umwelt-online: Methoden und Maßstäbe zur BBodSchV (2)

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2.3.1.5 Bewertungsmaßstab für krebserzeugende Stoffe

Für kanzerogene Wirkungen wird kein TRD-Wert abgeleitet, weil grundsätzlich nicht von einer tolerierbaren Stoffdosis gesprochen werden kann. Statt dessen wird bei kanzerogenen Stoffen von einer resorbierten Körperdosis ausgegangen, die einem einzelstoffbezogenen zusätzlichen rechnerischen Risiko von 1:100.000 (1 x 10-5), durch lebenslange Exposition gegenüber dem betreffenden Gefahrstoff an Krebs zu erkranken, entspricht. Diese Risikohöhe geht auf ein Votum des Sachverständigenrates für Umweltfragen zurück (SRU, 1993). Die Gesundheitsministerkonferenz folgt dem SRU in der Erläuterung ihrer Entschließung vom 17./18. November 1994 zum Stellenwert quantitativer Risikoabschätzungen im umweltbezogenen Gesundheitsschutz. Das Risiko von 10-5 könnte demnach für Einzelsubstanzen das Ziel für eine stufenweise Absenkung von Konzentrationswerten sein. In diesem Sinne ist hier das rechnerische Risiko von 10-5 für kanzerogene Wirkungen zugrunde zu legen. Es ist dem Schutzniveau des TRD-Wertes gleichgesetzt. Diese Festlegung entspricht 1/40 des vom Länderausschuß für Immissionsschutz (LAI) verwendeten Bewertungsmaßstabes für Vielstoffbelastungen (Risiko 1 : 2.500 oder 40 x 10-5, LAI, 1992), den er für einen ersten Schritt der Minimierung des Risikos durch alle krebserzeugenden Luftverunreinigungen anstrebt.

Die Grundlage der dem rechnerischen Risiko entsprechenden stoffspezifischen Dosis ist das "unit risk", das aus Veröffentlichungen anderer kompetenter Organisationen oder Institutionen wie LAI, DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg), WHO und US-EPa zu entnehmen Ist. Der Bewertungsmaßstab für krebserzeugende Stoffe hebt die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer schädlichen Wirkung einer durch eine Bodenkontamination/Altlast bedingten Zusatzbelastung aus dem "Rauschpegel" einer ubiquitären Wirkung durch die weitgehend in der Umwelt verteilten Schadstoffe heraus. Unterhalb dieses Bewertungsmaßstabes sind die durch eine Bodenkontamination/ Altlast bedingten Zusatzbelastungen für den Menschen in der Regel kaum meßbar und zuzuordnen. Gleichwohl bedeutet die Nicht-Meßbarkeit aber keineswegs, daß das Vorkommen krebserzeugender Stoffe in Böden und in der Umwelt damit unbedenklich wäre.

Die "akzeptierbare" Zunahme der Tumorinzinidenz um einen Fall bei 100.000 Exponierten berücksichtigt nur das statistische Kriterium der Inzidenz, und zwar durchgängig für alle Tumorarten. Krebserkrankungen wird aber ein höchst unterschiedlicher Stellenwert im Hinblick auf Frühwarnsymptome, Malignität und Metastasierungsneignung, Heilbarkeit, Behandlungskosten und vor allem Verlauf und dessen Einfluß auf die Lebensqualität zugeordnet (siehe Sachverständigenrat für Umweltfragen, 1995, Kasten in Tz. 86). Eine derartig differenzierte Betrachtung wird für die "Ableitungsmäßstäbe . . ." jedoch nicht vorgenommen. Sie wäre in Zukunft erneut zu prüfen, wenn im Sinne der Anforderung des Sachverständigenrates für Umweltfragen ein übergreifendes Konzept für die Bewertung der unterschiedlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Krebserkrankungen gefunden werden kann.

2.3.1.6 Annahmen zur Resorption

Bei bestimmten Expositionsszenarien können mehrere Aufnahmewege (häufig inhalativ und oral) gleichzeitig eine Rolle spielen. Für die Möglichkeit einer angemessenen Berücksichtigung der pfadspezifischen Anteile werden die humantoxikologischen Bewertungsmaßstäbe als resorbierte Dosen ausgewiesen. Um eine innere Gesamtbelastung zu ermitteln, wird die jeweilige pfadspezifisch zugeführte Schadstoffmenge mit der Resorptionsquote multipliziert, um die anteilige innere Belastung zu erhalten. Es wird stoffspezifisch angegeben (Umweltbundesamt, 1999), welche Resorptionsquote zur Ableitung des TRD-Wertes aus den tierexperimentellen Daten eingesetzt und welche Quote beim Menschen zur Rückrechnung auf die zugeführten Schadstoffmengen verwendet wird.

Bei vielen Stoffen existieren keine Untersuchungen zur Resorptionsquote bei Mensch oder Tier. In diesen Fällen wird, falls die qualitative Betrachtung der Stoffeigenschaften für eine gute Bioverfügbarkeit spricht, als angenommene Resorption 100 % verwendet.

2.3.1.7 Extrapolation, Verwendung von Sicherheitsfaktoren

Bei der Ableitung wird möglichst auf detailliert berichtete und belastbare Humandaten zurückgegriffen. Soweit diese nicht vorliegen, wird auf tierexperimentelle Untersuchungen zurückgegriffen und mit Faktoren auf das Schutzgut empfindliche Personen(gruppen) extrapoliert. Die verwendeten Sicherheitsfaktoren entsprechen im wesentlichen denen, die von WHO und EPa verwendet werden. Weitere (Sicherheits-)Faktoren, die auch von der WHO und der EPa angewendet werden und die unwägbare Risiken oder einer unzureichenden Datenlage Rechnung tragen, werden nicht vorgesehen. Die einzelnen Sicherheitsfaktoren beruhen nur zu einem Teil auf Konventionen, im wesentlichen bezüglich des angestrebten Schutzniveaus und der statistischen Sicherheit. Zu einem weiteren Teil beruhen sie auf biologisch plausiblen Annahmen zu den Variabilitäten und Empfindlichkeitsunterschieden zwischen Mensch und Tier und stellen in diesem Sinne eher eine Extrapolation als die Einrechnung eines Sicherheitsspielraumes dar (Kalberlah und Schneider, 1998). Ausgehend von der dokumentierten Effektdosis bzw. -konzentration werden im einzelnen folgende Sicherheitsfaktoren (SF) zum Ansatz gebracht, um den TRD-Wert abzuleiten:

Tabelle 1: Übersicht zu den für TRD-Werte relevanten Sicherheitsfaktoren

Art der SF Art der Extrapolation:
a) SFa: Zur Abschätzung eines chronischen NOAEL durch Hochrechnung von subchronischer auf chronische Expositionsdauer (entfällt bei Vorliegen bewertbarer chronischer experimenteller oder epidemiologischer Untersuchungen) Unterschied zwischen Lang- und Kurzzeitbelastung bei Mensch oder Versuchstier
b) SF

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