für eine Zuständigkeitskonzentration enthält § 13a GVG nicht (Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, § 13a Rn. 2). Grenzen für den Landesgesetzgeber sind zum einen das Gebot des gesetzlichen Richters (Zöller/Lückemann, Zivilprozessordnung, § 13a GVG Rn. 1) und das Willkürverbot (BayVerfGH NJW 2005, 3699, 3704 ff.; Löwe/Rosenberg/Böttcher, Strafprozessordnung, § 13a GVG Rn. 1). Ferner werden als Grenzen für gerichtsorganisatorische Maßnahmen des Gesetzgebers der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BayVerfGH NJW 2005, 3699, 3703) und die Justizgewährungspflicht (BayVerfGH NJW 2005, 3699, 3704) angeführt. Die Neuregelung stellt auch im Text des § 60 GVG klar, dass die Kammerstruktur der Landgerichte einer Übertragung auch aller Zivil- bzw. Strafsachen auf ein anderes Landgericht nicht entgegensteht. Die vollständige Übertragung von Zivil- oder Strafsachen hat in gerichtsorganisatorischer Hinsicht verschiedene Vorteile: So müssen beispielsweise aufwändige sicherheitstechnische Einrichtungen nicht an allen Landgerichten vorgehalten werden. Zudem wird die Bildung von Spezialkammern deutlich erleichtert. Bei großen Landgerichten kann eine Aufteilung in ein strafrechtliches und ein zivilrechtliches Landgericht organisatorisch sinnvoll sein.

§ 60

Absatz 2 Satz 1 GVG-E ermöglicht den Landesregierungen die Einrichtung von Spezialkammern durch Rechtsverordnung. Bei vielen Landgerichten bestehen Spezialkammern beispielsweise für Bau- und Architektensachen, Banksachen, Mietsachen oder Verkehrssachen. Die Neuregelung des Absatzes 2 ermöglicht den Landesregierungen unter Berücksichtigung der regionalen Wirtschafts- und Justizstrukturen Spezialkammern einzurichten. Entsprechend der bisherigen Regelung des § 93 GVG muss die Rechtsverordnung auch die Zahl der einzurichtenden Spezialkammern enthalten (Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 7. Aufl., § 93 Rn. 6). Die zu erlassenden Rechtsverordnungen müssen dabei eine Beschreibung des jeweiligen Sachgebiets enthalten. Die Befugnis zur Einrichtung der Spezialkammern kann auf die Landesjustizverwaltungen übertragen werden. Im Gegensatz zu den Kammern für Handelssachen und den Kammern für Bau- und Architektensachen sind die Spezialkammern mit drei Berufsrichtern einschließlich der oder des Vorsitzenden besetzt.

§ 1 60

Absatz 2 Satz 2 GVG-E ermöglicht die Übertragung der Befugnis auf die Landesjustizverwaltungen. Eine Übertragung auf die Landesjustizverwaltungen ist insbesondere in Hinblick auf die Festlegung der Zahl der einzurichtenden Spezialkammern sinnvoll.

Zu Nummer 2:

§ 70 Absatz 1 GVG-E verdeutlicht, dass die Kammern für Bau- und Handelssachen gleichwertige Spruchkörper neben den Zivilkammern und den Kammern für Handelssachen sind.

Zu Nummer 3:

§ 71 Absatz 1 GVG-E stellt klar, dass die Kammern für Bau- und Architektensachen auch in Berufungs- und Beschwerdesachen zuständig sind.

Zu Nummer 4:

Die Kammern für Handelssachen haben bisher aufgrund der Regelung des § 95 Absatz 1 Nummer 1 GVG regelmäßig Bau- und Architektensachen bearbeitet. Diese Zuständigkeit wird häufig kritisiert (siehe Callies, Gutachten zum 70. Deutschen Juristentag, A 96).

§ 95 Absatz 3 GVG-E regelt nun den Vorrang der Kammern für Bau- und Handelssachen gegenüber den Kammern für Handelssachen. Die Parteien haben in Bau- und Architektensachen die Wahl zwischen den Zivilkammern und den Kammern für Bau- und Architektensachen. Eine Anrufung der Kammern für Handelssachen ist nach dem Gesetzentwurf in Bau- und Architektensachen nicht mehr möglich.

