A. Problem
- Trotz der seit dem Jahr 1995 bestehenden "ZKA-Empfehlung zum Girokonto für Jedermann" des Zentralen Kreditausschusses, in dem die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft zusammengeschlossen sind, verfügt in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor eine große Anzahl von Menschen nicht über ein Girokonto, obwohl sie dies wünschen und zur Teilnahme am wirtschaftlichen Leben brauchen. Verlässliche Zahlen über die Anzahl kontoloser Bürgerinnen und Bürger liegen nicht vor, nach Schätzungen sind es bundesweit rund 500.000 Menschen.
- Ohne ein Girokonto ist die Teilnahme am Wirtschaftsleben heutzutage kaum noch denkbar. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist häufig gefährdet, wenn die Lohnzahlung nicht bargeldlos erfolgen kann, Sozialleistungen werden nur unter Einschränkungen bar ausgezahlt, und Vermietende erwarten die Mietzahlungen per Dauerauftrag. Auch machen die zunehmende Einschränkung des persönlichen Services bei den Bankdienstleistungen und die vermehrte Schließung von Bankfilialen die Notwendigkeit einer Kontokarte immer dringender.
- Aus dem Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der ZKA-Empfehlung vom 14.07.2006 (BT-Drs. 016/2265) geht deutlich hervor, dass die Empfehlung nicht die von der Kreditwirtschaft versprochene Wirkung erzielt hat. Darauf deute auch der hohe Prozentsatz von Schiedssprüchen hin, mit denen dem betroffenen Institut angeraten werde, ein solches Konto zu eröffnen und damit die ursprüngliche Ablehnung zu revidieren. Die Möglichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme einer Schlichtungsstelle ist den Betroffenen im Berichtszeitraum weitgehend unbekannt geblieben. Kommt es trotzdem zu einem Schlichtungsverfahren, sind die Schlichtungssprüche für die einzelnen Kreditinstitute nicht verbindlich. Das Verfahren stellt sich als intransparent und nicht verbraucherorientiert dar.
- Insbesondere die Veröffentlichungspraxis von Schlichtungssprüchen ist unzureichend. Wird schließlich ein Konto eingerichtet, entstehen der Kundin / dem Kunden vielfach erhöhte Kosten.
- Das Grundproblem der bestehenden Regelung ist die fehlende rechtliche Verbindlichkeit. Es besteht für den Einzelnen / für die Einzelne kein individuelles, einklagbares Recht auf Abschluss eines Girovertrages. Dass die ZKA-Empfehlung keinen solchen Rechtsanspruch vermittelt, ist durch die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 22.12.2005 (Gesch.-Nr. 2 U 67 / 05) deutlich geworden.
- Im Bericht der Bundesregierung von 2006 wurden zwei wesentliche Forderungen zur Verbesserung der Situation aufgestellt:
- 1. Änderungen im Kontopfändungsrecht.
Hierzu hat die Bundesregierung am 28. September 2007 einen Gesetzesentwurf eingebracht, der die Einführung eines sog. Pfändungsschutzkontos vorsieht. Damit soll erreicht werden, dass ein für die private Lebensführung unerlässliches Konto nicht durch Pfändungen blockiert werden kann. Außerdem soll der Aufwand, den eine Bank mit einem Kunden hat, dessen Guthaben gepfändet werden, verringert werden. Hierdurch soll die Zahl der Konto-Kündigungen vermindert werden.
- 2. Begründung einer echten Selbstverpflichtung.
Die Kreditwirtschaft sollte die bisherige ZKA-Empfehlung durch eine rechtlich bindende Selbst-Verpflichtung einschließlich Verbindlichkeit der Schiedssprüche ersetzen. Dies ist bislang nicht erfolgt.
- 1. Änderungen im Kontopfändungsrecht.
B. Lösung
- Der Entwurf sieht eine neue Vorschrift im Kreditwesengesetz vor, durch die die Kreditinstitute verpflichtet werden, natürlichen, geschäftsfähigen Personen ohne Konto auf Antrag den Abschluss eines Giro-Vertrages anzubieten. Lediglich in konkret beschriebenen Ausnahmefällen besteht kein Rechtsanspruch auf ein Girokonto.
- Durch die vorgesehene Regelung erfolgt ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Vertragsabschlussfreiheit der Banken nur in dem Umfang, der erforderlich ist, um sicherzustellen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die Möglichkeit erhält, zu den üblichen Kosten Zahlungen über ein eigenes Girokonto abzuwickeln. Durch die Verortung der Vorschrift im Kreditwesenrecht ist es möglich die tatsächliche Praxis mit dem Instrument der Bankenaufsicht zu begleiten. Daneben besteht die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Anspruch auf Eröffnung und Führung eines Girokontos individuell einzuklagen. Macht die Bank geltend, dass einer der Ausschlussgründe einschlägig ist, muss sie dies gegebenenfalls vor dem Zivilgericht nachweisen. Die Einrichtung eines freiwilligen Schiedsverfahrens bleibt den Banken unbenommen.
- Der Gesetzesentwurf ist eine inhaltliche Ergänzung zum Pfändungsschutzkonto. Nach der von der Bundesregierung beabsichtigten Regelung wird der Anspruch geschaffen, ein bestehendes Konto künftig als Pfändungsschutzkonto zu führen. Dies betrifft dann auch Konten, die erst aufgrund dieses Gesetzentwurfs eingerichtet worden sind.
