Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS),
der Finanzausschuss (Fz) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat,
zu der Vorlage
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt
Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen der Kommission, Mobilitätshindernisse zu beseitigen, die die Steigerung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte und Unternehmen sowie der Flexibilität der Arbeitsmärkte beeinträchtigen.
- 2. Insbesondere begrüßt er die Zielsetzung des Richtlinienvorschlags, die Mobilität der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der EU zu erleichtern und vorhandene Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität in den Zusatzrentensystemen der Mitgliedstaaten abzubauen.
- 3. Funktions- und tragfähige Alterssicherungssysteme sind ein wesentlicher Bestandteil der Sozialpolitik. Bei der auch im Rahmen der Lissabonner Strategie in den Mitgliedstaaten laufenden Modernisierung der Alterssicherung ist eine demografiefeste Gestaltung unerlässlich und daher auch der Ausbau der Zusatzrentensysteme zu unterstützen. Nach Auffassung des Bundesrates muss der Richtlinienvorschlag neben einer Förderung der Freizügigkeit und des Binnenmarkts auch dem notwendigen Ausbau der Zusatzrentensysteme durch die Mitgliedstaaten Rechnung tragen.
- 4. Der Bundesrat sieht die Regelungen dann kritisch, wenn sie zu Kostensteigerungen für Arbeitgeber bei der Gewährung von Betriebsrenten führen. In diesen Fällen droht die Gefahr, dass sich die Arbeitgeber aus der betrieblichen Altersvorsorge zurückziehen oder die Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge für Arbeitnehmer sinken.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Vorschlag über die in den gewählten Rechtsgrundlagen der Artikel 42 und 94 EGV verankerten gemeinschaftlichen Regelungsbefugnisse hinausgeht. So sieht er insbesondere für die Entstehung, Sicherung und Mitnahme zusätzlicher Rentenansprüche nicht nur bei einem grenzüberschreitenden sondern auch bei innerstaatlichem Arbeitgeberwechsel Mindeststandards vor , was von Artikel 42 EGV nicht gedeckt ist.
- 6. Er beschränkt sich auch nicht auf die für die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für die Mitnahme entstandener Ansprüche. Vielmehr vereinheitlicht er auch Bedingungen für den Erwerb von zusätzlichen Altersvorsorgeanwartschaften und zielt auf eine Harmonisierung von Regelungen, die der Gestaltungshoheit der Mitgliedstaaten unterliegen. Der Bundesrat teilt daher die Zweifel der Bundesregierung an der Reichweite der gemeinschaftlichen Regelungskompetenz und begrüßt die im Rat veranlasste vertiefte rechtliche Prüfung.
- 7. Ungeachtet der fehlenden Regelungskompetenz der EU nimmt der Bundesrat inhaltlich vorsorglich wie folgt Stellung:
- 8. Unter Berücksichtigung der finanziellen Probleme der umlagefinanzierten Zusatzversorgungssysteme sollten diese insgesamt vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine vollständige und umfassende Bereichsausnahme für Direktzusagen der Arbeitgeber und Unterstützungskassen sowie insbesondere auch umlagefinanzierte Zusatzversorgungssysteme hinzuwirken. Die deutschen Besonderheiten bei Direktzusagen der Arbeitgeber, bei Unterstützungskassen sowie bei umlagefinanzierten Zusatzversorgungssystemen müssen noch stärker als vorgesehen berücksichtigt werden. Es ist darauf zu achten, dass jede Verunsicherung hinsichtlich dieser Systeme vermieden wird. Deshalb sollten die Überprüfungspflicht der Richtlinie nach zehn Jahren im Jahr 2018 sowie die Berichterstattungspflicht gemäß Artikel 10 Abs. 2 entfallen. Auf eine generelle Kapitalisierungspflicht bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers sollte bei Direktzusagen und Unterstützungskassen verzichtet werden, da die dafür gebildeten Rückstellungen in der Regel im Unternehmen gebunden sind.
- 10. Zumindest aber sollte auch hinsichtlich der folgenden Regelungen eine Anpassung erfolgen: Zur Vermeidung immenser Mehrkosten sollte klar geregelt werden, dass originäre Arbeitgeberbeiträge und Umlagen nicht zu erstatten sind. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass eine Erstattung der vom Arbeitnehmer gezahlten Beiträge nicht unmittelbar im Anschluss an die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfolgen muss und nur auf Antrag erfolgen darf. Aus wirtschaftlichen Gründen und aus Gründen der Rechtssicherheit sollte ein zeitlicher Rahmen gesetzt werden, innerhalb dessen eine Beitragserstattung beantragt werden kann.
- 11. Der Bundesrat stellt fest, dass zwar mit einer weiteren Reduzierung der Unverfallbarkeitsfristen und Reduzierung der Altersgrenze den zunehmend unsteten Erwerbsverläufen Rechnung getragen werden könnte. Die Herabsetzung der Altersgrenze wäre vor allem für junge Mütter von Bedeutung.
