Regelwerk

Protokoll "Bergwald"
Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald

16. August 2002
(BGBl. Teil II Nr. 30 vom 20.08.2002 S. 1817)


Präambel

Die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Fürstentum Liechtenstein, das Fürstentum Monaco, die Republik Österreich, die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Republik Slowenien

sowie

die Europäische Gemeinschaft -in Erfüllung ihres Auftrags aufgrund des Übereinkommens vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen <Alpenkonvention), eine ganzheitliche Politik zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums sicherzustellen,

in Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Alpenkonvention,

in der Überzeugung, daß die ansässige Bevölkerung in der Lage sein muß, ihre Vorstellungen von der gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung selbst zu definieren und an deren Umsetzung im Rahmen der geltenden staatlichen Ordnung mitzuwirken,

in der Erkenntnis, daß der Bergwald jene Vegetationsform ist, welche - oft weit über die Berggebiete hinausreichend - den wirksamsten, wirtschaftlichsten und landschaftsgerechtesten Schutz gegen Naturgefahren, insbesondere Erosionen, Hochwasser, Lawinen, Muren und Steinschlag, leisten kann,

im Wissen, daß der Wald Kohlendioxid der Atmosphäre entnimmt und den Kohlenstoff im Holz über sehr lange Zeiträume klimawirksam bindet,

in dem Bewußtsein, daß der Bergwald für den regionalen Klimaausgleich, für die Reinigung der Luft sowie für den Wasserhaushalt unentbehrlich ist,

in Anbetracht der Tatsache, daß der Erholungsfunktion des Bergwalds eine für alle Menschen wachsende Bedeutung zukommt,

im Wissen, daß der Bergwald eine Quelle erneuerbarer Rohstoffe ist, deren Bedeutung in einer Welt des steigenden Ressourcenverbrauchs besonders wichtig ist, daß er aber auch als

Arbeitsplatz und Einkommensquelle gerade im ländlichen Raum von existentieller Bedeutung ist,

in Kenntnis der Tatsache, daß die Bergwaldökosysteme wichtige Lebensräume für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt sind,

in der Überzeugung, daß vor allem die Einhaltung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit, wie er traditionell in der europäischen Forstwirtschaft geprägt und weiterentwickelt wird, alle wichtigen Waldfunktionen auch für künftige Generationen sicherstellt,

in der Überzeugung, daß bestimmte Probleme nur grenzübergreifend gelöst werden können und gemeinsame Maßnahmen der Alpenstaaten erforderlich machen - sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel 1
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1 Ziel

(1) Ziel dieses Protokolls ist es, den Bergwald als naturnahen Lebensraum zu erhalten, erforderlichenfalls zu entwickeln oder zu vermehren und seine Stabilität zu verbessern. Als Voraussetzung für die Erfüllung der in der Präambel angeführten Funktionen ist eine pflegliche, naturnahe und nachhaltig betriebene Bergwaldwirtschaft erforderlich.

(2) Insbesondere verpflichten sich die Vertragsparteien, dafür Sorge zu tragen, daß vor allem

Artikel 2 Berücksichtigung der Ziele in den anderen Politiken

Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ziele dieses Protokolls auch in ihren anderen Politiken zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem für folgende Bereiche:

  1. Luftschadstoffbelastungen - Luftschadstoffbelastungen werden schrittweise auf jenes Maß reduziert, welches für die Waldökosysteme nicht schädlich ist. Dies gilt auch für Belastungen durch grenzüberschreitende Luftschadstoffe.
  2. Schalenwildbestand - Schalenwildbestände werden auf jenes Maß begrenzt, welches eine natürliche Verjüngung standortgerechter Bergwälder ohne besondere Schutzmaßnahmen ermöglicht. Für grenznahe Gebiete verpflichten sich die Vertragsparteien, ihre Maßnahmen zur Regulierung der Wildbestände aufeinander abzustimmen. Zur Wiederherstellung eines natürlichen Selektionsdrucks auf die Schalenwildarten sowie im Interesse des Naturschutzes befürworten die Vertragsparteien eine mit den Gesamtbedürfnissen der Region abgestimmte Wiedereinbürgerung von Beutegreifern.
  3. Waldweide - Die Erhaltung eines funktionsfähigen Bergwalds hat Vorrang vor der Waldweide. Die Waldweide wird daher soweit eingeschränkt oder erforderlichenfalls gänzlich abgelöst, daß die Verjüngung standortgerechter Wälder möglich ist, Bodenschäden vermieden werden und vor allem die Schutzfunktion des Waldes erhalten bleibt.
  4. Erholungsnutzung - Die Inanspruchnahme des Bergwalds für Erholungszwecke wird soweit gelenkt und notfalls eingeschränkt, daß die Erhaltung und Verjüngung von Bergwäldern nicht gefährdet werden. Dabei sind die Bedürfnisse der Waldökosysteme zu berücksichtigen.
  5. Waldwirtschaftliche Nutzung - Im Hinblick auf die Bedeutung einer nachhaltig ausgeübten Holznutzung für die Volkswirtschaft und die Waldpflege fördern die Vertragsparteien den verstärkten Einsatz von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.
  6. Waldbrandgefahr - Die Vertragsparteien tragen der Waldbrandgefahr durch angemessene Vorsorgemaßnahmen und wirksame Brandbekämpfung Rechnung.
  7. Fachpersonal - Da ein naturnaher und auf die Erfüllung aller Waldfunktionen ausgerichteter Waldbau ohne entsprechendes qualifiziertes Personal nicht möglich ist, verpflichten sich die Vertragsparteien, für ausreichendes und fachkundiges Personal Sorge zu tragen.

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