903. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2012
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, dem Gesetz gemäß Artikel 105 Absatz 3, Artikel 106 Absatz 5, Artikel 107 Absatz 1 und Artikel 108 Absatz 5 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen.
Begründung:
Die Nachverhandlungen der Bundesregierung mit der Schweiz haben im Vergleich zum ursprünglichen Abkommen zwar partiell zu Verbesserungen geführt. Der Bundesrat hat jedoch erhebliche Zweifel, ob das dem Ratifizierungsgesetz zugrundeliegende Abkommen in der Änderungsfassung vom 5. April 2012 den Anforderungen an eine gerechte und gleichmäßige Besteuerung genügt:
- a) In der Vergangenheit unversteuerte Vermögenswerte sollen entweder pauschal im Wege einer anonymen Einmalzahlung oder individuell durch komplette Offenlegung nachversteuert werden. In beiden Fällen gelten alle deutschen Steueransprüche als erloschen, auf die Strafverfolgung wird verzichtet. Die Mechanik des Abkommens ist folglich geeignet, nicht nur die Straffreiheit, sondern - im Unterschied zu einer Selbstanzeige - auch die Anonymität von Täter und Steuerquelle zu sichern. Dies wiegt umso schwerer, als die pauschale Nachversteuerung in den wenigsten Fällen zu einer effektiven Steuerlast in der Nähe der theoretischen Belastung von 41 Prozent führt. Für die Mehrzahl der Anleger ergibt sich vielmehr auch nach Anpassung des Abkommens eine steuerliche Belastung von weniger als 25 Prozent; häufig greift nur der ohnehin zu niedrige Mindeststeuersatz von 21 Prozent. Tendenziell begünstigt werden diejenigen, die nicht nur Steuern auf Kapitalerträge hinterzogen haben, sondern in nicht rechtsverjährter Zeit weiteres unversteuertes Kapital, etwa in Folge von Schwarzgeldgeschäften oder Erbschaften, angelegt haben. Der hartnäckige Steuerhinterzieher zahlt somit in vielen Fällen weniger, die niedrigen Steuersätze sind nicht geeignet, den Druck für eine freiwillige Offenlegung von Identität und Steuerquelle zu erhöhen.
- b) Im Falle der noch bis 1. Januar 2013 möglichen Kapitalverlagerung in Niedrigsteuerländer würden gegenüber deutschen Behörden nur die zehn wichtigsten Zielstaaten offengelegt. Besteuerungserhebliche Informationen wie Einzelheiten zu den Vermögenswerten und die Identität der Verschwinder sollen nicht mitgeteilt werden. Die Steuerflüchtigen können sich einer Besteuerung somit im Ergebnis unter Wahrung der Anonymität noch bis zum Inkrafttreten des geplanten Abkommens vollständig und risikolos entziehen.
- c) Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist vollkommen ungewiss, welches Steueraufkommen durch die Nachversteuerung erzielt werden könnte. Das Bundesfinanzministerium konstatiert selbst, aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre, die insgesamt das Vertrauen in die Sicherheit vor Entdeckung von Schwarzgeld in der Schweiz verringert haben dürften, sei davon auszugehen, dass eine Reihe von Anlegern ihre Kapitalanlagen bereits in vermeintlich sicherere Anlagestandorte transferiert hätten. Es beziffert das abkommensrelevante unversteuerte Anlagevolumen in der Schweiz, das der Nachversteuerung unterliegen könnte, daher insgesamt mit etwa 50 Milliarden Schweizer Franken. Unter Anwendung des nach dem geplanten Abkommen vorgesehenen Mindeststeuersatzes könne daraus ein Gesamtaufkommen in Höhe von rund 10,5 Milliarden Schweizer Franken generiert werden. Diese Schätzung beruht auf spekulativen Annahmen. Die Erfahrungen mit dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StrabEG) haben indes gezeigt, dass derlei Spekulationen leicht ins Leere laufen können. Die einzig verlässlichen Einnahmen für die Haushalte von Bund und Ländern resultierten aus der sogenannten Garantiezahlung der Schweizer Banken in Höhe von 2 Milliarden Schweizer Franken.
- d) Bei künftig in der Schweiz angelegtem Kapital stellt das Abkommen zwar sicher, dass Erträge mit dem gleichen Steuersatz belegt werden wie in Deutschland. Hinterzogene Einkommen- und Umsatzsteuer bliebe aufgrund der Anonymitätszusicherung aber dauerhaft unentdeckt, insbesondere dann, wenn der Erwerb von Datenträgern mit Hinweisen auf mögliche Steuerhinterzieher ausgeschlossen und die Zahl der nachprüfbaren Verdachtsfälle begrenzt würde. Derartige Einschränkungen sind deshalb nicht hinnehmbar.