Der Bundesrat hat in seiner 985. Sitzung am 14. Februar 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (§ 201a Absatz 1 Nummer 4 StGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die Regelung in § 201a Absatz 1 Nummer 4 StGB-E einer weitergehenden tatbestandlichen Eingrenzung, insbesondere durch ein Absichtserfordernis, bedarf, um der Gefahr zu begegnen, auch nicht hinreichend strafwürdige Verhaltensweisen zu erfassen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht die Einführung einer neuen Nummer 4 in § 201a Absatz 1 StGB vor, wonach sich strafbar macht, wer von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterbekleidung einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind. Damit will die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf insbesondere die Fälle des sogenannten Upskirtings (Bildaufnahmen unter den Rock) und Downblousings (Bildaufnahmen in den Ausschnitt) erfassen.
Insbesondere dadurch, dass die genannte Regelung im subjektiven Bereich jegliche Vorsatzform und damit auch den bedingten Vorsatz ausreichen lässt, besteht die Gefahr, dass auch nicht hinreichend strafwürdige Verhaltensweisen erfasst werden. In den Anwendungsbereich der Vorschrift geraten dabei durchaus alltägliche Fotografien, wie beispielsweise Aufnahmen von Personen, die leicht bekleidet auf einer Treppe sitzen. Wer hier, obgleich unbeabsichtigt, die Unterhose einer mit kurzem Rock bekleideten Frau mit fotografiert, geriete zukünftig schon in die Gefahr, zum Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens zu werden. Gleiches gilt etwa für Fotos, die von einem erhöhten Standpunkt nach unten in Richtung der dort anwesenden Menschen gemacht werden und bei denen sich sonst nicht zugängliche Einblicke in weit ausgeschnittene Blusen ermöglichen (zur tatbestandlichen Erfassung vergleiche die Begründung des Gesetzentwurfs, Teil A, Ziffer I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen, dritter Absatz).
Zu denken ist ferner an Fälle, in denen leicht bekleidete Prominente ungeschickt aus einem Auto aussteigen und dabei von der anwesenden Presse fotografiert werden.
Die Beispielsfälle zeigen, dass es vor allem eine Frage des Standorts und des Blickwinkels wie auch des Bewegungsverhaltens des Betroffenen ist, ob bestimmte Körperbereiche sichtbar sind. Auch wenn derartige Bereiche grundsätzlich sichtgeschützt sind, können sie aus den vorgenannten Gründen im Einzelfall offen zu Tage treten, ohne dass der Fotograf die Herbeiführung oder Ausnutzung einer solchen Situation intendiert hat. Das Merkmal des gegen Anblick geschützten Körperbereichs ermöglicht daher noch keine hinreichend sichere Ausgrenzung nicht strafwürdiger Verhaltensweisen, wenn für die Strafbarkeit bereits bedingter Vorsatz ausreichend ist.
Für die Fälle der Bildaufnahmen, die von der weiblichen Brust oder der diese bedeckenden Unterbekleidung gemacht werden, kommt hinzu, dass bereits die Abgrenzung des geschützten Bereichs mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Wie sich aus dem Gesetz ergibt (siehe § 184b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c StGB), können insoweit gegenüber den anderen beiden Bereichen (Genitalien, Gesäß) bereits auch ganz grundsätzlich Unterschiede im Schutzbedarf gezogen werden.
Über die Fälle der sogenannten Sozialadäquanzklausel in § 201a Absatz 4 StGB kann diese Weite des Tatbestands nicht hinreichend und nicht auf sachgerechte Weise eingegrenzt werden. Die vorgenannten Fälle würden hiervon nicht erfasst und wären damit - bedingten Vorsatz vorausgesetzt - strafbar.
Um eine weitergehende rechtsstaatliche Konturierung zu erreichen, ist insbesondere zu erwägen, die Strafbarkeit an ein absichtliches Handeln des Täters anzuknüpfen, wie dies der Regelungsvorschlag des Bundesrates "Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Bildaufnahme des Intimbereichs (sog. Upskirting)" in BR-Drucksache 443/19(B) vorsieht.