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Regelwerk Naturschutz EU Bund

Hinweise zur Umsetzung des Europäischen Schutzgebietsnetzes "Natura 2000" in Thüringen
- Thüringen -

Vom 4. Dezember 2014
(StAnz. Nr. 1 vom 05.01.2015 S. 47aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung

Verwaltungsvorschrift des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz vom 04.12.2014 (Az.: 56-41462)

1 Allgemeine Grundlagen

Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 vom 22. Juli 1992, S. 7) in der jeweils geltenden Fassung (Fauna-Flora-Habitat ( FFH-) Richtlinie) hat insbesondere zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt ein Schutzgebietsnetz für besonders wichtige Lebensräume und Arten von europäischer Bedeutung mit dem Namen "Natura 2000" zu schaffen. Es muss gemäß Art. 3 Abs. 1 der FFH-Richtlinie "den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten".

Das Netzwerk "Natura 2000" besteht zum einen aus ausgewählten Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II der Richtlinie umfassen (FFH-Gebiete, Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung).

Zu dem Netz "Natura 2000" gehören zum anderen auch die Gebiete, die aufgrund der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten vom 30. November 2009 (ABl. Nr. L 20 vom 26. Januar 2010, S. 7) in der jeweils geltenden Fassung ( Vogelschutz-Richtlinie) als Europäische Vogelschutzgebiete an die EU gemeldet und damit gleichzeitig als besondere Schutzgebiete (SPA, Special Protection Areas) ausgewiesen werden.

Die Auswahl und Meldung der Gebiete über das für Naturschutz zuständige Bundesministerium an die Europäische Kommission obliegt den Bundesländern.

Die zum Europäischen ökologischen Netz "Natura 2000" gehörenden Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung werden, sobald die Europäische Kommission die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erstellt hat, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (s. jeweils geltende Entscheidungen der Kommission gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Verabschiedung von aktualisierten Listen von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region - derzeit siebte Fortschreibung in ABl. EG Nr. L 350 vom 21. Dezember 2013).

Die thüringischen Europäischen Vogelschutzgebiete wurden im Bundesanzeiger vom 26. Juli 2007 veröffentlicht. Die früheren Veröffentlichungen im Bundesanzeiger vom 11. Juni 2003, S. 12360 und vom 23. Januar 2004, S. 1082 sind damit gegenstandslos.

Diese Hinweise dienen der zweckmäßigen und einheitlichen Umsetzung der Art. 1 bis 11 der FFH-Richtlinie sowie der entsprechenden bundes- und landesrechtlichen Regelungen im Freistaat Thüringen. Diese Hinweise sind auf alle bestehenden Thüringer FFH-Gebiete und Europäischen Vogelschutzgebiete anzuwenden (Natura 2000-Gebiete).

Dieser Erlass ergeht nach Abstimmung mit dem Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr.

2 Rechtsgrundlagen

Durch die §§ 19a bis 19 f Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung vom 21. September 1998 (BGBl. I S. 2994) sowie weitere Vorschriften des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30. April 1998 (BGBl. I S. 823) wurden die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie erstmals in deutsches Recht umgesetzt. Zuvor waren bereits am 1. Januar 1998 Umsetzungsvorschriften durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung ( BauROG) vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081) in Kraft getreten. Zu nennen ist insbesondere die Einfügung des neuen § 1a in das BauGB. Im novellierten Bundesnaturschutzgesetz vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193) in der jeweils geltenden Fassung fanden sich diese Regelungen primär in den §§ 32 bis 37. Sie wurden ergänzt durch die §§ 26a bis 26c des Thüringer Gesetzes für Natur und Landschaft in der Fassung vom 30. August 2006 (GVBl. S. 421), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2007 (GVBl. S. 267).

Im Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) (BNatSchG), zuletzt geändert durch Artikel 4 Nr. 100 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154, 3207), finden sich diese Regelungen jetzt primär in den §§ 31 bis 36.

Die grundlegenden Begriffsdefinitionen finden sich in § 7 Abs. 1 Nr. 4 bis 10 BNatSchG. Eine (einschränkende) Definition des Begriffs "Projekt" ist nicht mehr enthalten.

In den §§ 32 bis 34 BNatSchG finden sich Regelungen zur Auswahl und Meldung der Gebiete (§ 32 Abs. 1 BNatSchG), zum Schutz dieser Gebiete (§§ 32 Abs. 2 - 4 und 33 BNatSchG), zur Zulässigkeit von Projekten und zur FFH-Verträglichkeitsprüfung (§ 34 Abs. 1 - 8 BNatSchG), zum Anzeigeverfahren für bestimmte Projekte (§ 34 Abs. 6), zum Verhältnis dieser Regelungen zu Schutzgebietsbestimmungen (§ 34 Abs. 7 BNatSchG) und zum Verhältnis zu baurechtlichen Vorschriften (§ 34 Abs. 8 BNatSchG). § 36 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BNatSchG enthält Regelungen für die Verträglichkeitsprüfung für Pläne.

Ergänzt werden die unmittelbar geltenden bundesrechtlichen Regelungen durch die weiter geltenden landesrechtlichen Bestimmungen (zumeist Zuständigkeitsregelungen) des § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 3 - 5 ThürNatG (Erhaltungsziele-Verordnung) und § 26b Abs. 2 und Abs. 8 Satz 2 ThürNatG.

Neben den Regelungen in den Naturschutzgesetzen sind für die Umsetzung der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie noch folgende in anderen Gesetzen enthaltene Vorschriften zu beachten:

Die in der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie enthaltenen besonderen artenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere betreffend die Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie, die nicht unmittelbar dem Aufbau und dem Schutz des Netzes "Natura 2000" im Zusammenhang dienen, sind nicht Gegenstand des Erlasses.

3 Begriffe

Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Natura 2000 sind neben den unter 1 erläuterten Gebietsbezeichnungen die Begriffe "Erhaltungsziele", "günstiger Erhaltungszustand" und "erhebliche Beeinträchtigung".

3.1 Erhaltungsziele, günstiger Erhaltungszustand

§ 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG definiert den Begriff "Erhaltungsziele" als Ziele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands festgelegt sind.

Neu aufgenommen in § 7 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG wurde eine Definition des Begriffs "günstiger Erhaltungszustand" als ein Zustand im Sinne von Artikel 1 Buchstabe e und i der Richtlinie 92/43/EWG und von Artikel 2 Nummer 4 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. Nr. L 143 vom 30.04.2004 S. 56), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/31/EG (ABl. Nr. L 140 vom 05.06.2009 S. 114) geändert worden ist. So wird der Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums als günstig erachtet, wenn sein natürliches Verbreitungsgebiet sowie die Flächen, die er in diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen und die für seinen langfristigen Fortbestand notwendige Struktur und spezifischen Funktionen bestehen und in absehbarer Zukunft wahrscheinlich weiterbestehen werden. Der Erhaltungszustand einer Art wird als günstig betrachtet, wenn (1) aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, (2) das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und (3) ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern.

Die Erhaltungsziele beziehen sich auf die Lebensraumtypen und Arten nach Anhang I und II der FFH-Richtlinie sowie auf die in Anhang I und in Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie genannten Arten und ihre Lebensräume. Grundlage dafür ist die Forderung der FFH-Richtlinie nach Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines Lebensraumtyps oder einer Art.

Die Erhaltungsziele wirken sich z.B. wie folgt konkret aus:

Die für die einzelnen Natura 2000-Gebiete relevanten Lebensraumtypen und Arten ergeben sich aus der Natura 2000- Erhaltungsziele-Verordnung (GVBl. 2008 S. 181) bzw. aus der speziellen Schutzgebietsverordnung nach §§ 20, 22 Abs. 1 und 2 BNatSchG. Nur diese entfalten eine Wirkung gegenüber Dritten.

Nähere Details finden sich in der Veröffentlichung des für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Ministeriums (oberste Naturschutzbehörde) im Thüringer Staatsanzeiger zu den Natura 2000-Gebieten. Die Basisinformationen zu den relevanten Lebensraumtypen und Arten sind den Standarddatenbögen zu den einzelnen Natura 2000-Gebieten zu entnehmen. Im Zuge der Erstellung der Fachbeiträge, Managementpläne und des erforderlichen Monitorings ist es wahrscheinlich, dass Vorkommen von Lebensraumtypen und Arten und damit die Erhaltungsziele fortzuschreiben sind. Dies kann fallweise dazu führen, dass im Standarddatenbogen Erhaltungsziele schon abgeändert wurden, sich dies aber noch nicht in den Verordnungen niedergeschlagen hat. Bei Projekten mit einem langen Planungszeitraum sollen im Sinne der Planungssicherheit die jeweils aktuellen Daten zugrunde gelegt werden. Für Fachplanungsträger der öffentlichen Hand gilt ohnehin das gemeinschaftsfreundliche Verhalten, d. h. die Behörden dürfen nicht so handeln, dass die Ziele der Richtlinie - selbst wenn sie gegenüber Dritten noch nicht rechtsverbindlich umgesetzt sind - nicht mehr erreicht werden können.

3.2 Erhebliche Beeinträchtigung

Beeinträchtigungen sind negative Veränderungen oder Störungen eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen. Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn die einzelnen in diesem Gebiet vorhandenen Lebensräume nach Anhang I oder die Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie bzw. nach Anhang I oder Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie oder die Beziehungen zwischen diesen negativ beeinflusst werden.