- 12. Die Kürzung der Wartezeit von fünf auf zwei Jahre bis zur Unverfallbarkeit der Versorgungszusagen ist aus Gründen der wirtschaftlichen Kalkulierbarkeit abzulehnen.(bei Annahme entfällt Ziffer 13)
- 13. Der Bundesrat sieht insbesondere die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist von fünf auf zwei Jahre gemäß Artikel 4 Buchstabe d kritisch.
- 14. Damit könnten nach Schätzungen Mehrkosten in Höhe von bis zu 20 % der bisherigen Kosten entstehen. Dieses wäre kontraproduktiv für das System der betrieblichen Altersvorsorge.
- 15. Es besteht die Gefahr, dass sich die Arbeitgeber aus der betrieblichen Altersversorgung zurückziehen oder die Ansprüche der Arbeitnehmer aus der betrieblichen Altersvorsorge für Arbeitnehmer sinken.
- 16. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit, insgesamt eine Regelung zu finden, die sowohl den Interessen der Unternehmen in Bezug auf Mitarbeiterbindung als auch der Mitarbeiter in Bezug auf Flexibilität und Portabilität erworbener Ansprüche gerecht wird. Vor diesem Hintergrund wird eine Unverfallbarkeitsfrist von fünf Jahren als angemessen angesehen.
- 17. Der Bundesrat sieht ferner die Notwendigkeit, Artikel 5 Abs. 1 zu präzisieren,
- 18. und zwar dahingehend, dass eine antizipierte Anwartschaftsdynamik den Anforderungen an eine faire Anpassung im Sinne des Richtlinienvorschlags genügt. In der betrieblichen Altersversorgung des öffentlichen Dienstes werden keine reinen Beitragszusagen, sondern vielmehr Leistungszusagen erteilt, die bereits eine Dynamisierung um rund 4 % enthalten.
- 19. Die Formulierung des Richtlinienvorschlags bezüglich einer "fairen Anpassung ruhender Ansprüche zugunsten ausgeschiedener Arbeitnehmer" bleibt zu unkonkret. Sollte sich hinter dieser Formulierung der Gedanke der Dynamisierung verbergen, wird dies auf Grund der Kostenfolgen ebenfalls kritisch gesehen. Kostenschätzungen zeigen, dass damit Kostensteigerungen von bis zu 30 % der bisherigen Kosten einhergehen können. Dieses wäre ebenfalls kontraproduktiv für das System der betrieblichen Altersvorsorge.
- 20. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung im Weiteren, dafür Sorge zu tragen, dass das Dynamisierungsgebot überprüft wird, nach dem der Werterhalt von Anwartschaften von aus dem System ausgeschiedenen Arbeitnehmern dadurch sicherzustellen ist, dass die ruhenden Ansprüche an die allgemeine Entwicklung angepasst werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass dies keine für Arbeitgeber unkalkulierbaren Kosten nach sich zieht und so letztendlich zu einem Rückzug der Arbeitgeber aus der freiwillig finanzierten Altersvorsorge führt.
- 21. Es ist erforderlich, umlagefinanzierte Rentensysteme mangels vorhandenen Kapitals von den Regelungen zur Übertragung mit Barwertausgleich auszunehmen; die Entscheidung hierüber sollte dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleiben und nicht zusätzlich vom Vorliegen spezieller Bedingungen abhängig gemacht werden. Diese Ausnahme des Anwendungsbereichs steht im Einklang mit der Richtlinie Nr. 2003/41 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeit und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Unabhängig davon sollte ein eventueller Mitnahmeanspruch nur Neuzusagen erfassen.
- 22. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass in der Richtlinie klargestellt wird, dass der Mitnahmeanspruch nur Neuzusagen erfasst. Sinnvoll ist ferner eine Betragsobergrenze. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Ausschlussfrist auf zwölf Monate festgelegt werden.
- 23. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Rahmen der weiteren Verhandlungen dafür Sorge zu tragen, dass die Richtlinie insgesamt so ausgestaltet wird, dass sie genügend Spielräume enthält, um für Arbeitgeber zu gewährleisten, dass Betriebsrenten ihre Attraktivität als Instrument der Betriebsbindung nicht verlieren.
- 24. Der Bundesrat fordert darüber hinaus die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen dass der im Richtlinienvorschlag vorgesehene Informationsanspruch des Arbeitnehmers nicht zu einem wesentlich erhöhten Verwaltungsaufwand der Arbeitgeber führt.
- 25. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für eine in sich stimmige Verwendung der Begriffe Rentenansprüche und Rentenanwartschaften einzusetzen(vgl. Artikel 4 Buchstabe a und b, Artikel 5 Abs. 1).