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Regelwerk, Energienutzung, Störfall-&Katastrophenschutz

ILK-04-D - Empfehlungen zur Nutzung von Probabilistischen Sicherheitsanalysen im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren
- Hessen -

Fassung vom 2.Juli 2001
(St.Anz. Hessen Nr. 27 vom 02.07.2001 S. 2424)



Erstellt durch die Internationale Länderkommission Kerntechnik - ILK: Mai 2001

1. Einleitung

Die Sicherheit von Kernkraftwerken fußt auf dem "Defence-in-Depth" -Konzept, das sich - zusammen mit entsprechenden Vorsorgemaßnahmen - als wirksames deterministisches Auslegungsprinzip bewährt hat. Innerhalb der einzelnen Stufen des Konzeptes sind Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten, woraus insgesamt eine konservative Auslegung und Betriebsführung der Anlagen resultieren. Eine im Allgemeinen bemerkenswerte Sicherheitsbilanz - zumindest für westliche Anlagen - wurde so erzielt.

Ein Gebot für den Betrieb von Kernkraftwerken ist die Anpassung der Anlagen an den jeweils gültigen Stand von Wissenschaft und Technik. In einigen Fällen wurden dabei Maßnahmen zum Erhalt bzw. zur Wiederherstellung der Sicherheitsreserven in der Auslegung und/oder des Betriebs durchgeführt. In anderen Fällen wurde mit den Änderungen ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn angestrebt, wobei rückblickend für die letztgenannten Fälle konstatiert werden muss, dass mit den getroffenen Maßnahmen nicht immer ein spürbarer Sicherheitsgewinn verbunden war. Dies ist zum einen darin begründet, dass das absolute Sicherheitsniveau der Anlagen bereits vorher sehr hoch und weitgehend ausgewogen war. Zum anderen war während der ersten Jahre der Kernenergienutzung der Sicherheitsgewinn, der mit einer jeweils umgesetzten Maßnahme wirklich erreicht wurde, nicht quantitativ feststellbar.

In den letzten drei Jahrzehnten wurde eine neue analytische Methode, die probabilistische Sicherheitsanalyse (PSA), entwickelt, die dies erlaubt. Die Methodik wurde mannigfach angewendet und gestattet auch, die erreichte Schadensvorsorge im Sinne des Atomgesetzes quantitativ aufzuzeigen.

Die ILK ist davon überzeugt, dass die PSa mittlerweile einen Reifegrad erreicht hat, der gestattet, sie für Maßnahmen und Entscheidungen im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren ergänzend zu nutzen. Sie kann wertvolle Erkenntnisse zur Effizienz geplanter Änderungsmaßnahmen liefern; sie hilft, möglicherweise verbliebene Schwachstellen zu identifizieren, und schafft Voraussetzungen für die vergleichende Bewertung der integral erreichten Sicherheit.

Die ILK hat sich mit dem internationalen Stand der Anwendung probabilistischer Sicherheitsanalysen und deren Nutzung im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren beschäftigt. In der Bundesrepublik Deutschland werden solche Analysen in erster Linie im Rahmen der 10-jährlichen periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) verwendet. Dem dafür entwickelten Leitfaden entsprechend wird für ein Spektrum interner auslösender Ereignisse die Häufigkeit von Gefährdungszuständen ermittelt unter Einbeziehung der aktiven Funktion bzw. aktiver Funktionselemente des Sicherheitsbehälters. Ein Gefährdungszustand liegt vor, wenn. das auslösende Ereignis nicht durch die dafür vorgesehenen Sicherheitssysteme beherrscht wird; von anlageninternen Notfallschutzmaßnahmen wird dabei nicht Kredit genommen.

Das im Rahmen der PSU gewählte und von den Betreibern in einer freiwilligen Selbstverpflichtung umgesetzte Vorgehen stellt ein deutsches Spezifikum dar. Dessen Hauptzielrichtung ist es, die mit deterministischen Methoden erreichte Ausgewogenheit des Sicherheitskonzeptes nachträglich mit probabilistischen Methoden zu überprüfen und möglichst zu bestätigen. Das von der ILK empfohlene Vorgehen geht darüber hinaus und folgt dabei der sich heute entwickelnden internationalen Praxis, PSAs verstärkt auch zur Bewertung von Änderungen und des mit einer Anlage verbundenen Risikos zu nutzen.

Die ILK weist darauf hin, dass aus einer PSa weit mehr als ausschließlich Zahlenwerte resultieren. Aus einer PSa ergeben sich wertvolle Erkenntnisse zum Ablauf potentieller Unfallsequenzen (sog. Ereignisabläufe), zur Bedeutung von Systemfunktionen und Schlüsselkomponenten, menschlichen Handelns sowie zum Einfluss getroffener Annahmen auf das Ergebnis. Die Gesamtheit dieser Erkenntnisse stellt - zusammen mit den Zahlenwerten - den Gebrauchswert einer PSa dar. Die ermittelten Zahlenwerte, wie z.B. die Kernschadenshäufigkeit (Core Damage Frequency, CDF), sind im Übrigen mit Unsicherheiten behaftet, die aber über geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilungen dargestellt werden können.

Die ILK ist der Ansicht, dass PSAs ein ergänzendes Instrumentarium darstellen, mit dem die Effizienz behördlicher Entscheidungen weiter gesteigert werden kann. Deshalb gibt sie die folgenden Empfehlungen und bietet an, in Einzelfragen beratend tätig zu werden.

2. Empfehlungen

2.1 Empfehlung 1: Verstärkte Anwendung probabilistischer Sicherheitsanalysen

Ziel der Behörden sollte sein, die Effizienz von Genehmigung und Aufsicht dadurch zu steigern, dass die Maßnahmen ihrer nachweislichen sicherheitstechnischen Bedeutung entsprechen; dazu sollten probabilistische Sicherheitsanalysen (PSA) verstärkt durchgeführt und angewendet werden.

Umsetzung:

  1. Die Behörden sollten in ihrem Entscheidungsprozess probabilistische Risiko-Information mit dem Ziel verwenden, ein hohes Sicherheitsniveau dauerhaft zu gewährleisten. Die über die bisher vorliegenden Analysen hinausgehenden neuen Untersuchungen, mit denen diese Informationen in vollem Umfang bereitgestellt werden, sollten zeitlich gestaffelt durchgeführt werden.
  2. Quantitative Ziele zur Beurteilung von Änderungen der Technik oder Betriebsweisen einer Anlage sollten sich an der Ausgewogenheit der Sicherheitssysteme insgesamt sowie am Sicherheitsniveau vergleichbarer Anlagen orientieren. Soweit absolute Zielvorgaben benötigt werden, sollten die Empfehlungen der internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) zur Orientierung herangezogen werden; dabei ist die Vergleichbarkeit der Analysemethoden zu beachten.

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