Beeinträchtigungen müssen erheblich sein. Näheres dazu s. Ziff. 7.4.2.3.

4 Grundschutz nach § 33 Abs. 1 BNatSchG

Mit der Aufnahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung durch die EU gilt für alle thüringischen FFH-Gebiete ein Grundschutz in Form eines Verschlechterungsverbots hinsichtlich der Erhaltungsziele gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Gegenüber Dritten greift er jedoch erst seit Inkrafttreten der Natura 2000-Erhaltungsziele-Verordnung nach § 26a Abs. 2 Satz 5 ThürNatG (GVBl. 2008 S. 181). Hinsichtlich der thüringischen Europäischen Vogelschutzgebiete wird der Grundschutz - unabhängig von einer Veröffentlichung auf Bundes- oder EU-Ebene - gegenüber Dritten ebenfalls mit dem Inkrafttreten der Erhaltungsziele-Verordnung wirksam.

Die Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region der Europäischen Union, die auch die Thüringer FFH-Gebiete umfasst, wurde im Amtsblatt der EG Nr. L 12 S. 383 vom 15. Januar 2008 in einer ersten fortgeschriebenen Fassung veröffentlicht und seitdem mehrfach fortgeschrieben. Die Natura 2000-Erhaltungsziele-Verordnung trat am 15. Juli 2008 in Kraft.

Für die Abgrenzung der Natura 2000-Gebiete maßgebend ist die Mitte der Umrisslinie auf dem Satz der Messtischblätter (Natura 2000 in Thüringen, Maßstab 1 : 25.000), wie er bei der Meldung an die Europäische Kommission gegeben wurde. Diese Karten liegen im Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz, im Landesverwaltungsamt, in der Landesanstalt für Umwelt und Geologie, bei Thüringen Forst - Anstalt öffentlichen Rechts, in den Landratsämtern und den Forstämtern sowie in den Regionalen Planungsgemeinschaften zur Einsichtnahme aus.

Das Verschlechterungsverbot ist nicht dahingehend auszulegen, dass ein Eigentümer oder Nutzungsberechtigter künftig zu aktiven Maßnahmen - z.B. zu Pflegemaßnahmen - auf seiner Fläche verpflichtet ist. Das Verschlechterungsverbot verpflichtet ihn lediglich dazu, Maßnahmen zu unterlassen, die mit den Erhaltungszielen in den Gebieten unvereinbar sind. Dies gilt auch für die FFH-Objekte (Gebäude, Keller, Stollen), die zum Schutz der Sommerquartiere (Wochenstuben) oder Winterquartiere von Fledermausarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie gemeldet worden sind (Kleine Hufeisennase, Großes Mausohr, Mopsfledermaus, Bechsteinfledermaus). Für die Eigentümer und Nutzungsberechtigten besteht keine Verpflichtung, selbst aktive Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung dieser Quartiere zu ergreifen. Sie haben jedoch alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Quartiere erheblich beeinträchtigen können (z.B. Störung der Tiere, bauliche Veränderungen im Quartierbereich, Veränderung der Zu- und Abflugbedingungen). Sollen z.B. Baumaßnahmen durchgeführt werden, so empfiehlt es sich, rechtzeitig zur Beratung mit der zuständigen unteren Naturschutzbehörde Kontakt aufzunehmen. Diese prüft vor, inwiefern zusätzliche Aufwendungen, die aufgrund des Fledermausschutzes entstehen, im Rahmen des Vertragsnaturschutzes ausgeglichen werden können.

Es besteht für die Gebiete ein Verschlechterungsverbot hinsichtlich der Erhaltungsziele, jedoch kein grundsätzliches Veränderungsverbot. Dementsprechend sind nur - gemessen an den Erhaltungszielen - erhebliche Beeinträchtigungen verboten. Ausnahmen davon sind jedoch gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG möglich (s. Ziff. 7.5).

Dieses Verschlechterungsverbot gilt innerhalb eines Gebiets ausschließlich für seine für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile, also für die diesbezüglichen Lebensraumtypen nach Anhang I (z.B. Kalktrockenrasen, Bergwiesen, Hainsimsen-Buchenwald) und/oder Habitate von Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II der FFH-Richtlinie (z.B. Habitate des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings) bzw. - im Falle der Europäischen Vogelschutzgebiete - für die Habitate der Vogelarten des Anhangs I der Vogelschutz-Richtlinie (z.B. Weißstorch, Wachtelkönig) bzw. nach Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie. Als Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie sowie der Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie gelten nur solche Bereiche, die für die Bestandserhaltung der jeweiligen Art von Bedeutung sind (darunter Brut-, Wohn-, Zufluchtstätten, essentielle Nahrungs-, Rast- und Überwinterungsgebiete).

Das Verschlechterungsverbot gilt nicht für die übrigen Flächen innerhalb der Natura 2000-Gebiete, die solche Lebensräume und Artvorkommen nicht enthalten, es sei denn, dass sich Veränderungen auf diesen Flächen direkt auf den Erhaltungszustand der angrenzenden FFH-Lebensraumtypen und -arten sowie die Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie negativ auswirken.

Sofern es eine speziellere Regelung für ein Natura 2000- Gebiet gibt, tritt das allgemeine Verschlechterungsverbot dahinter soweit zurück, wie der andere Schutz greift, z.B. bei aktuellen Naturschutzgebietsverordnungen vollständig, bei Verträgen nur soweit, wie die Regelungen greifen. Bei der Beurteilung einer Handlung oder Maßnahme sind dann die Naturschutzgebietsverordnung oder die vertragliche Vereinbarung mit dem Flächennutzer heranzuziehen (s. a. Ziff. 5).

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Fassung dieses Erlasses (21.12.1999) bzw. zum Zeitpunkt der späteren Meldung eines Gebietes genehmigte Projekte sowie sonstige rechtmäßige Zulassungen und die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen genießen Bestandsschutz gemäß den fachrechtlichen Vorschriften. So sind z.B. Fließgewässer in dem Zustand gemeldet worden, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Meldung befanden - mit den vorhandenen Nutzungen (z.B. Wassertourismus), mit Einleitungen aufgrund von Erlaubnissen sowie mit technischen Anlagen wie z.B. Wehren, Verbauungen und Brücken. Einer gesonderten Prüfung bedürfen Bebauungspläne, die vor der abschließenden Meldung der Vogelschutzgebiete 2007 in Kraft getreten sind und erst danach ausgeschöpft oder umgesetzt worden sind oder werden (dazu siehe Urteil des BVerwG vom 27.03.2014, Az. 4 CN 3.13).

5 Spezielle Schutzmaßnahmen

Die Regelung des § 33 Abs. 1 BNatSchG bietet einen Grundschutz für die Natura 2000-Gebiete. Im Einzelfall können speziellere Schutzmaßnahmen sinnvoll oder notwendig sein.

Ein speziellerer Schutz kann gemäß § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG durch eine Schutzgebietsausweisung oder - wenn ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist - nach anderen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, durch die Verfügungsbefugnis eines öffentlichen oder gemeinnützigen Trägers oder durch vertragliche Vereinbarungen erfolgen. Möglich ist auch eine Kombination verschiedener Schutzmaßnahmen, insbesondere des Grundschutzes mit vertraglichen Vereinbarungen.

Voraussetzung hierfür ist, dass der erreichte Schutz zur Sicherung des Erhaltungszustands der Lebensräume nach Anhang I und der Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie sowie der in Anhang I und in Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie genannten Arten und ihrer Lebensräume im Sinne des Gesetzes einer Unterschutzstellung "gleichwertig" ist, wie es § 32 Abs. 4 BNatSchG regelt.

Verwaltungsvorschriften genügen dann, wenn sichergestellt wird, dass durch die Nutzung und Bewirtschaftung der Flächen des Landes (insbes. Staatswaldflächen) bzw. der öffentlichen oder gemeinnützigen Grundeigentümer ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und der Arten nach Anhang I und II der FFH-Richtlinie und der Arten nach Anhang I bzw. Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie gewährleistet wird, die für die Aufnahme des Gebiets in das Netz "Natura 2000" maßgeblich waren.

Natura 2000-Gebiete können im Einzelfall auch durch Schutzmaßnahmen nach anderen Fachgesetzen ausreichend geschützt werden, insbesondere als Naturwaldreservat oder Naturwaldparzelle gemäß § 9 ThürWaldG.

Die Schutzgebietsausweisung im Sinne von § 20 Abs. 2 BNatSchG ist nur erforderlich, wenn und soweit die anderen Instrumentarien zur Sicherung der Erhaltungsziele nicht ausreichen.

Eine Schutzgebietsausweisung aus den über die Umsetzung der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie hinausgehenden Gründen der §§ 23 bis 29 BNatSchG wird von diesem Erlass nicht berührt.

6 Gebietsmanagement

Die Natura 2000-Managementplanung erfolgt im Baukastenprinzip. Dabei werden je nach Ausstattung und Besonderheiten unterschiedliche Fachbeiträge erstellt (insbesondere Fachbeitrag Wald, Fachbeitrag Offenland). Für die Offenlandbereiche erfolgt dies durch die TLUG, für die Waldbereiche durch die Thüringen Forst - Anstalt öffentlichen Rechts, die sich miteinander abstimmen. Die Fachbeiträge werden durch die TLUG zu Managementplänen für die Natura 2000-Gebiete zusammengeführt. Im Bedarfsfall können vorläufige Behandlungskonzepte den Fachbeiträgen vorgeschaltet sein. Aus diesen Werken können die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen zur Sicherung der Erhaltungsziele entnommen werden.

