Punkt 46 der 924. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2014
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Die nach dem Lebensversicherungsreformgesetz mögliche Einschränkung der Beteiligung an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren stellt einen weit reichenden Eingriff in die einzelvertraglichen Ansprüche der Versicherten dar. Künftig soll mit einem gesetzlich vorgegebenen Verfahren bestimmt werden, in welchem Umfang die gewährten Garantien aus Lebensversicherungen unter Berücksichtigung der aktuellen Kapitalmarktzinsen nicht ausfinanziert sind (so genannter Sicherungsbedarf). Die Beteiligung an den Bewertungsreserven festverzinslicher Wertpapiere wird auf den Teil der Bewertungsreserven begrenzt, der die ermittelte Finanzierungslücke übersteigt. Da die weitere Zinsentwicklung nicht zuverlässig prognostiziert werden kann, wäre eine flexible Regelung sachgerecht, die es ermöglicht, nach dem Ende der aktuellen Niedrigzinsphase die Versicherungsnehmer wieder wie bisher an den Bewertungsreserven zu beteiligen. Daher bedauert der Bundesrat, dass für die Begrenzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven keine Befristung vorgesehen ist.
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Versicherungsnehmer bei Vertragsende nicht über die Höhe des aufgrund der verminderten Beteiligung an den Bewertungsreserven auf festverzinsliche Anlagen nicht ausgezahlten Betrages zu informieren sind. Im Sinne einer transparenten Information der Versicherungsnehmer wäre es erforderlich, dass auch zur Vorbereitung eines später möglicherweise erfolgenden Nachteilsausgleichs die Höhe der Kürzung im Verhältnis zu der aktuellen Rechtslage mitgeteilt wird.
- 3. In Anbetracht der sehr kurzfristigen Beratungen im Gesetzgebungsverfahren und dem vorgesehenen Inkrafttreten der entsprechenden Regelungen bereits am Tag nach der Verkündung bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich der vielfach nur eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten. Die für Versicherungsnehmer gebotene Einzelfallprüfung und Entscheidung über die Fortführung ihrer Verträge unter Beachtung der Kündigungsfristen ist bei einem Inkrafttreten noch im Juli 2014 nicht zu gewährleisten. Insbesondere Versicherungsnehmer mit Altverträgen, die in Kürze auslaufen, werden durch die Neuregelung benachteiligt und können erhebliche Einbußen erleiden.
- 4. Bei der Berechnung des Sicherungsbedarfs kommt der Definition und der Entwicklung des maßgeblichen Euro-Zinsswapsatzes eine entscheidende Bedeutung zu. Die Berechnung dieses Zinssatzes beruht auf Daten, deren Erhebungsqualität Außenstehende nicht in jedem Fall überprüfen können. Der Bundesrat bedauert daher, dass die Definition dieses Bezugszinses und die Auswirkungen seiner Anwendung nicht regelmäßig evaluiert und im Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank veröffentlicht werden.
- 5. Über die Berechnung des Sicherungsbedarfs werden sowohl die Beteiligung der ausscheidenden Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven als auch die Ausschüttungen an die Aktionäre begrenzt. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die hierfür vorgesehene Regelung bislang nicht den Anforderungen an eine eindeutige und unterschiedliche Auslegungen sicher ausschließende gesetzliche Definition des vorgesehenen Sicherungsbedarfs entspricht. Mit Blick auf die sich aus der Berechnung des Sicherungsbedarfs ergebenden wesentlichen Folgen für Versicherte und Aktionäre gibt der Bundesrat zu bedenken, dass nähere Einzelheiten zur Berechnung erst im Rahmen einer Rechtsverordnung festgelegt werden, deren Erlass an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen werden darf.
- 6. Der Bundesrat befürchtet, dass die geplante Ausschüttungssperre bei Versicherungs-Aktiengesellschaften durch Gewinnabführungsverträge innerhalb von Konzernstrukturen unterlaufen werden kann. Der Bundesrat bittet aus diesem Grund die Bundesregierung, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um diese Regelungslücke zu schließen.
- 7. Das bestehende System der Überschussbeteiligung aus kapitalbildenden Lebensversicherungen ist höchst intransparent. Im vorliegenden Gesetz wird nur die Mindestzuführung für Risikoüberschüsse auf 90 Prozent angehoben, die in die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung fließt. Dagegen werden Versicherte nur zu 50 Prozent am übrigen Ergebnis (Kostenüberschüsse) beteiligt. Der Bundesrat bedauert, dass die Versicherten nicht stärker an den erwirtschafteten Überschüssen beteiligt werden, zumal die Risikogewinne für die Versicherten angesichts niedriger Kapitalmarktzinsen von zunehmender Relevanz sind. Bei diesen Überschüssen handelt es sich letztendlich um insgesamt von den Versicherten aufgebrachte Gelder, die seitens der Versicherer nur aus Gründen der vorsichtigen Kalkulation zurückgehalten werden.