Der Bundesrat hat in seiner 896. Sitzung am 11. Mai 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Beschlüsse auf G20-Ebene, das Schattenbankwesen stärker zu regulieren, und die dazu vom Financial Stability Board (FSB) ergriffenen Arbeiten. Das vorliegende Grünbuch der Kommission sieht er dabei als wichtigen Vorstoß für eine europäische Herangehensweise, um die Regulierung und Aufsicht des Schattenbankwesens in der EU weiter zu verbessern.
- 2. Vor dem Hintergrund des erheblichen Volumens des globalen Schattenbankwesens und der hier bestehenden systemrelevanten Risiken für die Finanzmarktstabilität befürwortet der Bundesrat eine strengere Regulierung und Beaufsichtigung dieses Sektors als weiteren notwendigen Beitrag zur Schaffung dauerhaft funktionierender und zugleich stabiler Finanzmärkte. Darüber hinaus hält der Bundesrat eine stärkere Kontrolle von Schattenbanken und deren Tätigkeiten auch für sinnvoll, um einem Umgehen von bankaufsichtlichen Vorgaben durch eine Verlagerung von Geschäften vom regulierten Bereich in den bislang kaum regulierten Schattenbanksektor und Ansteckungseffekten entgegenzuwirken, die aufgrund der Verknüpfungen zwischen regulärem Bankensystem und Tätigkeiten von Schattenbanken bestehen.
- 3. Der Bundesrat hält einen weit gefassten Anwendungsbereich für Maßnahmen zur stärkeren Regulierung und Beaufsichtigung des Schattenbanksektors für einen zutreffenden Ansatz, da hierdurch möglichen Lücken im Interesse der Finanzmarktstabilität wirksam begegnet werden kann. Allerdings sollte bei künftigen Regulierungsmaßnahmen nach Ansicht des Bundesrates angemessen berücksichtigt werden, dass Schattenbanken und deren Tätigkeiten eine nicht unwesentliche Bedeutung zukommt, etwa als alternative Finanzierungsquelle der Realwirtschaft und Risikostreuung außerhalb des regulären Bankensystems.
- 4. Weiterhin teilt der Bundesrat die Auffassung der Kommission, dass die unterschiedlichen Unternehmen und ihre Tätigkeiten im Schattenbankwesen ermittelt sowie anschließend die jeweiligen systemischen Risiken untersucht und beaufsichtigt werden müssen. Gerade im Hinblick auf mögliche Systemrisiken und die damit verbundenen Ansteckungsgefahren für den Bankensektor und die Finanzmärkte insgesamt unterstützt der Bundesrat die Überlegung der Kommission im Abschnitt 5 des Grünbuchs (Seite 7 Absatz 2 der Vorlage), die Beaufsichtigung von Schattenbanken in den Makroaufsichtsrahmen zu integrieren.
- 5. Für die Ermittlung und Bewertung systemischer Risiken hat die EU den Europäischen Systemrisikorat (ESRB) eingerichtet. Nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 ist es seine Aufgabe, Risikowarnungen herauszugeben, wenn derartige Systemrisiken als erheblich erwartet werden. Der Bundesrat hält den ESRB für die geeignete Einrichtung, um die Informationen der Aufseher und Zentralbanken EU-weit zu bündeln und auszuwerten. Bei ihm sollten insbesondere alle Informationen über Formen von Kreditintermediation zusammenlaufen. Hierdurch kann bei ihm eine Risikoübersicht des Schattenbankwesens in der EU entstehen, die allen Zentralbanken und Aufsehern zugänglich sein sollte. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dahingehend auf EU-Ebene einzusetzen.
- 6. Maßnahmen auf EU-Ebene zur stärkeren Kontrolle des Schattenbanksystems können nur ein Zwischenschritt sein. Ein international abgestimmtes Vorgehen ist auch auf diesem Gebiet erforderlich, um Regulierungsarbitrage und Verlagerungstendenzen der Finanzmarktakteure mit der Gefahr von Wettwerbsnachteilen zulasten der Finanzindustrie und Finanzplätze in der EU zu vermeiden. Der Bundesrat begrüßt es daher ausdrücklich, dass sich die Kommission auch weiterhin an den laufenden Arbeiten auf internationaler Ebene beteiligen will, um insbesondere Befürchtungen von Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
- 7. Im Interesse eines " Level Playing Field" und zur Vermeidung von Ausweichmöglichkeiten hält es der Bundesrat daher für notwendig, die Arbeiten auf EU-Ebene insgesamt zügig voranzubringen, damit unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten beim FSB eine international abgestimmte Regulierung ins Werk gesetzt werden kann.
- 8. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.