Daraus folgen auch Hinweise zu der Frage, ob und welche Sicherungsmaßnahmen neben dem oder statt des Grundschutzes notwendig sind, sowie zu der Frage, ob eine Maßnahme unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000- Gebiets dient (s. Ziff. 7.2).

Die Managementpläne sind in Thüringen behördenverbindliche Fachplanungen. Für die Flächeneigentümer und Nutzungsberechtigten besitzen sie empfehlenden bzw. informativen Charakter. Die Fachbeiträge für Offenland und Wald bzw. die Managementpläne werden nach ihrer Fertigstellung und Billigung durch die oberste Naturschutzbehörde durch periodische Veröffentlichung im Thüringer Staatsanzeiger bekannt gemacht und formal in Kraft gesetzt.

7 Zulässigkeit von Projekten

7.1 Projektbegriff

Der Projektbegriff ist nicht mehr im Bundesnaturschutzgesetz definiert (mit der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. Dezember 2007, BGBl. I S. 2873, mit Wirkung ab 17. Juni 2008). Insbesondere wird nicht mehr zwischen Projekten innerhalb und außerhalb von Natura 2000-Gebieten unterschieden. Ferner ist der Projektbegriff nicht mehr auf Vorhaben und Maßnahmen beschränkt, die einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an die Behörde bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden. Damit wird ein weiter Projektbegriff verwendet. Alle Projekte, die nicht unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dienen, sind, soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, ein solches Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen für dieses Gebiet zu überprüfen.

Außerhalb von Natura 2000-Gebieten wurde die Notwendigkeit zur Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung dadurch aber nur für wenige Maßnahmen erweitert, da die bisher dem Projektbegriff immanente Erheblichkeitseinschätzung weiterhin notwendig ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG) (s. Ziff. 7.3).

Auf das Schaubild zu Projektbegriff und Erheblichkeitseinschätzung in der Anlage wird verwiesen.

Bei der Prüfung von Projekten auf ihre Zulässigkeit nach den FFH-Vorschriften sind somit vier Prüfungsschritte zu unterscheiden:

7.2 Projekte, die unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dienen

Für Projekte, die unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dienen, ist keine Erheblichkeitseinschätzung und damit auch keine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich. Die Prüfung, ob ein Projekt in diesem Sinn unmittelbar der Verwaltung dient, bezieht sich auch auf Maßnahmen und Handlungen im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen sowie fischereilichen Bodennutzung.

Ob ein Vorhaben, eine Maßnahme, Veränderung oder Störung den Erhaltungszustand nicht verschlechtert oder sogar zu seiner Sicherung erforderlich ist, kann anhand der Aussagen in einem Managementplan bzw. daraus abgeleiteter vertraglicher Regelungen überprüft werden. Bestehen solche Aussagen nicht, können hilfsweise per Erlass eingeführte allgemeine Pflegehinweise für Lebensraumtypen des Offenlandes bzw. Bewirtschaftungshinweise für Wald-Lebensraumtypen herangezogen werden. Dies gilt ebenfalls für Behandlungshinweise zu den Lebensstätten der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie bzw. Vogelarten nach Anhang I bzw. Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie.

Projekte, die unmittelbar der Verwaltung dienen, sind in der Regel:

7.3 Erheblichkeitseinschätzung

Die Erheblichkeitseinschätzung dient der Einschätzung, ob das jeweilige Projekt - einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen - geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteilen erheblich zu beeinträchtigen. Nur diese Projekte sind einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

Führt bereits die Erheblichkeitseinschätzung zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen werden kann, findet keine FFH-Verträglichkeitsprüfung mehr statt. Dies kann z.B. bei Vorhaben außerhalb des Natura 2000-Gebiets der Fall sein (s. dazu Ziff. 7.4.2.4 - Umgebungsschutz).

Zu beachten ist, dass eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung von Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie nicht die Pflicht zu einer FFH-Verträglichkeitsprüfung auslöst. Hier greift das Artenschutzrecht.

Die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile ist

bei der Erheblichkeitseinschätzung regelmäßig zu bejahen, sobald Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit erheblicher oder in ihren Auswirkungen ohne nähere Prüfung nicht abschätzbarer Beeinträchtigungen bestehen. Je größer das Projekt oder je umfangreicher der Plan ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen. Ob ein Projekt tatsächlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen kann, wird erst im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung selbst festgestellt.

Entscheidend ist jeweils, dass nach dem allgemeinen Kenntnisstand ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Projekt und den prognostizierten Verschlechterungen im Gebiet herstellbar ist.

Eine Hilfe bei der Beurteilung des Projekts in der Erheblichkeitseinschätzung stellen die Ausführungen zum Umgebungsschutz dar (s. dazu Ziff. 7.4.2.4).

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Erheblichkeitseinschätzung sind drei Fälle zu unterscheiden:

  1. Das Projekt bedarf einer Genehmigung durch eine Behörde oder nach anderen Rechtsvorschriften als den Natura 2000-Regelungen einer Anzeige an eine Behörde:
    Die Erheblichkeitseinschätzung führt die Behörde durch, die für das Zulassungsverfahren für das Projekt zuständig ist, unter Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde (s. Ziff. 7.4.2.1).
    Sie entscheidet abschließend unter Beachtung der naturschutzfachlichen Stellungnahme, ob eine FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendig ist. Die Entscheidung ist zu begründen und den zuständigen Naturschutzbehörden sowie dem Projektträger schriftlich mitzuteilen. Die herangezogenen Quellen sind anzuführen. Soweit für das Projekt sowohl eine Befreiung von einer Naturschutzgebietsverordnung (§ 67 BNatSchG) als auch eine weitere behördliche Entscheidung (z.B. Baugenehmigung) erforderlich ist, führt die Erheblichkeitseinschätzung die für die Befreiung zuständige Naturschutzbehörde durch (s. Ziff. 7.4.2.1 Sonderfall 1).
    Je früher Projektträger, verfahrensführende Behörde und beteiligte Naturschutzbehörde sich darüber verständigen, ob die erwarteten Wirkungen des Projektes auf die veröffentlichten Erhaltungsziele oder die zur Umsetzung der Erhaltungsziele erlassenen Schutzvorschriften (s. a. Ziff. 3.1) zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können, desto eher lassen sich beeinträchtigende Auswirkungen auf Lebensraumtypen oder Habitate verringern oder vermeiden. Diese Abschätzung ist besonders wichtig bei Fragen des Umgebungsschutzes (s. dazu Ziff. 7.4.2.4).
    Bei der Aufstellung der allgemeinen Grundsätze für die zweckmäßige Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets gem. § 38 FlurbG ist die gebietsbezogene Erheblichkeitseinschätzung integrativer Bestandteil der Benehmensherstellung mit der unteren Naturschutzbehörde.
    Bei der Aufstellung der Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne für den zweiten Bewirtschaftungszyklus der Wasserrahmenrichtlinie ( WRRL) von 2015 bis 2021 wird auf das Arbeitspapier zur Berücksichtigung der Erhaltungsziele in den Natura 2000-Gebieten hingewiesen.
  2. Die Behörde führt das Projekt selbst durch:
    Soweit Behörden ein Projekt selbst durchführen, sind sie auch für die Erheblichkeitseinschätzung zuständig. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Behörden - anders als Private - bereits aufgrund des Europäischen Gemeinschaftsrechts zu besonderer Beachtung EU-rechtlicher
    Vorgaben verpflichtet sind. Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 2 ThürVwVfG). Dies können auch Verbände, etwa Zweckverbände, oder beliehene Unternehmer sein.
  3. Das Projekt bedarf keines Genehmigungs- oder Anzeigeverfahrens nach anderen Rechtsvorschriften und wird auch nicht von einer Behörde selbst durchgeführt:
    Um sicherzustellen, dass die zuständige Naturschutzbehörde von Projekten, die keines besonderen Zulassungsverfahrens bedürfen und nicht von einer Behörde durchgeführt werden, Kenntnis erhält, wurde mit Wirkung vom 17. Juni 2008 ein Anzeigeverfahren als Auffangvorschrift eingeführt (§ 34 Abs. 6 BNatSchG). Danach sind Projekte, die nicht von einer Behörde durchgeführt werden und die keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift bedürfen, der unteren Naturschutzbehörde anzuzeigen. Diese hat eine Prüffrist von einem Monat nach Eingang der vollständigen Anzeige. Trifft sie in diesem Zeitraum keine Entscheidung, so kann der Anzeigende mit der Durchführung des Projekts beginnen. Stellt die untere Naturschutzbehörde fest, dass das Projekt geeignet ist, das betreffende Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich zu beeinträchtigen, so kann sie Auflagen für die Durchführung festlegen. Gegebenenfalls kann sie das Projekt untersagen. Voraussetzung dafür sind eine negativ ausfallende FFH-Verträglichkeitsprüfung (s. dazu Ziff. 7.4.2.3) sowie fehlende Ausnahmemöglichkeiten (s. dazu Ziff. 7.5). Wird der unteren Naturschutzbehörde ein entsprechendes nicht angezeigtes Projekt bekannt, kann sie die vorläufige Einstellung anordnen (§ 34 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG).

