856. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2009
A.
Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zur Eingangsformel, Zu Artikel 2a - neu - (§ 7 Absatz 3 StrEG)
- a) In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.
- b) Nach Artikel 2 ist folgender Artikel 2a einzufügen:
"Artikel 2a
Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen- In § 7 Absatz 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8. März 1971 (BGBl. I S.157), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird die Angabe "elf" durch die Angabe "25" ersetzt."
Begründung
Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) gewährt Personen, bei denen eine rechtskräftige Verurteilung ausbleibt oder nachträglich entfällt, Entschädigungen für die Zeit der Untersuchungshaft oder der Strafhaft. Neben einer konkret nachzuweisenden und zu beziffernden Entschädigung für Vermögensschäden haben die Betroffenen Anspruch auf einen Pauschalbetrag für jeden Tag der Inhaftierung, der der Entschädigung immaterieller Schäden dient.
Die Höhe des Entschädigungsbetrages für die Entschädigung des immateriellen Schadens bei gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung in § 7 Absatz 3 StrEG blieb lange unverändert. Mit dem Gesetz vom 24. Mai 1988 (BGBl. I S. 638) wurde die Entschädigungspauschale für den immateriellen Schaden mit Wirkung zum 1. Januar 1987 von zehn auf 20 Deutsche Mark angehoben. Mit dem Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen u. a. vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3574) wurde eine geringfügige Erhöhung auf elf Euro vorgenommen. Nach nunmehr über 20 Jahren ist der gegenwärtige Entschädigungssatz von elf Euro nicht mehr angemessen.
Nach einer Umfrage des Bundesministeriums der Justiz aus dem Jahr 2002 unterscheiden sich im Gebiet der Europäischen Union die einschlägigen nationalen Regelungen erheblich. In den Staaten, die konkrete Beträge oder Spannbreiten vorsehen, werden überwiegend höhere Entschädigungszahlungen als in Deutschland geleistet, wobei diese Leistungen teilweise auch den materiellen Schaden umfassen. Danach werden beispielsweise in Finnland 100 Euro pro Tag und in den Niederlanden 70 bis 95 Euro pro Tag gezahlt. In den EU-Mitgliedstaaten, die freie Ermessensentscheidungen vorsehen, betragen die Entschädigungen in der Regel in Luxemburg zwischen 25 und 200 Euro pro Tag und in Italien zwischen 15 und 25 Euro pro Tag. Dieser Vergleich unterstützt die Annahme der fehlenden Angemessenheit.
Ein Untersuchungs- oder Strafgefangener, der nicht rechtskräftig verurteilt wird oder dessen Verurteilung nachträglich aufgehoben wird, erbringt während der Zeit der Freiheitsentziehung ein Sonderopfer, zu dessen Entschädigung die Haftpauschale dient. Ungeachtet der Unmöglichkeit, den immateriellen Freiheitswert zu beziffern, muss der Entschädigungssatz wegen der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts geeignet sein, bei billiger Betrachtung einen mehr als symbolischen Ausgleich für die erlittene Freiheitsentziehung zu gewähren. Angesichts der neben der Pauschale zu gewährenden Entschädigung für Vermögensschäden gemäß § 7 Absatz 1 StrEG muss der Entschädigungssatz der Pauschale andererseits auf die Wiedergutmachung immaterieller Schäden begrenzt werden.
In dem Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom 20. November 2008 haben sich diese für eine Anhebung der Entschädigungspauschale für den immateriellen Schaden wegen gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen in § 7 Absatz 3 StrEG von bisher elf auf 25 Euro ausgesprochen. Mit der Einigung auf einen Pauschalsatz von 25 Euro je Hafttag haben die Justizministerinnen und Justizminister eine Höhe gefunden, die dem Entschädigungsgedanken gerecht wird und die Mehrbelastung der Länderhaushalte kalkulierbar macht und begrenzt.
Nach Auskünften der Landesjustizverwaltungen gegenüber dem Bundesministerium der Justiz im Jahr 2008 können für die Länderhaushalte folgende jährliche Mehrbelastungen geschätzt werden:
Bundesland | Mehraufwendungen in Tausend Euro |
---|---|
Baden-Württemberg | 126 |
Bayern | 162,4 |
Berlin | 113,8 |
Brandenburg | 43,4 |
Bremen | 18 |
Hamburg | 58,4 |
Hessen | 100 |
Mecklenburg-Vorpommern | 22,7 |
Niedersachsen | 81,6 |
Nordrhein-Westfalen | 214,1 |
Rheinland-Pfalz | 42,9 |
Saarland | 28 |
Sachsen | 74 |
Sachsen-Anhalt | 36,5 |
Schleswig-Holstein | 29 |
Thüringen | k.A. |
Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes folgt aus Artikel 104a Absatz 4 des Grundgesetzes.
2. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 5 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 JVKostO)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob es sich empfiehlt, die Rahmenbeschlüsse des Rates der Europäischen Union und die völkerrechtlichen Übereinkommen, die einen Verzicht auf Kostenerstattung vorsehen, in § 5 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 JVKostO im Einzelnen zu bezeichnen.
Begründung
Die vorgeschlagene Fassung des § 5 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 JVKostO-E ist wenig praktikabel. Sie belastet die mit der Bearbeitung von Kostensachen befassten Justizbediensteten mit der unter Umständen schwierigen Prüfung, ob im Einzelfall ein Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union oder eine völkerrechtliche Vereinbarung der Erhebung von Kosten entgegensteht. Zur Arbeitserleichterung sollten die zu beachtenden Rahmenbeschlüsse und völkerrechtlichen Vereinbarungen in der Norm genau bezeichnet werden (einschl. Fundstelle). Der damit verbundene Nachteil, dass § 5 Absatz 4 JVKostO in diesem Fall häufiger geändert werden müsste, kann hingenommen werden, zumal die Umsetzung von Rahmenbeschlüssen und völkerrechtlichen Vereinbarungen ohnehin stets Rechtsetzungsbedarf auslösen dürfte.
B.
- 3. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.