836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007
Der Ständige Beirat schlägt vor, dass der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf unter Berufung auf Artikel 76 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme verlangt.
Begründung
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat die teilweise Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG zum Ziel. Die in dem Gesetzentwurf geregelte Rechtsmaterie ist außerordentlich komplex und betrifft die Rolle der Länder als Aufgabenträger des SPNV in besonderem Maße. Dies erfordert seitens der Länder eine intensive fachliche Prüfung seiner etwaigen Auswirkungen. Dies ist in der normalen Frist zur Stellungnahme nicht möglich. Auch die Ressortabstimmung auf Seiten der Bundesregierung im Vorfeld des Kabinettbeschlusses hat sich als schwierig erwiesen und hat eine Fristverlängerung erforderlich gemacht.
Die Verkehrsminister, -senatoren und die -senatorin der Länder haben wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Gesetzentwurfes für die Verkehrspolitik ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem die Erfüllung grundsätzlicher Anforderungen an ein solches Gesetz, wie sie von den Ländern einstimmig beschlossen wurden, behandelt wird.
Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Anforderungen, deren Umsetzung im Rahmen konkreter Änderungsanträge zum Gesetzentwurf noch geprüft wird:
- 1. Es muss ein echtes Mitsprache- und Kontrollrecht der Länder bei der Verwendung der für Investitionen im Nahverkehrsbereich vorgesehenen Bundesmittel (mindestens 20 % der Gesamtsumme für den Aus- und Neubau) vorgesehen werden. Die Höhe der der DB AG zur Verfügung gestellten Mittel ist grundsätzlich an den von ihr betriebenen Netzumfang zu koppeln.
- 2. Einführung von Sanktionsmöglichkeiten bei Unterschreitung der Qualitätsvorgaben hinsichtlich der Schieneninfrastruktur in einem regionalen Netz/einem Land. Hierzu ist eine regionale Untergliederung des Netzzustandsberichts vorzusehen, der den Ländern jährlich zur Verfügung gestellt werden muss. Die auf die Länder entfallenden Mittel sind in Länderquoten aufzuteilen. Für den Fall einer Unterschreitung des insgesamt überwiegend für den Nahverkehr einzusetzenden Anteils oder für den Fall eines von den Infrastrukturunternehmen zu verantwortenden Instandhaltungsrückstaus müssen Sanktionen vorgesehen werden, bis hin zu einer Teilkündigung der LuFV.
- 3. Die Bewirtschaftung von Teilnetzen im Regionalbereich unter Fortbestand des Bundeseigentums und der Bundesfinanzierung muss auf Grund vertraglicher Vereinbarung an Dritte übertragen werden können. Dazu gehört auch eine Mittelausstattung für die Strecken, auf denen die DB AG die Bedienung eingestellt hat oder dies will und die anschließend aus volkswirtschaftlichen und sonstigen Gründen auf Vermittlung der Länder von Dritten betrieben werden. Im Falle eines von den Infrastrukturunternehmen zu verantwortenden Qualitätsabfalls in einem regionalen Netz muss eine optionale Übernahme der Bewirtschaftung durch einen von einem Land beauftragten Dritten vorgesehen werden.
- 4. Eine Steigerung der Trassen- und Stationspreise zu Lasten des Nahverkehrs über die Dynamisierungsrate der Regionalisierungsmittel hinaus muss ausgeschlossen werden.
- 5. Die Infrastrukturunternehmen müssen gegenüber der Holding weisungsunabhängig im Hinblick auf die konkreten Investitionsentscheidungen sein.
- 6. Qualitätsvorgaben und Mittelausstattung sind auch für Stationen und Serviceeinrichtungen verbindlich zu regeln. Dabei ist ein Mechanismus zur Sicherung der erforderlichen fahrgastbezogenen Nutzungen bei einer Veräußerung vorzusehen.
- 7. Der konkrete Inhalt einer ersten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung muss vor der abschließenden Beschlussfassung des Bundesrates bekannt sein und ausreichend lange und erfolgsorientiert erprobt werden. Die Länder sind in die Verhandlung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie in die laufende Überprüfung, Sanktionierung und ggf. Veränderung einzubeziehen.
- 8. Bevor eine Zustimmung zum Gesetz erteilt werden kann, muss den Ländern schließlich ein objektiver, aussagekräftiger und regional gegliederter Netzzustandsbericht vorgelegt werden.
- 9. Die Wettbewerbsneutralität ist u. a. durch die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens der Bundesnetzagentur zu sichern. Die Genehmigungspflicht (exante) für Trassen- und Stationspreise und weitere sofort einsetzbare Regulierungsinstrumente, wie z.B. Bußgeldvorschriften, sind einzuführen und die Erweiterung der Befugnisse der vorgesehenen Beschlusskammern ist vorzusehen.
- 10. Der Bund hat auf der Grundlage von Artikel 87e Abs. 4 des Grundgesetzes nicht nur eine Allgemeinwohlverantwortung für seine Eisenbahninfrastruktur, sondern auch für die Fern- und Güterverkehrsangebote seiner Eisenbahn auf seinem Schienennetz. Das Nähere ist bereits nach der derzeitigen Rechtslage durch Bundesgesetz im Rahmen der Bahnprivatisierung zu regeln.
Die Auswertung des für Mitte September angeforderten Gutachtens wird eine fundierte und der Bedeutung angemessene Stellungnahme des Bundesrates erst in der Oktobersitzung ermöglichen.