Die schwierige Entscheidung, ob Vorhaben oder Maßnahmen, die zulassungs- oder anzeigefrei sind, zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets führen können und daher nach § 34 Abs. 6 BNatSchG anzeigepflichtig sind, hat der Gesetzgeber dem Projektträger übertragen. Damit hat der Gesetzgeber die Verantwortung auf den Träger der Maßnahme verlagert. Der Projektträger findet aber bei der unteren Naturschutzbehörde Hilfe bei der Erheblichkeitseinschätzung. Dies betrifft nicht Projekte, die unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen.

Nachfolgend sind Projekte aufgeführt, die in der Regel nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führen:

Die Entscheidung, ob eine Ausnahme von diesen Regelvermutungen vorliegt, ist im Rahmen der Erheblichkeitseinschätzung zu treffen.

Die folgenden Maßnahmen führen in der Regel (siehe nachfolgende Erläuterung) nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen:

Ein Regelfall ist nur gegeben, wenn Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie oder Vogelarten gem. Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie im Sinne von Ziff. 7.4.2.3 nicht beeinträchtigt werden, z.B. durch Arbeiten an Stellen mit bekannten Vorkommen während der Brut- und Fortpflanzungszeiten. Für die drei letztgenannten Fälle liegt zusätzlich kein Regelfall vor, wenn Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse (Anhang I der FFH-Richtlinie) beeinträchtigt werden können, z.B. weil entsprechende Flächen durch das Vorhaben in Anspruch genommen werden. Es empfiehlt sich für den Vorhaben-/ Maßnahmenträger, sich bei der unteren Naturschutzbehörde zu den Artvorkommen bzw. den Lebensraumtypen kundig zu machen.

Bei Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht, die keinen zeitlichen Aufschub dulden, soll vorab eine Information der unteren Naturschutzbehörde erfolgen.

Die unter Ziffer 7.2 zitierte Positivliste führt die häufigsten forstlichen Maßnahmen auf, welche in Natura 2000-Gebieten im Rahmen der Regelvermutung in keinem Fall erhebliche Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen nach sich ziehen, insofern unbedenklich sind und keine Behördenbeteiligung erfordern und nennt solche Maßnahmen bei denen dies nicht pauschal zutrifft. Darüber hinaus werden konkrete Hinweise gegeben, in welchen Fällen eine Anzeige gemäß § 34 Abs. 6 BNatSchG erforderlich ist.

7.4 FFH-Verträglichkeitsprüfung

Besteht im Ergebnis der Erheblichkeitseinschätzung die Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile, so ist das Projekt von der verfahrensführenden Behörde auf seine konkrete Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Natura 2000-Gebiets hin zu prüfen. In die Prüfung sind die möglichen erheblichen Beeinträchtigungen durch andere Pläne oder Projekte für das betroffene Natura 2000-Gebiet mit einzubeziehen (Summationseffekte).

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung stellt kein neues Verfahren dar, sondern nur ein neues Verfahrenselement.

Durch die FFH-Verträglichkeitsprüfung ändert sich nichts an den gesetzlich geregelten Zuständigkeiten der Behörden. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung wird im Rahmen des behördlichen Verfahrens durchgeführt, das für die Genehmigung, Bewilligung, Zulassung, Erlaubnis, Zustimmung, Planfeststellung, sonstige Entscheidung oder Anzeige des Projekts vorgeschrieben ist, also etwa im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren durch die zuständige Planfeststellungsbehörde, im Baugenehmigungsverfahren durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde, in wasserrechtlichen Verfahren durch die zuständige Wasserbehörde und in Bauleitplanverfahren durch die Gemeinden.

Dabei beschränkt sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung ausschließlich auf die Frage der erheblichen Beeinträchtigung der für die Erhaltungsziele des Gebiets maßgeblichen Gebietsbestandteile. Weiter gehende Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt oder deren Naturhaushalt, einschließlich des Landschaftsbildes, müssen bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung außer Betracht bleiben.

Zur FFH-Verträglichkeitsprüfung bei Bauvorhaben nach den §§ 30 ff. BauGB s. auch Ziff. 8.2.

In Raumordnungsverfahren wird gemäß § 10 Abs. 7 ThürLPlG eine Verträglichkeitsprüfung nur soweit durchgeführt, wie dies nach Stand und Detaillierungsgrad der Planung möglich ist. In besonderen Einzelfällen kann die Darstellung der angedachten Bewältigung einer Konfliktsituation bis zum Maßstab der Vorhabensgenehmigung erforderlich werden. Dies ist der Fall, wenn Großvorhaben wie z.B. Straßen oder Höchstspannungsleitungen am Rande von Natura 2000-Gebieten verlaufen und auf der Basis vertiefter Untersuchungen Festlegungen in den Raumordnungsunterlagen oder Maßgaben in der Landesplanerischen Beurteilung, z.B. zur Verschiebung der Trasse, erfolgen, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden.

Auf die speziellen Regelwerke der Fachplanungsträger, wie z.B. den "Leitfaden zur FFH-Verträglichkeitsprüfung im Bundesfernstraßenbau (Leitfaden FFH-VP)" sowie auf einen (in Erarbeitung befindlichen) Leitfaden zur "Bedeutung des § 34 BNatSchG im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren" wird verwiesen.

7.4.1 Erarbeitung einer FFH-Verträglichkeitsstudie

Grundlage der FFH-Verträglichkeitsprüfung ist die Verträglichkeitsstudie. Ihre Erarbeitung obliegt dem Projektträger. Dazu ist es notwendig, den Untersuchungsrahmen und den inhaltlichen Aufbau festzulegen. Zur Verfahrensvereinfachung sollen sich die beteiligten Behörden mit dem Projektträger über die Formulierung eines Auftrages für eine FFH-Verträglichkeitsstudie und auf sachverständige Personen (Planungsbüro bzw. von diesem Beauftragte) einigen, die die FFH-Verträglichkeitsstudie für den Projektträger erarbeiten.

Die FFH-Verträglichkeitsstudie hat das Ziel festzustellen, ob das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen kann.

Die maßgeblichen Gebietsbestandteile ergeben sich aus den in Ziff. 3.1 genannten Quellen. Die speziellen Projektwirkungen müssen ermittelt werden, um ihre Auswirkungen auf die maßgeblichen Gebietsbestandteile bewerten zu können. Hierfür sind in der Regel die in der weiter unten folgenden Gliederung einer FFH-Verträglichkeitsstudie aufgeführten Angaben erforderlich. Soweit sie für die Beurteilung der Verträglichkeit ohne Bedeutung sind, kann auf einzelne Angaben verzichtet werden.

In Fällen, in denen die für die Erheblichkeitsprüfung benötigten Daten bei der verfahrensführenden Behörde bzw. der Naturschutzbehörde vorliegen, kann auf die Erarbeitung einer FFH-Verträglichkeitsstudie durch den Projektträger verzichtet werden.

Bei der Erarbeitung einer FFH-Verträglichkeitsstudie ist auf die relevanten Aussagen aus einer Umweltverträglichkeitsstudie nach dem UVPG oder aus einem landschaftspflegerischen Begleitplan zurückzugreifen. Eine bereits durchgeführte Umweltverträglichkeitsstudie kann verwendet werden, wenn darin bereits das für eine Bewertung der Verträglichkeit gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG erforderliche Datenmaterial und die Grundlagen enthalten sind.

Gliederung einer FFH-Verträglichkeitsstudie:

  1. Veranlassung, methodisches Vorgehen und Untersuchungsziele
  2. Begründung des Vorhabens (ggf. öffentliches Interesse), Auswahl der Linie, bei § 36 BNatSchG der Vorzugslinie/ des Standortes und bisher ergangene Entscheidungen
  3. Vorhabenbeschreibung, relevante Wirkgrößen
  4. Beschreibung des Natura 2000-Gebiets und der für seine Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile
  5. Konfliktanalyse (Betroffenheit, Erheblichkeit)
    Wirkung des Projekts auf die Erhaltungsziele (incl. relevanter Entwicklungspotentiale), mögliche Summationswirkungen mit anderen Plänen und Projekten, die dem Projektträger bekannt sein müssen (Anfrage an die FFHVP-Datenbank der TLUG)
  6. Vorhabensbezogene Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen (Vorschläge für Auflagen für die Zulassungsentscheidung zur Minimierung der Beeinträchtigungen)
  7. Prognose und Bewertung der verbleibenden Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung von vorhabensbezogenen Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen (Maßnahmen zur Minimierung von Beeinträchtigungen) sowie Bewertung der Erheblichkeit (Hinweise für ein evtl. notwendiges Ausnahmeverfahren)
  8. Zusammenfassung
  9. Literatur- und Quellenverzeichnis
  10. Anhang

7.4.2 Durchführung der eigentlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung durch die verfahrensführende Behörde

7.4.2.1 Zuständigkeiten und Verfahren

Wie bereits oben (s. Ziff. 7.4) dargestellt, ändert sich durch die FFH-Verträglichkeitsprüfung nichts an den gesetzlich beschriebenen Zuständigkeiten der Behörden.

Die verfahrensführende Behörde hat dabei die Frage zu beantworten, ob die für die Erhaltungsziele des Gebiets maßgeblichen Bestandteile durch das Projekt erheblich beeinträchtigt werden können. Wird diese Frage verneint, stehen die FFH-Vorschriften dem Projekt nicht entgegen. Wird diese Frage bejaht, ist das Projekt unzulässig, es sei denn, Ausnahmen sind möglich (§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG) (s. Ziff. 7.5).

