umwelt-online: Großflächige Einzelhandelsvorhaben im Bau- und Landesplanungsrecht (2)

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5. Auswirkungen von großflächigen Einzelhandelsvorhaben

§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO erfasst großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe, die sich nach Art, Lage und Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung (siehe Nr. 3) oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können.

5.1 Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung

Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist ( § 1 Abs. 3 BauGB). Der Flächennutzungsplan und die Bebauungspläne liefern daher die Grundlage für die Beschreibung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung; sie werden ergänzt durch vorhandene Rahmenpläne oder durch die tatsächliche städtebauliche Situation.

Als Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nennt § 11 Abs. 3 Satz 2 beispielhaft Auswirkungen

Die Aufzählung ist nicht erschöpfend, und weitere Fälle sind denkbar. § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO setzt aber nicht voraus, dass der Eintritt der genannten Auswirkungen nachgewiesen wird. Es reicht aus, wenn ihr Eintreten möglich ist (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 - 4 C 54.80 - BVerwGE 68, 342).

Bei der Beurteilung, ob die Auswirkungen erheblich sind, kommt es insbesondere auf die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihre betroffenen Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und auf das Warenangebot des Betriebes an ( § 11 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 BauNVO).

  1. Auswirkungen durch schädliche Umwelteinwirkung
    Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen ( § 3 Abs. 1 BImSchG). Erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft können durch den Zu- und Abgangsverkehr zu dem Vorhaben entstehen, wenn zum Beispiel sich hierdurch die Lärm- oder Abgasbelastung in Wohnstraßen erheblich erhöht. Aber auch das Be- und Entladen oder die Störung durch Maschinenanlagen (Lüftungsanlagen) können die Nachbarschaft erheblich beeinträchtigen.
  2. Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung und den Verkehr
    Bei der infrastrukturellen Ausstattung geht es um Erschließungsanlagen, die örtlichen und überörtlichen Verkehrseinrichtungen, den öffentlichen Personennahverkehr, den Bau neuer oder um bestehende Verkehrseinrichtungen sowie deren Ausbau. Großflächige Einzelhandelsbetriebe werden bevorzugt an Verkehrsknotenpunkten oder bei einem Zubringer einer Fernstraße angesiedelt und können dort mit dem durch sie ausgelösten Verkehrsaufkommen den Bau neuer oder größerer Verkehrsanlagen erforderlich machen.
    Auswirkungen auf den Verkehr werden vor allem durch den für den Betrieb typischen Kundenverkehr zu erwarten sein. Die Zufahrtswege zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben müssen für die Aufnahme des zusätzlichen Verkehrs geeignet sein.
  3. Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich
    Nachteilige Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich von großflächigen Einzelhandelsvorhaben können sich dadurch ergeben, dass durch deren Kaufkraftbindung anderen Betrieben, die der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung dienen, die Existenzgrundlage entzogen wird und dadurch eine Unterversorgung der nicht motorisierten Bevölkerung eintritt, zum Beispiel durch eine Beeinträchtigung des für die bedarfsgerechte und flächendeckende Warenversorgung der Bevölkerung im Nahbereich notwendigen engmaschigen Netzes von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 BauR 1984, 380). Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Nahversorgung können sich aus einer Gegenüberstellung der Kaufkraft der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebes und der vorhandenen Verkaufsfläche je Einwohner unter Berücksichtigung der Sortimentsverteilung und der Flächenproduktivität ergeben. Aber eine übermäßige Kaufkraftbindung für sich betrachtet ist noch keine Auswirkung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO; diese ist erst bei entsprechenden Folgen anzunehmen.
    Es besteht ein enger Zusammenhang von § 11 Abs. 3 BauNVO und § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB. Danach sind Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung zu berücksichtigen. Diese Regelung ist Ausdruck der gesetzgeberischen Wertung, dass insbesondere die mittelständischen Betriebsformen des Einzelhandels geeignet sind, die verbrauchernahe Versorgung zu gewährleisten. § 11 Abs. 3 BauNVO zielt darauf ab, den Einzelhandel an Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind. Der Schutz der mittelständischen Wirtschaft dient nicht als Mittel dafür bestimmte Wettbewerbsverhältnisse zu stabilisieren. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben an peripheren Standorten nicht die wirtschaftliche Existenz derjenigen Betriebe bedroht oder gar vernichtet wird, die eine verbrauchernahe Versorgung gewährleisten. (Urteile BVerwG 4 C 9.01 und 4 C 5.01 vom 1. August 2002).

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