Zu Nummer 5:

§ 114a

§ 114a GVG-E regelt die Einführung von Kammern für Bau- und Architektensachen. Die Regelung orientiert sich an § 93 GVG. Die Kammern für Bau- und Architektensachen bestehen nicht kraft Gesetzes. Sie werden vielmehr konstitutiv durch Landesverordnungen eingerichtet. Der Verordnungsgeber entscheidet, ob ein Bedürfnis für die Einrichtung von Kammern für Bau- und Architektensachen besteht. Der Verordnungsgeber muss dabei auch die Anzahl der einzurichtenden Kammern für Bau- und Architektensachen bestimmen (siehe zu den Kammern für Handelssachen Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 7. Aufl., § 93 Rn. 6). Regelmäßig haben die Kammern für Bau- und Architektensachen ihren Sitz am Sitz des Landgerichts. Aufgrund des Erfordernisses der örtlichen Nähe zu den Bauwerken kann aber bei flächenmäßig großen Landgerichtsbezirken das Bedürfnis bestehen, dass die Kammern für Bau- und Architektensachen an einem anderen Ort innerhalb des Landgerichtsbezirks ihren Sitz nehmen.

§ 114b

§ 114b GVG-E übernimmt die Regelung des § 94 GVG auch für die Kammern für Bau- und Architektensachen. Die Kammern für Bau- und Architektensachen sind Teil der Landgerichte. Die Zivilkammern, die Kammern für Handelssachen und die Kammern für Bau- und Architektensachen sind gleichwertige Kammern.

§ 114c

§ 114c GVG-E definiert den Begriff der Bausachen. Maßgeblich ist nicht die formale Stellung der Parteien, sondern die inhaltliche Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs. Unerheblich ist auch die jeweilige Verfahrensart. Die Kammern für Bau- und Architektensachen sind daher auch im selbstständigen Beweisverfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuständig.

§ 114d

§ 114d Absatz 1 GVG-E regelt die Zuständigkeit der Bau- und Architektenkammern. Für Bau- und Architektensachen sind die Kammern für Bau- und Architektensachen nur auf Antrag einer der Parteien zuständig.

Zu einer Verweisung von Amts wegen ist das Gericht nicht befugt. Das Gericht prüft, ob eine Bau- oder Architektensache vorliegt. Ist dies nicht der Fall, ist der Antrag selbst im Fall der Zustimmung der gegnerischen Partei zurückzuweisen. Der Antrag kann im ersten Rechtszug nur bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens gestellt werden. Der Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, bei dem der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Antragstellung anhängig ist. Ist der Rechtsstreit bereits bei einer Zivilkammer anhängig, verweist diese den Rechtsstreit an die Kammer für Bau- und Architektensachen.

Die Kammern für Bau- und Architektensachen sind nach § 72 GVG-E auch im zweiten Rechtszug zuständig.

§ 114d

Absatz 2 GVG-E regelt beschränkt auch hier den Zeitpunkt, bis zu dem der Antrag gestellt werden kann. Der Antrag kann insoweit aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung nur innerhalb der Berufungs- oder Beschwerdefrist gestellt werden.

Nach § 114d Absatz 3 GVG-E steht einem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ein Widerspruchsrecht zu. Der Verbraucher soll den Rechtsstreit nicht vor einem Gericht führen müssen, das ggf. überwiegend aus Vertretern des gegnerischen Berufsstandes besteht. Dies könnte das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz erschüttern und die Akzeptanz eines für den Verbraucher ungünstigen Urteils erschweren. Der Verbraucher muss den Widerspruch binnen zwei Wochen nach Zustellung eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises erklären. Die Regelung wurde auch für Unternehmer, die nicht zu einem erheblichen Teil im Bauwesen sind, übernommen, da sich diese in einer dem Verbraucher vergleichbaren Situation befinden.