Um diese Frage beantworten zu können, beteiligt die verfahrensführende Behörde die zuständige Naturschutzbehörde. Die zuständige Naturschutzbehörde ergibt sich (nach § 26b Abs. 2 ThürNatG) zunächst aus auf § 9 ThürNatG basierenden Zuständigkeitsregelungen. Damit ist regelmäßig die untere Naturschutzbehörde zu beteiligen. Die Form der Beteiligung ergibt sich ebenfalls aus den Regelungen des § 9 ThürNatG. Sind mehrere Naturschutzbehörden räumlich betroffen, so stimmen sie ihre Stellungnahme zu den Aspekten FFH- und Vogelschutz-Richtlinie ab. Bei Auffassungsunterschieden zwischen mehreren räumlich betroffenen Naturschutzbehörden wird die obere Naturschutzbehörde fachaufsichtlich tätig.

Die vorhergehenden Sätze gelten auch bei Verfahren mit Konzentrationswirkung (z.B. Planfeststellungsverfahren), zusätzlich ist die obere Naturschutzbehörde hier zu beteiligen, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Verboten für die Kern- oder Pflegezone eines Biosphärenreservats oder von denen des Nationalparks erfüllt sein müssen.

Die verfahrensführende Behörde übersendet der Naturschutzbehörde die Antragsunterlagen, welche je nach Ergebnis der Erheblichkeitseinschätzung (Ziff. 7.3) und/oder des Scoping eine FFH-Verträglichkeitsstudie enthalten.

Die Naturschutzbehörde gibt ihre Stellungnahme gegenüber der verfahrensführenden Behörde ab. Sie äußert sich zu der Betroffenheit von Lebensraumtypen nach Anhang I und Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie bzw. von Arten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie und zu der erheblichen Beeinträchtigung eines für das Natura 2000-Gebiet maßgeblichen Bestandteils. Die zuständige Naturschutzbehörde kann insbesondere in schwerwiegenden oder schwierigen Fällen auf fachbehördliche Unterstützung durch die TLUG zurückgreifen. Bei Betroffenheit von Waldlebensraumtypen beteiligt die TLUG die Thüringen Forst - Anstalt öffentlichen Rechts.

Sonderfälle, wenn mehrere behördliche Entscheidungen nebeneinander erforderlich sind:

Sonderfall 1:
Soweit für das Projekt sowohl eine Befreiung von einer Naturschutzgebietsverordnung (§ 67 BNatSchG) als auch eine weitere behördliche Entscheidung (z.B. Baugenehmigung) erforderlich ist, führt die FFH-Verträglichkeitsprüfung die für die Befreiung zuständige Naturschutzbehörde durch. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf das jeweils betroffene gesamte beantragte Projekt, unabhängig von der Anzahl der betroffenen Schutzgebiete. Ist das Naturschutzgebiet kreisübergreifend oder sind in verschiedenen Kreisen mehrere Naturschutzgebiete betroffen, so führt jede betroffene untere Naturschutzbehörde die FFH-Verträglichkeitsprüfung durch. Für die Abstimmung untereinander gilt das oben zur räumlichen Betroffenheit mehrerer Naturschutzbehörden Gesagte.

Sonderfall 2:
Soweit eine Befreiung von einer anderen Schutzgebietsverordnung bzw. eine andere naturschutzrechtliche Entscheidung und eine weitere behördliche Entscheidung erforderlich sind, ist verfahrensführende Behörde für die FFH-Verträglichkeitsprüfung die für die weitere Entscheidung zuständige Behörde (z.B. untere Bauaufsichtsbehörde, untere Forstbehörde).

Ob die Anhörung der Öffentlichkeit notwendig ist, richtet sich nach den Vorschriften, die für die Zulassung des jeweiligen Projekts maßgebend sind.

7.4.2.2 Verhältnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung zur Umweltverträglichkeitsprüfung

Zur Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfung kann an eine ggf. für das Projekt notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung angeknüpft werden. Die Anknüpfung bezieht sich aber nur auf die Frage, ob das Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung ist immer gesondert darzustellen und zu bewerten, da es abweichend von § 12 UVPG eigene Rechtswirkungen gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG entfaltet.

7.4.2.3. Beurteilung der erheblichen Beeinträchtigung

Der Europäische Gerichtshof hat als allgemeine Anforderung an die Erfassung und Bewertung in der Verträglichkeitsprüfung gefordert, dass vor der Genehmigung der Pläne und Projekte unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte der Pläne oder Projekte zu ermitteln sind, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können (EuGH, Vorabentscheidung vom 07.09.2004, C 127/02).

Ein negatives Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung führt zur Unzulässigkeit des Projekts, soweit keine Ausnahme möglich ist. Dieses Ergebnis ist dann gegeben, wenn die Beeinträchtigungen von entsprechender Bedeutung, also "erheblich" sind (s. Ziff. 3.2).

Bezugspunkt der Beurteilung, ob es zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen kann, sind die für das Gebiet veröffentlichten Erhaltungsziele oder die zur Umsetzung der Erhaltungsziele erlassenen Schutzvorschriften (s. Ziff. 4 und 5). Bei der Beurteilung ist auf jedes Erhaltungsziel eines Gebiets gesondert abzustellen.

Ob eine erhebliche Beeinträchtigung gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG durch das Projekt verursacht werden kann, ist durch eine Bewertung des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei führt bereits die erhebliche Beeinträchtigung eines Erhaltungszieles eines Gebiets zur Unverträglichkeit des Projektes.

Aufgrund der Gebietsbezogenheit der FFH-Verträglichkeitsprüfung ist die Festlegung pauschaler, allgemeingültiger Erheblichkeitsschwellen nicht möglich.

Aus der Rechtsprechung sind so genannte Tendenzaussagen zu entnehmen, die als Orientierungswerte zur Bestimmung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen herangezogen werden können. Wichtige Tendenzaussagen sind z.B.: "Je größer das Projekt oder je umfangreicher der Plan ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen."
"Je kleiner das Vorkommen des betroffenen Lebensraums im Gesamtgebiet ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen." In der Fachliteratur, hier insbesondere im Endbericht des F-+E-Vorhabens "Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung" (Lambrecht & Trautner, Juni 2007) aufgezeigte Schwellenwerte dienen lediglich zur Orientierung und können nur zusammen mit anderen dort genannten funktionalen Kriterien auf den Einzelfall angewendet werden.

Die Ausrichtung eines Orientierungswerts an den Anforderungen des Einzelfalls bedeutet beispielsweise:
Ist der Verlust eines Einzelbaums innerhalb eines bachbegleitenden Erlen-/Eschenwaldes (Lebensraumtyp 3260 in Verbindung mit 91E0) z.B. im Zuge des Ausbaus einer Straße in dem einen Fall als unerheblich einzustufen, so führt der Verlust im anderen Fall aufgrund des Vorkommens einer wenig mobilen Anhang II-Art (Eremit, Osmoderma eremita) in diesem Baum zu erheblichen Beeinträchtigungen.

Die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung ergibt sich somit nicht nur aus der Art und Intensität der Projektwirkungen (z.B. der Größe des Bauvorhabens), sondern insbesondere auch aus

Bei der Beurteilung der Empfindlichkeit des jeweiligen Lebensraumtyps sind seine charakteristischen Arten heranzuziehen. Hierzu zählen die Arten gemäß 3.2 Standarddatenbogen sowie die gemäß BfN-Handbuch zur Natura 2000-Umsetzung von 1998 (Ssymank, A.: Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 - BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ( 92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie ( 79/409/EWG), Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz Heft 53, Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad-Godesberg, S. 558) typischen, charakteristischen und dominanten Pflanzen- und Tierarten, die den Lebensraumtyp charakterisieren, soweit sie im jeweilig zu betrachtenden Gebiet nach dem vorhandenen Kenntnisstand der zuständigen Naturschutzbehörde repräsentativ bzw. signifikant, d. h. nicht nur in Einzelexemplaren, vorkommen.

Der Erhaltungszustand der im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigenden, für den Lebensraumtyp charakteristischen Arten ist eine von drei wichtigen Größen bei der Bewertung des Erhaltungszustandes des jeweiligen Lebensraumtyps ( Art.1 e) FFH-Richtlinie). Werden erhebliche Beeinträchtigungen dieser Arten erwartet, die zu einer Verschlechterung ihres Erhaltungszustands führen können, ist damit auch eine Verschlechterung des Erhaltungszustands des Lebensraumtyps zu erwarten.

Der Flächenverlust von prioritären Lebensräumen kann unabhängig von der tatsächlichen Flächenrelation (beanspruchte Fläche zur Gesamtfläche des Lebensraumtyps) als eine erhebliche Beeinträchtigung eingestuft werden. Diese Annahme wird sich in der Regel im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung bestätigen. Voraussetzung ist, dass z.B. der betroffene prioritäre Lebensraumtyp auch als Erhaltungsziel für das jeweilige Gebiet definiert ist. Abgeleitet wird diese Auffassung aus der von der EU mit der Prioritätensetzung zum Ausdruck gebrachten höheren Gefährdung/Schutzwürdigkeit dieser Lebensräume. Eine Ausnahme kann z.B. die geringfügige Inanspruchnahme des bachbegleitenden Erlen-/Eschenwaldes (Lebensraumtyp 3260 in Verbindung mit 91E0) im Zuge einer Brückenerneuerung darstellen.