C. Alternativen
- Keine.
D. Kosten
- Bund, Länder und Gemeinden werden durch dieses Gesetz nicht mit Kosten belastet. Zusätzliche Kosten der Kreditinstitute, die nicht durch zusätzliche Entgelte gedeckt werden, sind der Höhe nach unbekannt.
E. Geschlechtsspezifische Auswirkungen
- Die vorgesehene Regelung ist geschlechtsneutral formuliert. Zahlen, aus denen sich eine unterschiedliche Problembetroffenheit der Geschlechter ergibt, liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass Männer und Frauen in unterschiedlichem Maße von der Regelung betroffen sind.
Gesetzesantrag der Freien Hansestadt Bremen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen
Der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen Bremen, den 3. September 2008
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat in seiner Sitzung am 2. September 2008 beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen
zu übermitteln mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 847. Sitzung am 19.09.2008 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Böhrnsen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Nach § 22p des Kreditwesengesetzes in der Neufassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3089) geändert worden ist, wird folgender § 22q eingefügt:
§ 22q Rechtsanspruch auf Führung eines Girokontos
- (1) Kreditinstitute, die Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 9 betreiben, sind verpflichtet, jeder natürlichen Person ohne Girokonto auf Antrag die Führung eines Girokontos als Guthabenkonto anzubieten. Mit dem Antrag ist zu versichern, dass ein Girokonto nicht besteht.
- (2) Eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht nicht, wenn dem Kreditinstitut die Führung eines Girokontos unzumutbar ist, insbesondere weil die Person
- 1. Leistungen des Kreditinstituts für gesetzwidrige Vorhaben missbraucht oder missbraucht hat,
- 2. für das Vertragsverhältnis wesentliche Angaben falsch oder nicht macht oder gemacht hat,
- 3. Mitarbeiter oder Kunden des Kreditinstituts grob belästigt oder gefährdet oder dies getan hat,
- 4. das Konto nicht zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr nutzt und auf absehbare Zeit nicht nutzen wird oder
- 5. nicht sicherstellt, dass das Kreditinstitut die für die Kontoführung und -nutzung vereinbarten oder üblichen Entgelte erhält.
- (3) Das Kreditinstitut darf für die Einrichtung und Führung des Girokontos und damit verbundene Dienstleistungen Entgelte höchstens in der Höhe verlangen, die es üblicherweise mit Kunden für solche Dienstleistungen vereinbart..
Artikel 2
- Dieses Gesetz tritt am 1. XXX 2008 in Kraft.
Begründung
Zu Artikel 1
Trotz der seit dem Jahr 1995 bestehenden "ZKA-Empfehlung zum Girokonto für Jedermann" des Zentralen Kreditausschusses verfügt in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor eine große Anzahl von Menschen nicht über ein Girokonto, obwohl sie dies wünschen und zur Teilnahme am wirtschaftlichen Leben brauchen.
Nach der Rechtsprechung (Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urt. v. 22.12.2005, Gesch.-Nr. 2 U 67 / 05) ist die bisherige freiwillige Selbstverpflichtung nicht geeignet, unmittelbare Drittwirkung in Form eines einklagbaren Anspruchs auf Eröffnung eines Girokontos zu entfalten.
Durch die vorgesehene Regelung erfolgt ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Vertragsabschlussfreiheit der Banken nur in dem Umfang, der erforderlich ist, um sicherzustellen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die Möglichkeit erhält, Zahlungen über ein eigenes Girokonto abzuwickeln und hierfür lediglich das im Geschäftsverkehr bei dem jeweiligen Kreditinstitut übliche Entgelt zu entrichten.
Durch die Verortung der Vorschrift im Kreditwesenrecht ist es möglich, die tatsächliche Praxis mit dem öffentlichrechtlichen Instrument der Bankenaufsicht zu begleiten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen kann gem. § 6 Abs. 3 KWG im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gegenüber den Instituten und ihren Geschäftsleitern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu unterbinden. Ein Standort im BGB in Zusammenhang mit § 676f BGB - Girovertrag - bietet sich demgegenüber weniger an, weil dort im wesentlichen Pflichten aus dem Vertrag geregelt sind. Hier geht es hingegen um den Anspruch auf Abschluss eines Vertrages. Ein solches subjektives Recht ist auch kein Fremdkörper im Kreditwesengesetz; § 22p KWG normiert einen Rechtsanspruch auf den Rücktausch elektronischen Gelds.
Daneben besteht für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Anspruch auf Eröffnung und Führung eines Guthabenkontos individuell vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht einzuklagen. Macht die Bank geltend, dass einer der Ausschlussgründe einschlägig ist, muss sie dies nachweisen. Die Einrichtung eines freiwilligen Schiedsverfahrens bleibt den Banken unbenommen.
Die Ausnahmefälle, in denen kein Rechtsanspruch auf ein Girokonto besteht, orientieren sich an den Unzumutbarkeitskriterien der bisherigen ZKA-Empfehlung.
Durch die Begrenzung der Kontoführungskosten auf das übliche Entgelt wird sichergestellt, dass die Kreditinstitute keine überhöhten Entgelte für guthabenbasierte Girokonten erheben, wodurch sie den Rechtsanspruch faktisch ins Leere laufen lassen könnten.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.