A. Problem und Ziel
- § 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) regelt die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn ein Ausländer/eine Ausländerin eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Niederlassungserlaubnis erhalten will. So ist insbesondere in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geregelt, dass der Lebensunterhalt in der Regel gesichert sein muss. Hiervon kann lediglich abgewichen werden, wenn die jeweilige Spezialnorm eine andere Regelung enthält wie beispielsweise § 28 Abs. 1 S. 3 AufenthG, wonach in der Regel von der Sicherung des Lebensunterhaltes abgewichen werden soll oder aber § 30 Abs. 3 AufenthG, wonach vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes abgewichen werden kann.
- § 2 Abs. 3 AufenthG regelt, wann der Lebensunterhalt gesichert ist, nämlich dann, wenn der Ausländer/die Ausländerin seinen/ihren Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.
- § 2 Abs. 3 S. 2 AufenthG regelt, welche öffentlichen Mittel bei der Berechnung des ausreichenden Lebensunterhaltes außer Betracht bleiben, nämlich Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungsgeld oder Elterngeld sowie öffentliche Mittel, die auf Beitragszahlungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
- Das Aufenthaltsgesetz definiert jedoch nicht, wann der Lebensunterhalt gesichert ist.
- In gesetzeskonformer Auslegung der Frage, wann der Lebensunterhalt bei erwerbsfähigen Ausländern/Ausländerinnen gesichert ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26.08.2008 - I C 32.07 - Folgendes entschieden:
- 1. Die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG notwendigen Bedarfs und des erforderlichen Einkommens richtet sich bei erwerbsfähigen Ausländern/Ausländerinnen nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuches - SGB II - über die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts.
- 2. Bei erwerbsfähigen Ausländern/Ausländerinnen sind bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG erforderlichen Einkommens von dem Erwerbseinkommen sämtliche in § 11 Abs. 2 SGB II aufgeführten Beträge abzuziehen. Dies gilt auch für den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II und die Pauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II.
- Eine der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechende Regelung wurde als Folge auch in die am 31.10.2009 in Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften des Bundes zum Aufenthaltsgesetz unter Ziffer 2.3.4 aufgenommen.
- Weiterhin wurde der ständigen Rechtsprechung folgend klargestellt, dass es auf die tatsächliche Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht ankommt, sondern dass der rechtliche Anspruch allein für den Nachweis des nicht ausreichenden Lebensunterhaltes ausreicht.
- Die Berücksichtigung der Freibeträge des § 11 Abs. 2 SGB II stellen jedoch faktisch eine vom Gesetzgeber ursprünglich nicht gewollte Schlechterstellung arbeitsfähiger Ausländer/innen dar.
- Der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II und die Pauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II dürfen schon deshalb bei der Einkommensermittlung im Rahmen von § 2 Abs. 3 AufenthG nicht abgesetzt werden, weil sie einem anderen Zweck als dem der Existenzsicherung dienen. Es handelt sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme zur Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten nach dem SGB II, mit der nicht bezweckt werden soll, nachteilige Auswirkungen im Bereich des Ausländerrechts herbeizuführen und insbesondere die Voraussetzungen für den Familiennachzug oder die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu verschärfen.
- Die Höhe dieser Abzugsbeträge ist im Vergleich zur bisherigen Rechtslage so erheblich dass die trotz voller Erwerbstätigkeit häufig nicht zusätzlich erwirtschaftet werden können. Zudem handelt es sich um fiktive Abzugsbeträge, die die tatsächlich zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehenden Mittel nicht mindern.
B. Lösung
- Es ist daher nur folgerichtig, § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG dahingehend zu ergänzen dass neben den dort abschließend aufgeführten öffentlichen Mitteln auch die in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 6 und Satz 2 SGB II aufgeführten Beträge aufgenommen werden. Dies bedeutet, dass die dort aufgeführten Freibeträge bei der Berechnung des ausreichenden Lebensunterhaltes auch bei arbeitsfähigen Ausländern keine Berücksichtigung finden.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
- Durch die Nichtberücksichtigung der Freibeträge der §§ 11 Abs. 2 i.V.m. 30 SGB II entstehen keine Mehraufwendungen der Verwaltung.
E. Sonstige Kosten
- Es können geringfügige Kosten durch Inanspruchnahme der Freibeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 6 und Satz 2 SGB II entstehen.
Gesetzesantrag des Landes Berlin
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 16. April 2010
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat des Landes Berlin hat beschlossen, den beigefügten
beim Bundesrat einzubringen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen des Bundesrates zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
- § 2 Abs. 3 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 4 Abs.5 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
"Dabei bleiben das Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungsgeld oder Elterngeld, die im § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 6 und Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Beträge sowie öffentliche Mittel außer Betracht, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen."
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
Begehrt ein Ausländer/eine Ausländerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, muss der Lebensunterhalt in der Regel gesichert sein.
§ 2 Abs. 3 AufenthG regelt, wann der Lebensunterhalt gesichert ist, nämlich dann, wenn der Ausländer/die Ausländerin seinen/ihren Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.
§ 2 Abs. 3 S. 2 AufenthG regelt wiederum, welche öffentlichen Mittel bei der Berechnung des ausreichenden Lebensunterhaltes außer Betracht bleiben, nämlich Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungsgeld oder Elterngeld sowie öffentliche Mittel, die auf Beitragszahlungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
Das Aufenthaltsgesetz definiert jedoch nicht, wann der Lebensunterhalt gesichert ist.
In gesetzeskonformer Auslegung der Frage, wann der Lebensunterhalt bei erwerbsfähigen Ausländern gesichert ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26.08.2008 - I C 32.07 - entschieden, dass bei Ermittlung des ausreichenden Lebensunterhaltes bei erwerbsfähigen Ausländern sämtliche in § 11 Abs. 2 SGB II aufgeführten Beträge abzuziehen sind. Dies gilt auch für den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II und die Pauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II.
Die Berücksichtigung der Freibeträge des § 11 Abs. 2 SGB II stellen jedoch faktisch eine vom Gesetzgeber ursprünglich nicht gewollte Schlechterstellung arbeitsfähiger Ausländer/Ausländerinnen dar.
Der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II und die Pauschale nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II dürften schon deshalb bei der Einkommensermittlung im Rahmen von § 2 Abs. 3 AufenthG nicht abgesetzt werden, weil sie einem anderen Zweck als dem der Existenzsicherung dienen. Es handelt sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme zur Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten nach dem SGB II, mit der nicht bezweckt werden soll, nachteilige Auswirkungen im Bereich des Ausländerrechts herbeizuführen und insbesondere die Voraussetzungen für den Familiennachzug oder die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu verschärfen.
Die Höhe dieser Abzugsbeträge ist im Vergleich zur bisherigen Rechtslage so erheblich, dass sie trotz voller Erwerbstätigkeit häufig nicht zusätzlich erwirtschaftet werden können. Zudem handelt es sich um fiktive Abzugsbeträge, die die tatsächlich zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Mittel nicht mindern.
Es ist daher nur folgerichtig, § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG dahingehend zu ergänzen, dass neben den dort abschließend aufgeführten öffentlichen Mitteln auch die in § 11 Abs. 2 Nummer 6 und Satz 2 SGB II aufgeführten Beträge aufgenommen werden. Dies bedeutet, dass die dort aufgeführten Freibeträge bei der Berechnung des ausreichenden Lebensunterhaltes auch bei arbeitsfähigen Ausländern/Ausländerinnen keine Berücksichtigung finden.