Eine erhebliche Beeinträchtigung von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie sowie nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie, die in einem Natura 2000-Gebiet nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, kann insbesondere dann vorliegen, wenn aufgrund der projekt- oder planbedingten Wirkungen

Allerdings ist keine Prüfung vorzunehmen, die über die Betrachtung des einzelnen Gebiets hinaus die Auswirkungen auf das Netz "Natura 2000" insgesamt in den Blick nimmt. Umgekehrt kann nicht eine erhebliche Beeinträchtigung mit dem Argument verneint werden, europaweit falle die Beeinträchtigung nicht erheblich ins Gewicht.

Eine erhebliche Beeinträchtigung kann auch vorliegen, wenn durch die Durchführung des Projekts die Erhaltungsziele, soweit sie die Wiederherstellung oder Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustands der Lebensraumtypen und Arten im Sinne der FFH-Richtlinie betreffen, gefährdet werden.

Werden Straßen oder andere linienhafte Vorhaben in Teilabschnitten genehmigt, sei es durch Bebauungspläne, die einen Planfeststellungsbeschluss ersetzen, oder durch andere Verfahren zur Errichtung der Straße oder des Vorhabens, müssen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung auch die Auswirkungen des Gesamtprojekts beurteilt werden. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung darf sich mithin nicht auf die Wirkungen des einzelnen Teilprojekts beschränken, sondern muss die Summationswirkungen im Zusammenhang mit anderen Teilen des Projekts oder von Plänen einbeziehen. Neben bereits realisierten sind dabei auch noch nicht realisierte Projekte und Pläne einzubeziehen, die - z.B. aufgrund eines abgeschlossenen oder förmlich eingeleiteten Gestattungsverfahrens oder bei Plänen im Stadium einer planerischen Verfestigung - hinreichend konkretisiert sind. Der Aufstellungsbeschluss allein (beispielsweise für einen Bebauungsplan) ist nicht ausreichend.

Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG sind für die Feststellung der Erheblichkeit ohne Bedeutung. Wenn aber in dem Projekt Elemente enthalten sind, die unabhängig von den Maßnahmen zur Sicherung des Netzzusammenhangs oder notwendiger Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne von § 15 BNatSchG bzw. der weiter geltenden Teile der §§ 7 (Abs. 2 Satz 3 und 5; Abs. 3 Satz 2, 2. HS (Teil von Nr. 2), Satz 3 und 5; Abs. 4 Satz 3; Abs. 6 Satz 3; Abs. 7) und 8 (Abs. 2 Satz 2 und 3) ThürNatG zu einer sofortigen Verbesserung der betroffenen Erhaltungsziele des Gebiets führen, können diese bei der Prüfung der Erheblichkeit berücksichtigt werden (Schadensbegrenzungsmaßnahmen). Maßnahmen sind dann als Schadensbegrenzungsmaßnahmen einzustufen, wenn durch solche Maßnahmen gewährleistet ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie oder von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie oder von Vogelarten gem. Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie verbleibt.

Beispiele für Schadensbegrenzungsmaßnahmen:

7.4.2.4 Umgebungsschutz (Beeinträchtigungen eines Gebiets von außen)

Projekte können auch von außen auf ein Natura 2000-Gebiet einwirken. Wenn diese Wirkungen von außen zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, greift der Umgebungsschutz und es ist eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich.

In der Regel sind die Gebiete so abgegrenzt, dass die Lebensraumtypen nach Anhang I, die Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie und die Habitate der Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie durch ausreichende Abstandsflächen von unmittelbaren Einwirkungen aus der Umgebung abgeschirmt sind.

Der Umgebungsschutz wird in der Regel nur bei Projekten wirksam werden, die die Standortfaktoren der Lebensraumtypen nach Anhang I, die Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie und die Habitate der Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie im Gebiet von außen so verändern, dass dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensraumtypen oder Habitate selbst führen kann.

Solche Veränderungen der Standortfaktoren werden z.B. durch Veränderungen des Wasserhaushaltes in einem Gebiet oder durch Stoffeinträge wie z.B. Stickstoff in das Gebiet verursacht. Der Umgebungsschutz beinhaltet auch die Gefährdung von unterirdischen Fledermausquartieren durch Erschütterungen in Folge von Sprengarbeiten.

Besonderes Augenmerk ist dabei auf den Umgebungsschutz in den Gebieten mit Fließgewässern zu legen, die wegen des Vorkommens der folgenden in Fließgewässern lebenden Arten als Natura 2000-Gebiete ausgewählt wurden:

Bei diesen Arten können sich Veränderungen aus Projekten, z.B. im Oberlauf der Fließgewässer, auf die Lebensbedingungen der Arten in den folgenden, innerhalb eines Natura 2000-Gebiets gelegenen Flussabschnitten auswirken.

Eine Wohnbebauung im unmittelbaren Umfeld eines FFH-Gebiets, unabhängig davon, ob es zum Schutz von Lebensraumtypen nach Anhang I oder Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie dient, stellt in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung für dieses Gebiet dar, soweit sie nicht im oben beschriebenen Sinn gleichzeitig zu Veränderungen im Gebiet führt.

Nicht vom Begriff des Umgebungsschutzes erfasst sind Wirkungen auf Habitate von Arten nach Anhang II oder Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie, wenn diese sich zwar in der Nachbarschaft, aber außerhalb eines FFH-Gebiets befinden, soweit sie nicht im oben beschriebenen Sinn gleichzeitig zu Veränderungen im Gebiet führen. Die Bedeutung dieser Bereiche für die jeweilige Art wird aber relevant bei der Prüfung der jeweils einschlägigen artenschutzrechtlichen Vorschriften. Es handelt sich bei den genannten Arten um nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG streng geschützte Arten.

Hingegen sind vom Begriff des Umgebungsschutzes solche Wirkungen eines Projekts erfasst, welche die Austauschbeziehungen zwischen den Natura 2000-Gebieten und -Objekten erheblich stören. Im Falle der Thüringer FFH-Objekte für den Fledermausschutz umfasst der Begriff des Umgebungsschutzes die essenziellen Nahrungshabitate der Fledermausarten, für die das Objekt ausgewiesen wurde.

7.5 Ausnahmen vom Verbot erheblicher Beeinträchtigungen

Führt die FFH-Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind, ist das Projekt unzulässig, es sei denn, es können nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG Ausnahmen zugelassen werden. Die Ausnahmeprüfung besteht aus zwei aufeinander folgenden Teilen: der Alternativenprüfung und der Ausnahmeprüfung im engeren Sinn.

Die Prüfung von Alternativen und Ausnahmen führt ebenfalls die verfahrensführende Behörde unter Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde durch. Die beteiligte Naturschutzbehörde äußert sich zu den vom Vorhabenträger vorgelegten Prüfunterlagen hinsichtlich der Verträglichkeit von Alternativen, der Bedeutung des Erhaltungsziels für das Gebiet, des Betroffen seins von prioritären Biotopen oder Arten sowie zu Maßnahmen zur Kohärenzsicherung.

7.5.1 Alternativenprüfung

Die Prüfung von Alternativen ist kein Teil der FFH-Verträglichkeitsprüfung, sondern Teil der Prüfung von Ausnahmen.

Im Rahmen des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist vorrangig das Bestehen einer zumutbaren Alternative zu prüfen. In Betracht kommen sowohl die Wahl eines anderen Standortes als auch eine andere Art der Ausführung. Durch die Alternative müssen die mit dem Projekt angestrebten Ziele im Großen und Ganzen in vergleichbarer Weise verwirklicht werden können (Identität des Projekts). Die so genannte Nullvariante, also der Verzicht auf die Realisierung des Projekts, oder z.B. der Verweis auf Alternativen außerhalb des projektbetroffenen Plangebiets oder Bundeslands gehört nicht zu den zu prüfenden Alternativen. So ist die Aufstellung eines Bebauungsplans in einer anderen Gemeinde keine Alternative für die planende Gemeinde ebenso wenig wie der Verweis auf Realisierungsmöglichkeiten außerhalb des Gemeindegebiets bei sonstigen Projekten, deren Träger die Gemeinde ist. Die Identität des Projekts ist etwa überschritten beim Verlangen eines völlig anderen Projektansatzes (Beispiel: Bahnstrecke statt Straßenbau).

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Alternativen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer zu beachten. Einerseits sind Kostengesichtspunkte bei der (alternativen) Durchführung des Projekts angemessen zu berücksichtigen und können zur Unzumutbarkeit der Alternative führen. Andererseits ist nicht jede Verteuerung eines Projekts bereits unzumutbar. Die Unverhältnismäßigkeit einer Alternative ist in jedem Fall nachvollziehbar zu begründen. Je früher Projektträger, verfahrensführende Behörde und beteiligte Naturschutzbehörde sich darüber verständigen, ob die erwarteten Wirkungen des Projektes auf die Erhaltungsziele erhebliche Beeinträchtigungen besorgen lassen, desto eher lassen sich diese Fragen klären.

Die Alternativenprüfung ist Pflicht. Besteht eine zumutbare Alternative mit geringeren oder keinen erheblichen Beeinträchtigungen auf ein Natura 2000-Gebiet, ist diese zu wählen; die Verwirklichung des Projekts in seiner ursprünglichen Gestalt ist dann unzulässig, da hierfür wegen einer realisierbaren und zumutbaren Alternative eine Ausnahme nicht erteilt werden darf.

