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Regelwerk, Biotechnologie

BVL 56/2007/4 - Gentransfer mit Hilfe retroviraler Vektoren
Häufig durchgeführten gentechnischen Arbeiten mit den zugrunde liegenden Kriterien der Vergleichbarkeit:

- Aktualisierung der allgemeinen Stellungnahme der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) -

Vom 18. September 2007
(BAnz. Nr. 29 vom 21.02.2008 S. 658)



1 Beschreibung des retroviralen Systems

1.1 Allgemeine Einführung

Retroviren (Familie: Retroviridae) sind umhüllte RNA-Viren, die durch das "International Committee an Taxonomy of Viruses" (ICTV) aufgrund ihrer genetischen Nähe in zwei Unterfamilien, die der Orthoretroviren und die der Spumaretroviren, und sieben Gattungen unterteilt wurden.

Das Genom replikationskompetenter Retroviren besteht aus zwei identischen einzelsträngigen RNA-Molekülen mit einer Länge von 7-15 Kb [1]. Sie replizieren über ein doppelsträngiges DNAIntermediat (Provirus), das sich stabil in das Genom der infizierten Zelle integriert. Die drei Gene gag, pol und env sind die Grundbestandteile eines jeden retroviralen Genoms (Abbildung 1).

Abbildung 1:

 

  1. Genkarte eines einfachen Retrovirus am Beispiel des Moloney Maus Leukämie Virus-Provirus (MoMLV). PBS (primer binding site) ist die Bindestelle für den tRNA-Primer; ψ kennzeichnet das Verpackungssignal; gag (gruppenspezifische Antigene), pol (reverse Transkriptase und Integrase) und env (Hüllproteine) sind kodierende Regionen, LTR (long terminal repeats) beinhalten repetitive Sequenzen, die an beiden Termini des DNAGenoms vorkommen. Die Abbildung wurde modifiziert nach [1].
  2. Genkarte eines komplexen Retrovirus am Beispiel des HIV-Provirus. Neben den regulatorischen Elementen, wie LTR, Verpackungssignal ψ, der Primer binding site (PBS), der Tat-Aktivierungsregion (tar) und dem "revresponsiveelement" (RRE) sowie den Genen gag, pol und env weist HIV und eine ganze Reihe weiterer Leserahmen auf, die für regulatorisehe Proteine kodieren. Abbildung entnommen und modifiziert nach http://hivweb.1anl.gov/MAP/landmark.html

An beiden Termini des DNA-Genoms (Provirus) befinden sich die sogenannten LTR (long terminal repeat) mit Promotor- und Enhancereigenschaften. Sie beinhalten die repetitiven Sequenzen U3RU5, wobei die Repetition R auch an beiden Termini des RNA-Genoms vorkommt. U5 (unique sequence) bezeichnet eine Nukleotidsequenz, die auf dem RNA-Genom nur am 5'-Ende auftritt, und die als U3 (unique sequence) bezeichnete Sequenz ist im RNA-Genom nur am 3'-Ende vorhanden. Sie sind für die Reverse Transkription des Genoms von Bedeutung. Komplexe Retroviren enthalten über diese Sequenzen hinaus noch verschiedene weitere Leserahmen, deren Genprodukte regulatorische Funktionen übernehmen (siehe Abbildung 1).

1.2 Gentransfer mit Hilfe retroviraler Vektoren

Rekombinante Retroviren für den Gentransfer wurden ursprünglich auf der Basis muriner Retroviren, vor allem dem Moloney Maus Leukämie Virus (MoMLV), entwickelt. Sie transduzieren ausschließlich sich teilende Zellen. Sie können zwar von nichtteilenden Zellen aufgenommen werden, jedoch ist das Nukleokapsid nicht in der Lage, die Kernmembran zu passieren. Erst wenn sich diese während der Zellteilung auflöst, gelangt es in den Kern [2]. Um auch nichtteilende Zellen oder terminal differenzierte Zellen stabil zu transduzieren, werden retrovirale Vektoren hergestellt, die sich von Lentiviren ableiten. Wurden die frühen lentiviralen Vektoren von HIV-1 [3] und SIV (Simian Immunodefizienzvirus) abgeleitet, sind inzwischen auch Vektorsysteme auf Grundlage des FIV (Felines Immundefizienzvirus) [4], EIAV (Equine infectious anemia virus) [5], CAEV (Caprine Arthritis Enzephalitis Virus) [6], BIV (Bovines Immunodefizienzvirus) [7] und MVV (Maedi/Visna Virus) [8] entwickelt worden.

Murine retrovirale Vektoren

Die Herstellung rekombinanter Retroviren, die von murinen Retroviren abgeleitet sind, umfasst zwei Komponenten, den retroviralen Vektor und die Verpackungszelllinie (Abbildung 2). Der retrovirale Vektor ist ein Plasmid, das in der Regel von pBR328 abgeleitet ist. Er kodiert nicht für retrovirale Proteine, sondern verfügt nur über das Verpackungssignal ψ, die Primer-Bindestelle PBS und die retroviralen 5'- und 3'-LTR, die eine Insertionsstelle für das zu übertragende Gen sowie ggf. einen Selektionsmarker flankieren. Die Expression von mehr als einem Transgen wird durch eine bicistronische Expressionskassette, welche die IRES (Internal Ribosome Entry site)-Sequenz aus Picorna-Viren enthält, erreicht. Durch Bindung der Ribosomen an die IRES wird eine capunabhängige Translation der Proteine ermöglicht. Die Verpackungszelllinie stellt die retroviralen Proteine zur Verfügung, die für die Verpackung der Vektor-RNa und somit für die Erzeugung retroviraler Partikel notwendig sind. Die Verpackungszelllinie wird hergestellt, indem Nukleinsäure (Helfergenom), die für die retroviralen Strukturproteine kodiert, in eine Zelllinie eingeführt wird. Bei diesem Helfergenom ist das Verpackungssignal ψ deletiert, so dass virale RNA, die in der Verpackungszelllinie von dem Helfergenom abgelesen wird, nicht in Virionen verpackt wird. Wurden in den ersten konstruierten Verpackungszelllinien die Strukturgene gemeinsam in die Zelle eingeführt, werden gag-pol und env inzwischen getrennt voneinander in die Zelle transfiziert, um Rekombinationsereignisse während der Zellproliferation zu minimieren [9].

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