§ 114e

Nach § 114e Absatz 1 GVG-E ist der Rechtsstreit, wenn es sich nicht um eine Bau- oder Architektensache handelt, von Amts wegen an die Zivilkammer oder Kammer für Handelssachen zu verweisen. Anders als bei der Kammer für Handelssachen bedarf es eines Antrages der Parteien nicht. Die Verweisung erfolgt von Amts wegen nach Anhörung der Parteien. Werden mehrere Ansprüche, die nicht bloße Nebenforderungen sind, geltend gemacht, ist der Rechtsstreit, soweit es sich nicht um eine Bau- oder Architektensache handelt, abzutrennen und an die Zivilkammer zu verweisen. Die Vorschrift gilt auch im zweiten Rechtszug.

§ 114e

Absatz 2 GVG-E enthält Regelungen für die Klageerweiterung, die Aufrechnung und die Widerklage. Soweit dem Rechtsstreit eine Bau- oder Architektensache zugrunde liegt, bleibt die Kammer für Bau- und Architektensachen zuständig. Gehören die der Klageerweiterung, der Aufrechnung oder der Widerklage zugrunde liegenden Ansprüche nicht vor die Kammer für Bau- und Architektensachen, wird der Rechtsstreit auf Antrag insoweit abgetrennt und nach Anhörung der Parteien an die Zivilkammer oder die Kammer für Handelssachen verwiesen. Unzulässig ist hingegen eine vollständige Verweisung an die Zivilkammer. Wird in einem Rechtsstreit vor der Zivilkammer im Wege der Klageerweiterung, Aufrechnung oder Widerklage ein die Zuständigkeit der Kammer für Bau- und Architektensachen gehörender Anspruch geltend gemacht, gilt Entsprechendes. Die Regelung gilt auch im zweiten Rechtszug.

§ 114f

Nach § 114f GVG-E sind die Beschlüsse über die Verweisung von und an die Kammer für Bau- und Architektensachen im Interesse einer frühzeitigen Klärung der geschäftsverteilungsplanmäßigen Zuständigkeit und damit einer prozessökonomischen Erledigung des Rechtsstreits nicht anfechtbar. Die Regelung entspricht § 102 GVG. Gegen sie bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, § 102 Rn. 1).

§ 114g

Absatz 1 GVG-E regelt die Besetzung der Kammern für Bau- und Architektensachen. Entsprechend den Kammern für Handelssachen sind die Kammern für Bau- und Architektensachen nach § 114g Absatz 1 GVG-E grundsätzlich mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen beisitzenden Richtern besetzt. Für den Vorsitzenden gelten die §§ 21f und 27 DRiG. Den Vorsitz einer Kammer für Bau- und Architektensachen kann nur ein auf Lebenszeit ernannter Vorsitzender Richter übernehmen. Die Auswahl obliegt dem Präsidium des Landgerichts. Die beisitzenden Richter sind ehrenamtlich tätig und tragen nach § 45a DRiG die Bezeichnung "ehrenamtliche Richter". Für die Kammern für Bau- und Architektensachen gilt das Kollegialprinzip. Grundsätzlich entscheidet die Kammer für Bausachen mit drei Richtern, soweit nicht der Vorsitzende nach den Prozessgesetzen an die Stelle der Kammer tritt.

Absatz 2 GVG-E stellt klar, dass die ehrenamtlichen Richter gleichberechtigte und gleichwertige Mitglieder der Kammer für Bau- und Architektensachen sind. Sie haben das Stimmrecht wie der Vorsitzende.

§ 114h

Nach § 114h GVG-E werden die ehrenamtlichen Richter auf gutachterlichen Vorschlag der Handwerkskammern, der Industrie- und Handelskammern und der Berufskammern der im Bauwesen tätigen Berufe ernannt. Letztere sind regelmäßig die Handwerks- und Architektenkammern. Die Organisation der berufsständischen Körperschaften der im Bauwesen tätigen beratenden Ingenieure ist aufgrund der förderalen Struktur in den Ländern unterschiedlich. Während in einigen Bundesländern (Berlin, NRW) spezialisierte Baukammern bestehen, sind in anderen Ländern die beratenden Ingenieure des Bauwesens in den allgemeinen Ingenieurkammern integriert. Zwecks Schaffung von Rechtssicherheit müssen daher die Landesregierungen die vorschlagsberechtigten berufsständischen Körperschaften durch Rechtsverordnung festlegen. Diese Befugnis können die Landesregierungen auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