7.5.2 Ausnahmeprüfung im engeren Sinn

Gibt es keine zumutbare Alternative oder soweit eine solche nicht ausreicht, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss das Projekt aus "zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher wirtschaftlicher und sozialer Art, notwendig" sein (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG), um zugelassen werden zu können. Als öffentliches Interesse gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG kommen alle Belange in Betracht, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Privaten, nicht zugleich öffentlichen Interessen dienende Projekte kommen damit als Rechtfertigung für die Zulassung von Ausnahmen von vornherein nicht in Betracht. Zu den öffentlichen Interessen können auch solche wirtschaftlicher oder sozialer Art wie etwa der Abbau hoher Arbeitslosigkeit oder von Entwicklungsrückständen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, gehören.

Beispiele für öffentliche Interessen, die bei der Abwägung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG ein relativ hohes Gewicht besitzen können, sind z.B. solche sozialer und wirtschaftlicher Art (§ 34 Abs. 3 BNatSchG). Dabei handelt es sich um solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder um Projekte, die maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Es bedarf immer einer Gewichtung im Einzelfall und einer Abwägung. Das Gewicht der FFH-Belange erhöht sich in dem Maße, in dem Maßnahmen zur Kohärenzsicherung, d. h. zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000", nicht möglich sind.

Allerdings genügt nicht jedes öffentliche Interesse, um ein Projekt zu rechtfertigen. Vielmehr muss das öffentliche Interesse, das mit dem Projekt verfolgt wird, im einzelnen Fall gewichtiger sein als die im konkreten Fall betroffenen und mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie geschützten Interessen. Es muss überwiegend und gleichsam "zwingend" sein.

7.5.3 Prioritäre Biotope/Arten

Das Verfahren zur Zulassung von Ausnahmen von § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ist durch § 34 Abs. 4 BNatSchG modifiziert, wenn sich in dem von dem Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Biotope oder prioritäre Arten befinden. Diese müssen von dem Projekt tatsächlich erheblich beeinträchtigt werden können.

Ist dies der Fall, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblichen günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe können nur berücksichtigt werden, wenn vor der Entscheidung über das Projekt von der verfahrensführenden Behörde zusätzlich eine Stellungnahme der Europäischen Kommission eingeholt wurde.

Die verfahrensführende Behörde übersendet zu diesem Zweck über das für Naturschutz zuständige Bundesministerium der Europäischen Kommission die zur Beurteilung der Gründe notwendigen Unterlagen. Hierbei ist der Dienstweg einzuhalten. Die für die verfahrensführende Behörde fachlich zuständige oberste Landesbehörde gibt dem für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Ministerium (oberste Naturschutzbehörde) den Vorgang zur Kenntnis.

Die Unterlagen müssen die vom Projektträger im Zulassungsantrag gemachten Angaben, ergänzt um die von der beteiligten Naturschutzbehörde abgegebene Stellungnahme und die von der verfahrensführenden Behörde danach vorgesehene Entscheidung umfassen.

Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist in der Abwägung über die Zulassung oder Durchführung des Projekts zu berücksichtigen. Die verfahrensführende Behörde hat sich also mit der Auffassung der Europäischen Kommission inhaltlich auseinanderzusetzen; sie kann nur in begründeten Fällen davon abweichen. Diese Auseinandersetzung mit der Stellungnahme ist aktenkundig zu machen. Die abschließende Entscheidung trifft nicht die Europäische Kommission, sondern die verfahrensführende Behörde.

7.5.4 Maßnahmen zur Kohärenzsicherung (Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000")

Wird ein Projekt nach § 34 Abs. 3 oder Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt, sind zeitlich lückenlos alle zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen (Maßnahmen zur Kohärenzsicherung) zu ergreifen (§ 34 Abs. 5 BNatSchG). Neben den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach der Eingriffsregelung sind diese Maßnahmen grundsätzlich gesondert zu ermitteln. Im Ergebnis können bestimmte tatsächliche Maßnahmen geeignet sein, sowohl die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Europäische Netz "Natura 2000" als auch der Eingriffsregelung zu erfüllen. Auf diese soll dann zurückgegriffen werden.

Die Maßnahmen zur Kohärenzsicherung müssen gewährleisten, dass keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Lebensraumtypen und Arten durch das Projekt zurückbleibt. In Betracht kommen nach Lage des Einzelfalls die Verbesserung, Wiederherstellung oder Neuanlage des beeinträchtigten Lebensraumtyps bzw. von Habitaten der beeinträchtigten Art

  1. vorrangig auf Flächen im Gebiet selbst oder
  2. auf Flächen in einem anderen Natura 2000-Gebiet oder
  3. auf Flächen außerhalb der Gebietskulisse, sofern diese in das Netz "Natura 2000" eingegliedert werden können. Ob dies der Fall ist, entscheidet die oberste Naturschutzbehörde. Die oberste Naturschutzbehörde meldet die Flächen zur Aufnahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung durch die EU entsprechend an.

Die Maßnahmen zur Kohärenzsicherung sind dem Projektträger aufzuerlegen. Soweit die Maßnahmen nicht in dem betroffenen Schutzgebiet durchgeführt werden sollen, sondern ausnahmsweise außerhalb, können ergänzend hoheitliche Maßnahmen beispielsweise zur Unterschutzstellung erforderlich sein. Wenn hoheitliche Maßnahmen erforderlich sind, kann sich ein Vertrag zwischen Projektträger und der Naturschutzbehörde, die tätig werden soll, anbieten.

Bei einem Nebeneinander von Maßnahmen zur Kohärenzsicherung einerseits und Kompensationsmaßnahmen nach der Eingriffsregelung andererseits haben nach dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gebot der europarechtsfreundlichen Gesetzesauslegung die Kompensationsmaßnahmen dazu beizutragen, dass der Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" sichergestellt wird.

Die verfahrensführende Behörde bezieht die Stellungnahme der Naturschutzbehörde in ihre Entscheidung über die Zulassung oder Durchführung des Projekts ein (s. Ziff. 7.4.2.1). Das Gleiche gilt für die ggf. eingeholte Stellungnahme der Europäischen Kommission (s. Ziff. 7.5.3).

In der Entscheidung werden die vom Projektträger durchzuführenden zur Erhaltung des Zusammenhangs (Kohärenz) des Europäischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen festgesetzt.

Die Europäische Kommission erhält von der zuständigen Behörde über das für Naturschutz zuständige Bundesministerium einen Abdruck der Entscheidung und eine Darstellung über die getroffenen Maßnahmen (§ 34 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Ziff. 7.5.3 zur Einhaltung des Dienstwegs bei Einschaltung der Europäischen Kommission gilt entsprechend.

8 FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen (§ 36 BNatSchG)

Für Pläne sind nach § 36 BNatSchG die Regelungen über die FFH-Verträglichkeitsprüfung und ihre Folgen entsprechend anzuwenden.

8.1 Pläne

Pläne im Sinne der Vorschriften von § 36 BNatSchG sind beispielsweise

  1. Gesamtplanungen
  2. Fachplanungen
  3. sonstige Pläne

Die Verträglichkeit eines Plans wird in dem für seine Aufstellung oder Änderung vorgeschriebenen Verfahren geprüft. Bei mehrstufigen Planungen ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Regelungsbefugnis der einzelnen Pläne und entsprechend ihrem jeweiligen Konkretisierungsgrad durchzuführen. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Zulässigkeit (einschließlich Alternativenprüfung und Ausnahmegrund) und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen - zur Wahrung des Netzzusammenhangs unter Umständen aufeinander aufbauend - in verschiedenen Plan- oder Genehmigungsverfahren stattfindet.

Die Planung und Prüfung konkreter Projekte erfolgt generell auf der Grundlage der im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen erzielten Ergebnisse. Sachverhalte, die bereits im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen berücksichtigt wurden, bedürfen in der Regel keiner erneuten Prüfung.

Nicht zu den Plänen im o. g. Sinn zählen wegen fehlender Verbindlichkeit:

Sinnvoll ist es jedoch hier, bei Betroffenheit von Natura 2000-Gebieten die unteren Naturschutzbehörden frühzeitig einzubinden, um bereits in diesen frühen Planungsphasen den mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie verfolgten Zielen entsprechen zu können.

Nicht zu den Plänen im o. g. Sinn zählen wegen fehlender Konkretheit Bewirtschaftungspläne nach § 83 WHG.

8.2 Bauleitplanung

Die Anforderungen der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie sind gemäß § 36 Satz 2 BNatSchG auf Bauleitpläne und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB (Ergänzungssatzungen) anzuwenden. Die Verpflichtung zur Prüfung der Verträglichkeit sowohl für Bauleitpläne als auch für Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB ergibt sich unmittelbar aus den für diese Planungen geltenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen (§ 36 Satz 2 BNatSchG, §§ 1a, 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Bauleitpläne sind alle Flächennutzungspläne, Bebauungspläne sowie vorhabenbezogene Bebauungspläne im Sinne des § 12 BauGB. Für Bauleitpläne ist die Prüfung der Verträglichkeit integrativer Bestandteil des Aufstellungsverfahrens.

