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Regelwerk

Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) zu genetischen Untersuchungen bei nichteinwilligungsfähigen Personen nach § 14 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Nr. 1 c GenDG

Vom 26.07.2011
veröffentlicht und in Kraft getreten am 27.07.2011
(Bundesgesundheitsbl. Nr. 11 vom Nov. 2011 S. 1257)


I. Vorwort

Am 1. Februar 2010 ist in Deutschland das Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG) in Kraft getreten. Die Aufgabe, Richtlinien im gesetzlichen Rahmen (§ 23 GenDG) für verschiedene Teilbereiche des GenDG zu erarbeiten, wurde der am Robert Koch-Institut (RKI) eingerichteten Gendiagnostik-Kommission (GEKO) übertragen. Die GEKO ist aus 13 Sachverständigen aus den Fachrichtungen Medizin und Biologie, zwei Sachverständigen aus den Fachrichtungen Ethik und Recht sowie drei Vertretern der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen zusammengesetzt.

Die GEKO hat unter anderem den gesetzlichen Auftrag, den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik in Bezug auf die Erforderlichkeit einer genetischen Untersuchung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 Nr. 1 festzulegen (§ 23 Abs. 2 Nr. 1c GenDG).

Diese Richtlinie gilt für die Vornahme genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken an Personen, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweite der genetischen Untersuchung zu erkennen und ihren Willen hiernach auszurichten (nichteinwilligungsfähige Personen). Die Nennung von bestimmten genetisch bedingten Erkrankungen oder gesundheitlichen Störungen erfolgt in dieser Richtlinie beispielhaft. Diese Beispiele sollen die Aussage der Richtlinie nur verdeutlichen.

II. Feststellung der Nicht-Einwilligungsfähigkeit

Nicht einwilligungsfähig ist diejenige Person, die z.B. wegen Minderjährigkeit, psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung dauerhaft oder vorübergehend nicht in der Lage ist, den für die Entscheidung über eine genetische Untersuchung relevanten Sachverhalt zu verstehen, die sich daraus ergebenden Folgen und Risiken zu verarbeiten und auf der Basis ihrer Werthaltung zu beurteilen, um auf dieser Grundlage eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen ( 1, 2, 3, 4).

Die Nicht-Einwilligungsfähigkeit wird von der verantwortlichen ärztlichen Person dokumentiert, in Zweifelsfällen können geeignete Fachärzte hinzugezogen werden.

Die altersbedingte Nicht-Einwilligungsfähigkeit endet spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Einwilligungsfähigkeit entwickelt sich mit zunehmender Reife und kann deshalb auch bei Jugendlichen schon vorhanden sein. Sie ist kontextabhängig zu beurteilen. Ob die Einwilligungsfähigkeit bereits vorliegt, ist von der verantwortlichen ärztlichen Person im Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Entwicklung des Minderjährigen und der Art und Bedeutung der genetischen Untersuchung zu beurteilen. Dabei ist zu bedenken, dass die Inhalte genetischer Untersuchungen u. U. schwieriger als andere medizinische Maßnahmen zu vermitteln sind und erhebliche Tragweite haben können. Im Zusammenhang mit Fragen der Familienplanung sollte der Stand der sexuellen Entwicklung und Aktivität berücksichtigt werden.

Bei krankheits- oder störungsbedingter Beschränkung der Einwilligungsfähigkeit ist ebenfalls unter Berücksichtigung der individuellen Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Verständnisanforderungen, die die konkret bevorstehende genetische Untersuchung stellt, über die Einwilligungsfähigkeit zu entscheiden.

III. Grundsätze für die Zulässigkeit von genetischen Untersuchungen bei nichteinwilligungsfähigen Personen

Das GenDG soll vor möglichen, mit genetischen Untersuchungen verbundenen Gefahren für die Achtung und den Schutz der Menschenwürde, die Gesundheit und die informationelle Selbstbestimmung schützen. Bei einer nichteinwilligungsfähigen Person muss in besonderer Weise auf diesen Schutz geachtet werden, weil diese Person nicht selbst in der Lage ist, eine eigene informierte Entscheidung über die Durchführung genetischer Untersuchungen zu treffen. Auf der anderen Seite kann eine auf Grund genetischer Untersuchungen gestellte Diagnose bei genetisch bedingten Erkrankungen therapeutische Maßnahmen ermöglichen, gesundheitliche Störungen vermeiden und unter Umständen sogar Leben retten. Daher muss eine genetische Untersuchung unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einer nichteinwilligungsfähigen Person zulässig sein.

Sowohl eine diagnostische als auch eine prädiktive genetische Untersuchung mit unmittelbarem Nutzen für die nichteinwilligungsfähige Person dürfen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 GenDG sind ( 5, 6). In jedem Fall ist der Nutzen für die nichteinwilligungsfähige Person besonders sorgfältig gegenüber möglichen Belastungen und nachteiligen Folgen abzuwägen. Das schließt die informationelle Selbstbestimmung, insbesondere das Recht auf Nichtwissen ein.

Noch strengere Voraussetzungen bei der Risiko-Nutzen-Abwägung gelten in den Fällen ohne unmittelbaren Nutzen für die nichteinwilligungsfähige Person nach § 14 Abs. 2 GenDG.

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