Der Vorgeschlagene muss mit dem Vorschlag einverstanden sein, eine Pflicht zur Übernahme des Amtes eines ehrenamtlichen Richters besteht im Gegensatz zum Schöffenamt nicht. Die Auswahl der ehrenamtlichen Richter und ihre Zuweisung zu bestimmten Kammern ist Aufgabe des Präsidiums des Landgerichts.

Voraussetzung für eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter in einer Kammer für Bau- und Architektensachen ist eine mindestens zehnjährige Tätigkeit in leitender Funktion im Bauwesen. Aufgrund der Vielgestalt der möglichen Tätigkeiten, die von der Geschäftsführung eines Bauunternehmens über die Leitung einer Baustelle bis hin zur selbstständigen Tätigkeit als Bauhandwerker oder Ingenieur reicht, ist eine konkretere gesetzliche Definition nicht möglich.

§ 114i

§ 114i GVG-E enthält eine Verweisung auf die Vorschriften zur Kammer für Handelssachen, die auch auf die Kammern für Bau- und Architektensachen anwendbar sind.

§ 114j

§ 114j GVG-E ist eine verfahrensrechtliche Regelung zum Sachverständigenbeweis. Entsprechend der Regelung des § 114 GVG ist auch sie im GVG angesiedelt worden. Die Regelung nimmt den allgemeinen Grundsatz auf, dass die Kammer für Bau- und Architektensachen keinen Sachverständigenbeweis erheben muss, wenn sie selbst über eine ausreichende Sachkunde verfügt. Die Aufnahme in das GVG folgt nur zur Klarstellung und soll den wesentlichen Grund für die Einführung der Kammer für Bau- und Architektensachen herausstellen.

Zu Nummer 6:

§ 140a

Absätze 3 bis 5 GVG-E enthält eine klarstellende Folgeregelung zu § 60 GVG-E.

Zu Artikel 2

Zu Nummer 1:

Die Vorschrift sieht die Anpassung des Inhaltsverzeichnisses an die neue Überschrift des § 349 ZPO vor.

Zu Nummer 2:

§ 349 Absatz 1 ZPO-E sieht die Übertragung der Regelungen der kammerinternen Geschäftsverteilung der Kammer für Handelssachen auch auf die Kammer für Bau- und Architektensachen vor. Der Vorsitzende der Kammer für Bau- und Architektensachen fördert den Rechtsstreit grundsätzlich so weit, dass er in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden kann. Dabei kann der Vorsitzende Beweise regelmäßig nur nach Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter erheben. Sinn der Einrichtung von Bau- und Architektenkammern ist die frühzeitige Einbeziehung des Sachverstandes der ehrenamtlichen Richter in die Prozessführung. Dieser Sachverstand ist im Interesse einer prozessökonomischen Prozessführung nicht erst in einer mündlichen Verhandlung, sondern bereits bei der Entscheidung über eine vorbereitende Beweisaufnahme einzubeziehen. Zudem würde ohne eine entsprechende Einbeziehung der Zweck des § 114 GVG unterlaufen.

Zu Nummer 3:

§ 350 ZPO-E überträgt die Regelung zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen auf die Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Bau- und Architektensachen. Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Bau- und Architektensachen sind Entscheidungen des erkennenden Gerichts und als solche nach den allgemeinen Regeln anfechtbar.

Zu Artikel 3

§ 354 Absatz 2 StPO-E enthält eine Folgeänderung bei vollständiger Zuweisung aller Strafsachen eines Landes an ein Gericht. Soweit Strafsachen in einem Land einem Gericht vollständig zugewiesen sind, ist eine Zurückverweisung an ein anderes Gericht nicht zulässig. Dies entspricht dem Grundgedanken der Konzentration von Strafsachen.

Zu Artikel 4

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.