Ausdrücklich ausgenommen aus dem Anwendungsbereich des § 34 BNatSchG sind nach § 34 Abs. 8 BNatSchG Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB, weil eine entsprechende Prüfung nach § 1a BauGB schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans durchzuführen ist.

Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist ferner nicht für Vorhaben erforderlich, die nach § 33 BauGB während der Aufstellung des Bebauungsplans zugelassen werden, da auch hier die FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Aufstellung des Bebauungsplans abgearbeitet werden muss. Planreife setzt insoweit voraus, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens bereits so weit abgeschlossen ist, wie es für die Beurteilung des Vorhabens erforderlich ist.

Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB, Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB sowie die eine Planfeststellung ersetzenden Bebauungspläne erfordern dagegen eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG (Umkehrschluss aus § 34 Abs. 8 BNatSchG), sofern die Möglichkeit der Beeinträchtigung nicht von der Hand zu weisen ist. Ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung schon beim Erlass einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB durchgeführt worden, bedarf es einer solchen bei der späteren Zulassung eines Vorhabens im Geltungsbereich dieser Satzung nicht mehr.

Werden etwa durch einen Bebauungsplan Flächen durch die Planung betroffen, die für die Meldung des Gebiets maßgeblich waren, besteht generell die Notwendigkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung. Zu nennen sind hierbei beispielsweise Zerschneidungseffekte oder andere vom Bebauungsplangebiet ausgehende Einwirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet.

Ein Grenzwert oder Mindestabstand, ab dem bei Natura 2000-Gebieten von einer erheblichen Beeinträchtigung etwa durch in Flächennutzungsplänen darzustellende Bauflächen im Sinne des § 1 Abs. 1 Baunutzungsverordnung ( BauNVO) oder in Bebauungsplänen auszuweisende Baugebiete im Sinne des § 1 Abs. 2 BauNVO ausgegangen werden muss, ist mit dem Ziel der einzelfallbezogenen FFH-Verträglichkeitsprüfung unvereinbar (s. Ziff. 7.4.2.4). Dem Vorteil der vermeintlich klaren Abgrenzbarkeit steht der Nachteil der mangelnden Rechts- und Planungssicherheit (Prozessrisiko) und ggf. die Frage der Amts- und Staatshaftung bei fehlerhaften Planungen gegenüber.

Ergibt die FFH-Verträglichkeitsprüfung, dass erhebliche Beeinträchtigungen durch die Bauleitplanung nicht zu erwarten sind, besteht insoweit kein Zulassungshindernis für diese Planung. Auch in Fällen, in denen eine Beeinträchtigung nicht erheblich ist, ist insbesondere für eine langfristige Planung in Erwägung zu ziehen, bestimmte Abstände zu dem Natura 2000-Gebiet nicht zu unterschreiten und über diese planerischen Maßnahmen mögliche Beeinträchtigungen zu minimieren oder die Schutzwirkung zu optimieren. Dies ist insbesondere auf der Ebene der Flächennutzungsplanung von Bedeutung. Hier ist darüber zu entscheiden, in welcher Lage und in welchem Abstand zu den Natura 2000-Gebieten neue Bauflächen dargestellt werden sollen.

Ergibt die Ermittlung der Umweltauswirkungen im Bauleitplanverfahren, dass die Planung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele eines Natura 2000-Gebiets führen kann, ist der Plan unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG), soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG vorliegen (§ 36 Satz 2 BNatSchG). Das Ergebnis der Prüfung nach § 34 Abs. 2 bis 5 BNatSchG unterliegt nicht der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 BauGB. Ein Ermessensspielraum besteht innerhalb des § 34 Abs. 2 BNatSchG nicht.

Die Zulassung des Plans trotz erheblicher Beeinträchtigungen erfordert - wie beim Projekt - das Fehlen einer zumutbaren Alternativlösung. Die Frage lautet also: Können die mit dem Plan verfolgten Zwecke an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreicht werden? Die zumutbaren Alternativen müssen gleichwertig sein (s. Ziff. 7.5.1).

Wird eine Ausnahme zugelassen, sind gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG die zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen (Maßnahmen zur Kohärenzsicherung) vorzusehen. Dabei geht es darum, die verloren gegangenen Funktionen dieses Gebiets für das Europäische ökologische Netz "Natura 2000" wieder herzustellen, so dass der Status Quo des Netzes aufrechterhalten bleibt. Hierüber ist die Europäische Kommission über das für das Naturschutzrecht zuständige Bundesministerium zu unterrichten.

Weitere Voraussetzung für eine Ausnahme ist - wie bei den Projekten - das Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses. Bei Bauleitplänen können zu den öffentlichen Interessen je nach Einzelfall auch infrastrukturelle Anforderungen, etwa die Begründung eines Gewerbegebiets mit dem Ziel der Arbeitsplatzerhaltung oder -schaffung (wobei erkennbar strukturelle Auswirkungen absehbar sein müssen), zählen. Für die Zulässigkeit einer solchen Ausnahme ist es aber nicht ausreichend, dass überhaupt öffentliche Interessen für den Plan sprechen. Sie müssen überwiegend sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Bewertung der beeinträchtigten Erhaltungsziele und der mit dem Plan verfolgten öffentlichen Belange zu ermitteln. Auch hier gilt der Grundsatz: Die mit der Planung verfolgten öffentlichen Belange müssen umso höherwertiger sein, je schutzwürdiger die Lebensraumtypen oder Arten sind, um derentwillen das Gebiet als Natura 2000-Gebiet gemeldet wurde.

Zur Beteiligung der Europäischen Kommission gilt Ziff. 7.5.3 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Stellungnahme über das für die Bauleitplanung zuständige Ministerium einzuholen ist.

8.3 Plangewährleistung

Eine Anpassungspflicht für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Fassung dieses Erlasses (21.12.1999) bestehende Pläne besteht nicht in den Fällen, in denen über die Behördenverbindlichkeit hinaus Rechte für Dritte begründet worden sind, deren Entzug den Tatbestand einer Enteignung oder einer entschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums darstellen würde (Bestandsschutz). Dies kommt insbesondere bei einem Bebauungsplan und einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Betracht (§ 42 BauGB).

8.4 Planungen verschiedener Ebenen

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist entsprechend der jeweiligen Planungsebene durchzuführen. Planungen nachgeordneter Ebenen haben die Prüfergebnisse der höheren Ebene zu berücksichtigen und im erforderlichen Umfange zu präzisieren bzw. zu überprüfen. Letzteres ist insbesondere dann geboten, wenn entscheidungserhebliche Daten (z.B. Projektwirkungen oder Artnachweise) erst zum Zulassungsverfahren vorgelegt bzw. bekannt werden.

9 Verhältnis zu anderen naturschutzrechtlichen Vorschriften

9.1 Ausnahmen und Befreiungen von Schutzgebietsbestimmungen

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung lässt die Notwendigkeit der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung, weil es sich um einen besonders geschützten Teil von Natur und Landschaft (§ 20 Abs. 2 und §§ 23 bis 30 BNatSchG, § 26 ThürNatG) handelt, unberührt.

Eine Ausnahme oder Befreiung nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften ersetzt keine FFH-Verträglichkeitsprüfung; umgekehrt ersetzt auch die FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht eine Ausnahme oder Befreiung. Im Falle von Naturschutzgebieten führt die zuständige Naturschutzbehörde beide Prüfungen gleichzeitig durch (s. Ziff. 7.4.2.1).

9.2 Verhältnis zur Eingriffsregelung

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG ersetzt nicht die Anwendung der Eingriffsregelung nach den §§ 13 ff. BNatSchG und nach den Vorschriften über die Integration der Eingriffsregelung in die Bauleitplanung gemäß § 18 BNatSchG. Auch § 17 Abs. 2 BNatSchG (Verfahren der Beteiligung von Behörden des Bundes) ist weiterhin anzuwenden.

Mögliche erhebliche Beeinträchtigungen einer Art des Anhangs IV der FFH-Richtlinie werden bei Vorliegen eines Eingriffs zunächst im Rahmen der Eingriffsregelung abgearbeitet. Sind artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt, muss über eine Ausnahme nach Artenschutzrecht in einem gesonderten Verfahren befunden werden.

9.3 Verhältnis zur Landschaftsplanung

In den Landschaftsplänen und Landschaftsrahmenplänen sind die Erfordernisse und Maßnahmen zur Sicherung des Europäischen Netzes "Natura 2000" darzustellen. Diese Inhalte der Landschaftsplanung sind darauf auszurichten, eine Beurteilung der Verträglichkeit von Projekten i. S. der §§ 34 und 35 BNatSchG zu erleichtern. Hierzu sind insbesondere die Natura 2000-Gebiete und ihre Erhaltungsziele darzustellen und unter Berücksichtigung der Managementpläne bzw. Fachbeiträge und vorläufiger Behandlungskonzepte zu konkretisieren, soweit nicht durch eine Schutzverordnung nach § 20 Abs. 2 BNatSchG abschließende Regelungen getroffen sind. Die Naturschutzbehörde soll im Rahmen ihrer Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Managementpläne und Fachbeiträge weiter gehende Erfordernisse und Maßnahmen vorsehen, die der Umsetzung der Erhaltungsziele bzw. dem Schutzzweck dienen.

10 Inkrafttreten/Außerkrafttreten

Die Neufassung der Hinweise tritt mit Wirkung vom 01.01.2015 in Kraft und am 31.12.2019 außer Kraft. .

  Anlage

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